9. Aug. 2023 · 
Justiz

Ermittlungen laufen, aber Hinweise auf iranischen „Todesrichter“ in Hannover fehlen

Die Frage, ob der iranische Richter Hossein Ali Naeiri in Hannover weilt und in der renommierten Neuro-Klinik INI behandelt wird oder werden soll, hat nun auch die Landespolitik erreicht. Der Rechtsausschuss des Landtags hat sich am Mittwoch damit befasst. Auf Wunsch des Justizministeriums wurden weite Teile der Unterrichtung in vertraulicher Sitzung behandelt, also unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Hossein Ali Naeiri in einem Interview mit einem iranischen Medium im Juli 2022. | Quelle: Iran 1988 Massacre

Unterdessen fehlen weiterhin Hinweise darauf, dass sich der „Todesrichter“ genannte Jurist, der für Massenhinrichtungen zur Zeit des Herrschers Khomeini verantwortlich gewesen sein soll, in Niedersachsen oder in Deutschland aufhält. Umfangreiche Überprüfungen der Staatsanwaltschaft Hannover haben bisher kein Ergebnis zutage gefördert. Allerdings hatte der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck Anfang Juli dem Generalbundesanwalt, dem Landeskriminalamt Niedersachsen und mehreren Bundesministerien geschrieben, er habe Informationen übereine bevorstehende oder zumindest geplante Behandlung von Naeiri im INI. Die Strafverfolgungsbehörden, so Beck weiter, müssten jetzt tätig werden.

Dabei erinnerte der Grünen-Politiker an den Fall des anderen iranischen „Todesrichters“ Ajatollah Shahroudi, der vor fünf Jahren in Hannover behandelt worden war. Nach Darstellung von Beck war Shahroudi seinerzeit in die Klinik geflohen, da er den Justizbehörden habe entweichen wollen. Der Leiter des INI, der aus dem Iran kommende Madjid Samii, hat sich empört über Becks aktuelle Behauptungen gezeigt und diese als Unterstellung zurückgewiesen. Der Grünen-Politiker hingegen hatte nach seinen öffentlichen Einlassungen mehr oder weniger den Verdacht geäußert, die Justiz gehe der Sache nicht entschieden genug nach.



Die Vertreter des niedersächsischen Justizministeriums waren am Mittwoch im vertraulichen Teil der Rechtsausschusssitzung bemüht, solche Eindrücke zu widerlegen. So ist vorgetragen worden, dass zunächst die Frage der Zuständigkeiten habe geklärt werden müssen. Der Generalbundesanwalt käme nur in Betracht, wenn das Völkerstrafrecht berührt ist – was aber mit Hinweis auf den Zeitpunkt der Naeiri angelasteten Taten verneint wurde. Ein Ausländer, der sich in Deutschland aufhält, könne zudem nur unter bestimmten Bedingungen ins Visier der Ermittler geraten, wie Vertreter des Justizministeriums hervorhoben. Eine solche Voraussetzung wäre, dass der Betreffende sich in Deutschland aufhalten muss. Die Klärung dieser Frage nehme Zeit in Anspruch.

Hin und Her bei der Staatsanwaltschaft Hannover

Nun hat es aber offenbar bei der behördeninternen Bearbeitung dieses Falles eine Wende gegeben. Am 25. Juli teilte Justiz-Staatssekretär Thomas Smollich zunächst dem Landtag mit, dass die Staatsanwaltschaft Hannover „aus Rechtsgründen“ von der Aufnahme von Ermittlungen abgesehen habe. Vorangeschaltet hatte Smollich längere Hinweise auf die rechtlichen Umstände. Zwei Tage später allerdings, nachdem sich auch die Generalstaatsanwaltschaft mit Sitz in Celle eingeschaltet hatte, ist das Ermittlungsverfahren „wieder aufgenommen worden“, erklärte eine Vertreterin des Justizministeriums in der Rechtsausschusssitzung. Was zu dieser Änderung der Position geführt hat, ist im öffentlichen Teil der Sitzung dann nicht näher ausgeführt worden.

Nach Rundblick-Informationen muss die Generalstaatsanwaltschaft aber der Staatsanwaltschaft Hannover nahegelegt haben, die Sache nicht zu schnell zu den Akten zu legen – sondern gründlich zu recherchieren. So sind die Botschaften angeschrieben worden, das Auswärtige Amt und andere Behörden. Erforscht wurde, ob es Hinweise auf eine Einreise von Naeiri geben könnte. Von einer Durchsuchung des INI wurde abgesehen – trotz anonymer Andeutungen, in der Privatklinik seien einige Abteilungen gesperrt worden, um diese für den umstrittenen Patienten frei zu räumen.

Im Laufe der Recherchen der Staatsanwaltschaft, die dann nach dem 27. Juli verstärkt wurden, sind allerdings nach Angaben des Ministeriums keine neuen Erkenntnisse bekannt geworden. Die Möglichkeit, dass der „Todesrichter“ unter falschem Namen eingereist ist oder mit falscher Identität womöglich doch in Deutschland behandelt wird, kann dennoch nicht ausgeschlossen werden. Sie erscheint aber nach den bisherigen Ergebnissen der Justiz wohl als unwahrscheinlich. 

Dieser Artikel erschien am 10.8.2023 in Ausgabe #133.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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