8. Feb. 2019 · Landwirtschaft

Entmachtung oder nur Umorganisation? Wirbel um die Tierschutzbeauftragte

Es kommt auf ihr Wort an – und auf gute Kontakte. Seit Mai 2016 ist Michaela Dämmrich die Landesbeauftragte für den Tierschutz in Niedersachsen, sie hat ihr Büro im Landwirtschaftsministerium, und im Organigramm der Behörde ist ein eigenes Kästchen mit ihrem Namen vorgesehen, verbunden mit einer Telefonnummer. Den Regierungswechsel hat die 56-Jährige unbeschadet überstanden. Aber ihre Parteifreunde, die nun in der Opposition befindlichen Grünen, wittern dennoch Ungemach. „Sie soll kaltgestellt werden“, sagt Miriam Staudte, Agrarexpertin der Landtagsfraktion. Die Geschäftsführung des Tierschutzbeirates, der das Ministerium in Tierschutzfragen grundsätzlich berät, wurde Dämmrich jetzt entzogen. Zuständig wird dafür die Fachebene des Ministeriums. Außerdem rügen die Grünen, die Beauftragte werde zunehmend ausgegrenzt, wenn es um die Vorbereitung interner Vorhaben des Ministeriums zum Tierschutz gehe.
Sie bewegt sich auf einem hochumstrittenen Feld, aber sie soll das, beteuert das Ministerium, auch weiter ungehindert tun.
Ist das nun eine Entmachtung? Das sehen die einen so, die anderen anders. Aus dem Ministerium heißt es offiziell, nach wie vor wirke Dämmrich mit, wenn neue Erlasse und Gesetzentwürfe erstellt werden. Von Ausgrenzung könne keine Rede sein. Doch strahlt die Beauftragte auch in die Öffentlichkeit? Wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ zutreffend schrieb, ist sie in den zweieinhalb Jahren ihrer Tätigkeit in Hannover nie sonderlich aufgefallen. Hin und wieder meldete sie sich zu Wort, etwa zum Thema Katzenkastration, aber großen Widerhall fand das meistens nicht. Kontroversen hat sie bisher selten anzetteln können, vielleicht auch nicht wollen. Gleichwohl plant Agrarministerin Barbara Otte-Kinast keineswegs, die Beauftragte abzulösen. Sie solle weiter ihre Tätigkeit wahrnehmen, heißt es aus dem Ministerium. Allerdings wird die Geschäftsstelle des Tierschutzbeirates künftig vom Tierschutz-Referat des Agrarressorts wahrgenommen. Dieses Referat agierte schon bisher völlig unabhängig von der Beauftragten – und wird von Dorit Stehr (CDU) geleitet, einer promovierten Tiermedizinerin mit dem Ruf, sehr engagiert ihre Aufgaben anzugehen. Zwischen Stehr und Dämmrich, heißt es, gebe es eigentlich ein gutes Einvernehmen. Trotzdem ist die Konstruktion im Ministerium durchaus so gestrickt, dass Konflikte eigentlich an der Tagesordnung sein müssten. Da gibt es eine Tierschutzbeauftragte, die über allem schwebt und keine Anbindung an das Tierschutzreferat hat, aber intern kompetent mitreden soll. Und ein Tierschutzreferat, das eigentlich mit der Beauftragten nichts zu tun haben soll, aber die Inhalte prägt. Die Gefahr ist groß, dass beide nebeneinander arbeiten, im schlimmsten Fall sogar gegeneinander. Wer ist eigentlich Michaela Dämmrich? Sie ist in Berlin geboren, hat 1986 ihr Veterinärmedizinstudium abgeschlossen und danach in einigen Praxen gearbeitet. Bevor die Fachfrau mit Grünen-Parteibuch nach Niedersachsen kam, war sie Amtstierärztin in Lübeck, wirkte im Kreistag des schleswig-holsteinischen Landkreises Stormarn. Das politische Geschäft ist ihr also nicht fremd, und sie weiß, wie langwierig oft Veränderungen sein können. „Zum Beispiel gilt das auch in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Viele Neuerungen für eine artgerechte Haltung von Nutztieren sind notwendig – aber es muss auch wirtschaftlich sein“, meinte sie vor einiger Zeit im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Warum, fragte sie damals, werden in den Schulen nicht mehr „Tierschutzlehrer“ in Projektwochen eingesetzt? Das seien ausgebildete Honorarkräfte, die der Tierschutzbund vermitteln könne. Diese könnten den Kindern beibringen, welche Bedürfnisse Tiere haben, wie unterschiedlich sie gehalten werden und dass man beim Einkauf auf die Herkunft des Fleisches und der Milch achten sollte. Auch in der Debatte um die Probleme der Milchbauern hat Dämmrich eine klare Position: Es sei falsch, die Kühe zu „Hochleistungsmaschinen“ hoch zu züchten, ihnen teures Kraftfutter zu geben und sie auf Betonspaltenböden zu halten. Das Ergebnis sei viel zu viel Milch, die keinen Käufer finde. „Die Tiere zahlen mit ihrer Gesundheit dafür, da sie alle körperlichen Reserven in die Milchproduktion stecken. Die meisten Kühe halten nur noch zwei bis vier Laktationsperioden durch und werden dann geschlachtet.“ Das Beispiel Irland zeige, dass man durch konsequente Weidehaltung Kosten verringern kann, die Kühe dann zwar weniger Milch geben, aber tierschutzgerechter und dennoch wirtschaftlich gehalten werden. Oder das Thema der immer noch in der Forschung üblichen Tierversuche. Darüber müsse man hinwegkommen, sagt Dämmrich: Es gebe heute schon Verfahren und künstliche Organe, etwa um Stoffwechselvorgänge im Menschen zu imitieren und daran Medikamente zu testen. Viele mögen Dämmrich zustimmen, aber sichert ihr das die Rolle in der Behörde? Der Streit über die Stellung der Tierschutzbeauftragten spielt sich ab vor einem weit größeren Konflikt, bei dem die Trennlinien manchmal quer durch die traditionellen Interessengruppen gehen. Viele Landwirte sehen strenge Auflagen, etwa bei der Ferkelkastration, als geschäftsschädigend an. Sie blicken mit Neid auf andere Länder, in denen Vorgaben beispielsweise der EU weitaus weniger streng befolgt würden. Nun wäre es aber verkehrt anzunehmen, wegen der CDU-Prägung des Agrarministeriums hätten diese Kräfte nun mehr Einfluss auf die politische Spitze – und könnten damit mittelbar eine Grüne wie Dämmrich an die Seite drängen. Denn auch in der CDU gibt es, wie auch bei SPD, FDP und Grünen, in dieser Frage nicht nur eine Linie. Was das alles für die Tierschutzbeauftragte heißt? Sie bewegt sich auf einem hochumstrittenen Feld, aber sie soll das, beteuert das Ministerium, auch weiter ungehindert tun.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #026.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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