Der Fuhrpark des niedersächsischen Innenministeriums besteht aus rund 9000 Fahrzeugen, von denen die Hälfte zur Polizei gehört. Wie bei allen anderen Fahrzeugflotten ist auch hier die Klimaneutralität das Ziel, was sich das Land einiges kosten lässt. Schon 2020 hatte die Große Koalition für die ökologische Fuhrparkerneuerung insgesamt 37,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt und Innenministerin Daniela Behrens will nochmal nachlegen.

Rico Wiersig (links) treibt die E-Mobilität bei der niedersächsischen Polizei voran. Daniela Behrens und Uwe Lange stehen dabei voll und ganz hinter dem Fuhrparkmanager der Zentralen Polizeidirektion. | Foto: Link

„Damit Niedersachsen bis 2040 klimaneutral werden kann, müssen wir erheblich investieren – auch in den Fuhrpark der Polizei“, sagte die SPD-Politikerin beim Bundeskongress „Elektromobilität in polizeilichen Flotten“ in Hannover und kündigte einen Extra-Fonds für elektrische Dienstfahrzeuge an. „Wir streiten uns gerade mit dem Finanzministerium in den Ressorts über unsere Prioritäten“, verriet Behrens und kündigte an: „Für den Landesfuhrpark haben wir uns vorgenommen, bis 2030 klimaneutral zu werden. Das Land muss hier Vorbild sein, denn wenn man etwas vorschreibt, muss man es auch selber vorleben.“  

Die Innenministerin stellt klar, dass es bei den Einsatzfahrzeugen keine Elektrifizierung um jeden Preis geben wird. „Der erste Job der Polizei ist Kriminalitätsbekämpfung und nicht Elektromobilität, deswegen muss man Konzepte finden, die dazu passen. Dass die Polizei in der Garage bleibt, weil der E-Motor nicht geht, kommt nicht infrage“, sagte Behrens und zeigte sich offen für andere klimaneutrale Antriebsformen. Auch Hannovers ZPD-Polizeipräsident Uwe Lange betonte: „Es muss in erster Linie darum gehen, dass unsere Einsatzfähigkeit nicht unter der Umstellung leidet. Mein Wunsch ist, dass wir uns da technologieoffen zeigen und nicht nur auf den batterieelektrischen Antrieb fokussieren.“

Daniela Behrens (2.v.r.) spricht beim Bundeskongress „Elektromobilität in polizeilichen Flotten“ in Hannover. | Foto: Link

Von den etwa 2800 Polizeifahrzeugen des täglichen Dienstes sind zwar schon 540 elektrifiziert worden und bis Ende des Jahres sollen es über 700 Elektrofahrzeuge sein. Doch die Dekarbonisierung der Polizeiflotte wird gleichzeitig durch Hindernisse bei der Herstellung einer Ladeinfrastruktur ausgebremst. „Wir planen bis Ende des Jahres die Zahl der Lademöglichkeiten von 341 auf 900 zu erhöhen. Ich bin aber gespannt, ob wir das Ziel erreichen. Wir sind in vielen Punkten noch ganz weit davon entfernt, dass wir in die Umsetzung kommen. Das liegt meistens nicht an uns, sondern an den vielen schwierigen Rahmenbedingungen“, sagte Lange.  

Die Einsatztauglichkeit von Elektrofahrzeugen für die Polizei ist dagegen besser als gedacht, wie das niedersächsische Forschungsprojekt „lautlos & einsatzbereit“ zeigt. Kerstin Schmidt und Marcel Sander von der TU Braunschweig stellten auf dem Bundeskongress die bisherigen Studienergebnisse vor, die zumindest bei den Funkstreifenwagen und anderen Fahrzeugen des täglichen Dienstes den Umstieg auf Elektromobilität empfiehlt. Die Forscher hatten 27 Plug-In-Hybridfahrzeuge und 26 batterieelektrische Fahrzeuge im Polizeidauerbetrieb getestet und dabei Fahrdaten von mehr als 3,1 Millionen Kilometern ausgewertet. „Die Fahrzeuge haben wir in ganz Niedersachsen verteilt – von der Nordseeküste und den Inseln bis in den Harz hinein“, sagte Sander.

Im Stadtgebiet von Leer ist die Polizei bereits vollelektrisch unterwegs. Der VW ID.4 hat eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Und bis nach Hannover hat es der Streifenwagen aus Ostfriesland auch geschafft. | Foto: Link

Insbesondere beim Ermittlungsdienst sowie im Bereich „Stab & Fiskal“ hätten die Forscher dabei fast keine Unterschiede zum Einsatz von konventionellen Autos festgestellt. „Gerade der innerstädtische Einsatz ist sehr anspruchslos. Das geht sogar mit dem E-Golf, wobei dann der Stauraum problematisch wird“, sagte Sander und berichtete, dass Stadtpolizisten eher kurze Strecken zurücklegen. „Es ist in den zweieinhalb Jahren nicht einmal vorgekommen, dass die Fahrzeuge eine Strecke gefahren sind, die länger als 50 Kilometer ist“, sagte der Wissenschaftler. Im ländlichen Bereich seien zwar auch schon mal Strecken bis 250 Kilometer gefahren worden. Mit einem leistungsfähigen Akku und einer Vollladung über Nacht sei das aber zu schaffen. „Eine größere Reichweite steigert die Verfügbarkeit. Man sollte also eher in größere Batterien investieren“, sagte Sander. 

