Einst stark, jetzt gespalten: Wie sich die CDU in ihrer Hochburg Vechta zum Gespött macht
Früher, da war die Welt der CDU nirgendwo mehr in Ordnung als im Landkreis Vechta. Hier und im benachbarten Kreis Cloppenburg erringt die Union seit Jahrzehnten bundesweit die besten Resultate – bei der jüngsten Bundestagswahl waren es 53,1 Prozent, trotz starker Verluste immer noch 20 Prozentpunkte mehr als im Bundesschnitt. Aber um die gute Stimmung in der Vechtaer CDU steht es derzeit nicht gut, heftiger Streit trübt gegenwärtig das Bild der Christdemokraten. Dabei schrecken die Beteiligten vor einer Spaltung nicht zurück, und es fallen kurzsichtige Personalentscheidungen.
Solch trübe Phase hatte die CDU Vechta schon einmal
Jüngstes Beispiel ist das Zerwürfnis in der Stadtratsfraktion der CDU in Vechta. Bisher war die Partei hier mit einer satten absoluten Mehrheit von 17 der 32 Mandate ausgestattet. Doch über die Frage, wann die nächste Bürgermeisterwahl stattfinden soll, kam es zu Bruch: Vier Ratsmitglieder scherten aus, jetzt hat die CDU-Fraktion nur noch 13 Stimmen und könnte theoretisch von den anderen überstimmt werden. Das führt CDU-intern zu zornigen Reaktionen. Dazu muss man zur Vorgeschichte wissen, dass es schon einmal eine solche trübe Phase in der Vechtaer CDU gab – ihre Zerstrittenheit führte 2004 dazu, dass ein Sozialdemokrat, der frühere Agrarminister Uwe Bartels, zum Bürgermeister gewählt wurde und sechs Jahre im Amt blieb. Dessen Nachfolger wurde 2011 dann wieder ein CDU-Mann, nämlich der einstige Stadtdirektor Helmut Gels. Aber Gels vollendet im Herbst 2019 das 67. Lebensjahr, dann kann er nicht mehr antreten. Nun gab es zwei Denkrichtungen in der CDU: Würde man im Mai 2019 wählen, parallel zur Europawahl, hätte Gels noch einmal kandidieren können. Viele hätten das wohl gern so geregelt und ihn dann überredet, noch einmal anzutreten. Aber eine andere Gruppe in der CDU, darunter der bisherige Stadtrats-Fraktionschef Claus Dalinghaus, befürwortete als Wahltermin den 20. Oktober. Gemutmaßt wird, dies sei in durchschaubarer Absicht geschehen, eine Wiederwahl des dann gerade 67 Jahre alt gewordenen Gels auf jeden Fall auszuschließen. Ob Dalinghaus selbst auf das Bürgermeisteramt schielte? Er schweigt dazu auf Rundblick-Anfrage.
Dalinghaus gründet eigene Fraktion
Im Juni kam es zum Eklat. Die Mehrheit der CDU-Stadtratsfraktion war für den Mai-Termin, doch in einer geheimen Abstimmung im Rat muss es vier CDU-Abweichler gegeben haben, sodass diese gemeinsam mit SPD, Wählergemeinschaft, Grünen, FDP und AfD den 20. Oktober für die Bürgermeisterwahl durchsetzten. Im August wurde Dalinghaus, dem Kritiker falsches Spiel vorwarfen, daraufhin als CDU-Fraktionschef gestürzt. Nun zieht er die Konsequenz und gründet mit drei Mitstreitern eine eigene Fraktion, die den Namen „Vechtaer Christdemokraten“ tragen soll. Aber geht das überhaupt, dürfen sich die Abweichler mit dem Markennamen „Christdemokraten“ schmücken? Eine Parteiordnungs- oder -ausschlussverfahren dürfte zäh und langwierig werden, in ähnlichen Fällen werden Absplitterungen in vielen Kommunen daher oft stillschweigend akzeptiert. Dalinghaus und seine Weggefährten machen auch keine Anzeichen, der CDU als solcher den Rücken kehren zu wollen. Für die verbliebenen CDU-Ratsmitglieder, unter ihnen der Landtagsabgeordnete Stephan Siemer, ist das aber ein Affront.
Problematisch für die Liste zur Europawahl
Speziell für Siemer ist es schon das zweite große Problem. Im Sommer trat er als CDU-Kreisvorsitzender zurück, nachdem die Funktionsträgerschaft des Kreisverbandes seine Personalpläne boykottierte. Es geht um die Frage, ob ein Kandidat des CDU-Landesverbandes Oldenburg unter die aussichtsreichen ersten vier Plätze für die CDU-Landesliste zur Europawahl kommen kann. In der gegenwärtigen Konstellation, bei der die langjährigen Amtsinhaber einen Bonus haben, hätte nur eine Frau aus Oldenburg die Chance, auf den freigewordenen Platz drei zu kommen. Siemer fand auch eine Kandidatin, die Fraktionschefin im Vechtaer Kreistag, Sabine Meyer. Doch die Mehrheit des Kreisparteitages wollte lieber einen Mann aufstellen, Stefan Gehrold – wohl wissend, wie schlecht damit die Aussichten auf einen guten Listenplatz in der entscheidenden Aufstellungsversammlung der Niedersachsen-CDU am 1. Dezember werden. Dabei ist der Kreisparteitag eine Delegiertenversammlung, hier kam nicht „die Basis“ zusammen, sondern die mittlere Funktionsträgerschaft aus Ratsmitgliedern, Fraktionsvorsitzenden und Bürgermeistern – Leuten also, die ahnen konnten und mussten, dass die Oldenburger CDU mit Gehrold in der Niedersachsen-CDU nur schlechte Chancen haben wird. „Das war ihnen egal, sie wollten es dem Kreisvorstand einfach mal zeigen“, meint ein Teilnehmer. Es soll auch Stimmen gegeben haben, die meinten: „Eine Frau in führender Position reicht doch aus.“
Widerstand gegen Frauenförderung
Diese Bemerkung spielt auf die Juristin Silvia Breher an, die seit knapp einem Jahr den Wahlkreis Vechta/Cloppenburg für die CDU im Bundestag vertritt. Sie gilt als großer Aktivposten der Partei, soll voraussichtlich nächstes Jahr auch den Landesvorsitz der CDU Oldenburg von Franz-Josef Holzenkamp übernehmen. Die Fortschrittlichen in der Union planen es so. Auf der anderen Seite aber gibt es, wie die Nominierung von Gehrold zeigt, gegen die Frauenförderung gerade in der konservativen CDU-Hochburg Vechta nicht unerhebliche Widerstände. (kw)