Nachdem der Losentscheid bei Spielhallen in Niedersachsen zu viel Ärger und Rechtsstreitigkeiten geführt hat, will die Landesregierung den Betrieb von Spielhallen neu regeln. Allerdings wurde in der Landtagsanhörung zur Novellierung des Glücksspielgesetzes deutlich, dass es eine neue Klagewelle geben könnte. Streitpunkt ist der Kriterien-Katalog, nach dem entschieden werden soll, welche Spielhallen weiter betrieben werden dürfen und welche nicht. Kriterien sind zum Beispiel der Abstand zu Schulen oder ein Rauchverbot.

Joachim Schwind, Geschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages, sprach in der Anhörung von einem „komplizierten System der Vorweg-Hilfskriterien“ und befürchtet, dass man am Ende doch wieder vor Gerichten landen könnte. „Die Einzelkriterien sind alle streitbefangen. Messe ich den Abstand vom Eingang der Schule oder vom Schulzaun? Gilt ein Kiosk als Raststätte? Über die Messungen wird es eine neue Debatte geben“, meint Schwind. Bei konkurrierenden Anträgen verschiedener Spielhallenbetreiber soll die kommunale Verwaltung, wenn der Kriterien-Katalog kein Ergebnis bringt, eine Entscheidung nach „weiteren sachlich gerechtfertigten Kriterien“ treffen.

Die Kommunen fragen sich allerdings, was das bedeuten soll. Hier wünscht sich Schwind am Ende eines Verfahrens als Ultima Ratio dann doch weiterhin ein Losverfahren, was er auch als unproblematisch empfindet. Schließlich sei in Nordfriesland ja auch einmal ein Landrat per Losverfahren bestimmt worden, gab er als Beispiel an. Gemeint ist Dieter Harrsen, der im August 2013 als gemeinsamer Kandidat von SPD, SSW und Wählergemeinschaft Nordfriesland durch Losentscheid zum zweiten Mal zum Landrat des Kreises Nordfriesland wurde. Der CDU-Abgeordnete Rainer Fredermann sprach sich erneut gegen ein Losverfahren aus. Er halte es für schwierig, Arbeitsplätze per Los abzuschaffen.


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Auch Axel Holthaus, Sprecher der Geschäftsführung bei Lotto Niedersachsen, rechnet mit neuen juristischen Scharmützeln. „Es gibt kaum eine Branche, die so klagebewehrt ist wie das Glücksspiel. Es hat in diesem Bereich immer intensivste juristische Auseinandersetzungen gegeben. Ich würde eine Wette auf die nächsten gerichtlichen Auseinandersetzungen abschließen“, meinte Holthaus. Um dem besser vorzubeugen, würde er sich eine striktere Handreichung für die Kommunen wünschen.

Wie schwierig es ist, den Streit um die Spielhallen mittels objektiver Kriterien beizulegen, machte auch die Einschätzung des TÜV Rheinlands deutlich, der auf Regelungen in anderen Bundesländern verweist, die nach Meinung der TÜV-Experten geeigneter sind. „Länder wie Bayern und Nordrhein-Westfalen haben erkannt, dass nicht allein die Quantität an Spielhallen für den Schutz des Verbrauchers relevant ist, sondern durch qualitative Ansätze auch die Gefährlichkeit der jeweiligen Spielhalle reduziert werden kann“, heißt es in der Stellungnahme. Die Experten schlagen unter anderem eine Verlängerung der Sperrzeit, die Betreuung der Spieler durch psychologisch geschulte Spielerschutzbeauftragte sowie ein Zutrittsverbot für Personen unter 21 Jahren vor.

Deutsche Automatenwirtschaft warnt vor „Berliner Verhältnissen“ in Niedersachsen

Auch die Spielhallenbetreiber sind nicht restlos überzeugt, dass durch die neuen Kriterien alle Streitpunkte ausgeräumt sind. Professor Florian Heinze vom Automatenverband Niedersachsen hofft zwar, dass sich die meisten Konflikte damit lösen ließen, räumte aber auch ein, dass die Kriterien teilweise Zweifel aufkommen lassen. Auf keinen Fall dürfe es, wie von den Kommunen gewünscht, am Ende zu einem Losverfahren kommen. „Das ist ja gerade kein Sachlichkeitskriterium, sondern ein von Willkür geprägtes Zufallsinstrument“, machte Heinze deutlich. Die Befristung der Erlaubnis für Spielhallen bis zum Jahr 2025 halten die Automatenbetreiber für zu kurz bemessen. Allein die Mietverträge liefen in der Regel über zehn Jahre, erklärte Heinze. Zudem sei in so einem kurzen Zeitraum eine Amortisierung der Investitionen von einer viertel Million Euro und mehr bei der Eröffnung einer neuen Spielhalle nicht möglich.

Die Reduktion legaler Angebote führt zum Rückzug in illegale Angebote.

Georg Stecker von der Deutschen Automatenwirtschaft warnte vor „Berliner Verhältnissen“ in Niedersachsen. Dort habe die falsche Regulierung, die eine sehr starke Reduzierung von Spielhallen vorsah, dazu geführt, dass es nun 280 legale, zugleich aber 2500 illegale scheingastronomische Betriebe gibt. „Die Verwaltung hat schon um Hilfe gerufen. Die Reduktion legaler Angebote führt zum Rückzug in illegale Angebote“, mahnte Stecker.

Suchtexperten wollen noch weniger Spielhallen

Dagegen kommt Suchtexperten das niedersächsische Gesetz der Automatenwirtschaft viel zu weit entgegen. „Es gilt, Gefahren abzuwehren und die Angebote zu reduzieren. Das ist nachweislich die wirksamste Maßnahme“, sagte Michael Cuypers, Geschäftsführer der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen, der diese Reduktion im Gesetzentwurf allerdings nicht umgesetzt sieht. Andreas Iloff von der Suchthilfe Hildesheim kritisierte, Niedersachsen nehme die bundesweit liberalste Regulierung vor. Den Vorschlag der Automatenwirtschaft, stärker auf Zertifizierungen von Spielhallen zu setzen, quittierte Iloff mit der Antwort: „Sie können auch Schwimmwesten aus Beton zertifizieren, wenn sie alle gleichermaßen bauen. Nur schwimmen können sie damit nicht.“