Erleichterung nach dem ersten Scheitern der Asyl-Wende von Merz – auch in Teilen der CDU
Die Niederlage ist heftig, doch die Wirkung nicht ganz so wie erwartet: CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat am Freitagabend sein Ziel verfehlt, im Bundestag eine Mehrheit für eine Gesetzesänderung zum Asylrecht zu erreichen. Für das Anliegen hatten sich in namentlicher Abstimmung ein großer Teil der CDU/CSU-Fraktion, drei Viertel der FDP-Fraktion und die AfD-Fraktion ausgesprochen. Das reichte aber nicht, für einen Erfolg der Initiative fehlten Merz am Ende 13 Stimmen von Abgeordneten. Damit ist der Vorstoß aus dem parlamentarischen Verfahren bis zur Bundestagswahl in knapp drei Wochen verschwunden, auch der Bundesrat wird sich mit dem Vorgang nicht mehr beschäftigen. Aufmerksame Beobachter stellten fest, dass Merz nach dem Ausgang der Abstimmung nicht geknickt oder frustriert wirkte, sondern entspannt. In Teilen der niedersächsischen CDU, die sich allerdings nur hinter vorgehaltener Hand äußern, ist sogar von „Erleichterung“ die Rede.
Auf den Landtagsfluren wurde am Freitag, während der gleichzeitig zur Bundestagssitzung tagenden Plenarsitzung in Hannover, folgende Schilderung erzählt: CDU und CSU seien Mitte der vergangenen Woche überrascht, ja überwältigt worden von dem Massenprotest gegen das, was sich am 29. Januar im Bundestag abspielte, nämlich die gemeinsame Mehrheit von CDU/CSU, FDP und AfD für einen Entschließungsantrag zur Migrationspolitik. Dieser Schock führte offenbar auch in der Union zu der Frage, wie man das Thema „Brandmauer zur AfD“ möglichst schnell wieder aus dem Mittelpunkt des Wahlkampfs herausholen kann – denn die Debatte mobilisiert offenbar vor allem für SPD und Grüne, und sie lenkt vom Thema Asyl ab. Die 7500 Teilnehmer einer Demonstration auf dem hannoverschen Opernplatz – bei Regenwetter – zeigen an, wie viel Mobilisierungspotenzial hier bei Rot-Grün vorhanden ist. So ging es seit Donnerstag um ein Ausstiegsszenario, das in stundenlangen Gesprächsrunden während der Sitzungsunterbrechung im Bundestag am 31. Januar besprochen wurde. FDP-Fraktionschef Christian Dürr hatte vorgeschlagen, die Gesetzesänderung von Merz in den Innenausschuss des Bundestages zurückzuweisen – und bis zu einer endgültigen Entscheidung am 11. Februar die Gemeinsamkeiten zwischen SPD, Union, Grünen und FDP auszuloten. Diese Linie hätte zwar am 31. Januar den Konflikt vertagt, aber das Risiko in sich getragen, dass bis 11. Februar das Thema beherrschend im Wahlkampf geblieben wäre. Daran aber, so wurde schon am 29. Januar klar, haben CDU und CSU kein wirkliches Interesse mehr – denn Gewinner dieser Fokussierung könnten SPD, Grüne und AfD sein.
Merz lehnte also die Verweisung in den Innenausschuss ab und bestand auf einer abschließenden Entscheidung am 31. Januar. Dies war der einzige Weg, die Sache fix zu erledigen. Dass dann am Ende die CDU/CSU erfolglos blieb, ist zwar im ersten Moment eine schmerzhafte Niederlage für Merz – doch ohne den Gesetzesbeschluss ist nun auch die Basis für eine neue Welle der „Brandmauer“-Proteste von Rot-Grün weggebrochen. Ist Merz nun angeschlagen, da ihm nicht alle Unionsabgeordneten folgten? Sein Gesetzentwurf hätte 13 Stimmen mehr haben müssen, um erfolgreich zu sein. Da aber nur 12 CDU-Abgeordnete an der Abstimmung nicht teilnahmen und sich verweigerten, kann Merz behaupten: Auch wenn die CDU/CSU komplett zugestimmt hätte, hätten wir nicht die Mehrheit erreicht. Die 12 CDU-Abgeordneten machen 6,1 Prozent aller Unions-Bundestagsabgeordneten aus. Aus der 90-köpfigen FDP-Bundestagsfraktion folgten 23 nicht dem Antrag der Union, das sind 25,5 Prozent. Zwei FDP-Abgeordnete stimmten mit Nein – darunter Aniko Glogowski-Merten aus Braunschweig, die inzwischen auf dem aussichtslosen Platz 22 der Landesliste steht. Unter denen, die sich enthalten hatten, sind auch Jens Beeck aus dem Emsland, der auf dem ebenfalls nicht rosigen Platz 6 der Liste steht und Matthias Seestern-Pauly aus Osnabrück, der nicht wieder antritt. Nicht an der Abstimmung teilgenommen hatte der Landesvorsitzende Konstantin Kuhle aus Göttingen, Listenplatz 2 hinter Christian Dürr. Damit ist die Hälfte der niedersächsischen FDP-Bundestagsabgeordneten nicht dem Antrag der CDU/CSU gefolgt. Die Junge Union Niedersachsen (JU) nannte dieses Verhalten von Kuhle „beschämend“. Einige Strategen in der CDU dürften hingegen froh sein, dass das Asylthema am 31. Januar an Schärfe verloren hat. Das gibt Raum dafür, die katastrophale Lage der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes wieder stärker zum Wahlkampfthema zu erklären.
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
Jetzt vorbestellen