Kerstin Schmidt und Marcel Sander berichten über das Forschungsprojekt „lautlos & einsatzbereit“. | Foto: Link

Sein Fazit: „Sowohl die Reichweite als auch die Ladeleistung sind kein Problem.“ Und auch bei der Höchstgeschwindigkeit könnten die E-Autos die technischen Anforderungen erfüllen. Bei Dienststellen im ländlichen Raum sei zwar eine Schnellladeinfrastruktur erforderlich, ansonsten reiche aber die handelsübliche 11-kW-Wallbox. Seine Forschungskollegin Schmidt betonte, dass der Umstieg auf Elektromobilität nicht nur aus Klimaschutzgründen essentiell wichtig ist, sondern sich auch finanziell rechnet. Während die Anschaffung von batterieelektrischen Fahrzeugen bis 2030 zwar um 1,7 Millionen Euro teurer wird (plus 1,4 Prozent) als bisher eingepreist, sind die Autos im laufenden Betrieb deutlich günstiger.



Das Einsparpotenzial bezifferte Schmidt bis Ende dieses Jahrzehnts auf rund 7 Millionen Euro. „An CO2-Emissionen können wir durch diese Umstellung des Fuhrparks bis zu neun Prozent einsparen“, ergänzte die Wissenschaftlerin. Diese Zahlen beziehen sich allerdings nur auf die 2800 Fahrzeuge des täglichen Dienstes. Bei den Mannschaftstransportern oder Spezialfahrzeugen wird die Umstellung deutlich schwieriger ablaufen – sofern sie überhaupt sinnvoll ist. Aktuell befindet sich das Forschungsprojekt dazu in der zweiten Phase und untersucht die Potenziale und Rahmenbedingungen für den Einsatz von alternativen Antrieben bei leichten Nutzfahrzeugen. Die Datenerfassung von bis zu 50 an dem Projekt beteiligten Autos soll 2024 abgeschlossen werden. 

„Wir können auch anders als Haudrauf“

Über die Einsatzmöglichkeiten von elektrischen Fahrzeugen bei den Sondereinheiten der Polizei liegt bereits eine wissenschaftliche Studie aus Bayern vor. „Wir sind dafür bekannt, dass wir morgens um 6 Uhr mit der Ramme hart und kräftig zuschlagen. Wir können aber auch anders als Haudrauf, wir können auch wissenschaftlich denken“, sagte Klaus Pfitzner von den Spezialeinheiten Nordbayern. Sein 15-köpfiges Team, darunter acht Ingenieure, sucht zusammen mit zahlreichen Kooperationspartnern aus anderen Bundesländern, Forschung und Wirtschaft nach geeigneten E-Autos für extreme Einsätze.

Denn wenn das Spezialeinsatzkommando (SEK) plötzlich zu einer Geiselnahme gerufen wird, was man in Fachkreisen eine „schnelle Verlegung“ nennt, sollte sich der Fahrer nicht um den Ladestand des Akkus kümmern müssen. „Langsames Fahren und Rekuperieren – das sind Sachen, die man bei einer schnellen Verlegung eher nicht so sieht“, meinte Pfitzner. Darüber, ob man für solche Fälle wirklich ein Auto benötigt, dass 250 Stundenkilometer auf den Tacho bringt, müsse man zwar diskutieren. Im Praxistest habe sich aber gezeigt: Der größte Nutzungsbereich (39 Prozent) liegt im Bereich zwischen 150 und 200 Stundenkilometern. 

Sprechen über Best-Practice-Beispiele für E-Mobilität bei der Polizei (von links): Oliver Suckow (PK Uelzen), Klaus Pfitzner (Sondereinheiten Nordbayern), Bruno Carnot (Kantonspolizei Basel), Hendrik Große Hokamp (PD Osnabrück) und Rico Wiersig (ZDP) sowie Moderator Karsten Wolff. | Foto: Link

Um die Elektrofahrzeuge unter Extrembedingungen zu testen, hatten Pfitzner und sein Team eine schnelle Verlegung von Göppingen nach Freiburg simuliert. Die rund 250 Kilometer Entfernung wurden auf verschiedenen Strecken mit verschiedenen Automodellen zurückgelegt. „Wir sind sehr schnell gefahren – mit Blaulicht, Sonderrechten und allem drum und dran. Trotzdem haben wir nur eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 148 Stundenkilometern erreicht“, berichtete Pfitzner. Insgesamt vier Baustellen und Verkehrsstockungen hatten die Polizeibeamten erheblich ausgebremst. Angekommen sind die Beamten zwar immer. „Für uns ist aber auch wichtig, dass wir am Einsatzort noch voll einsatzfähig sind“, sagte der Polizeivollzugsangestellte. Dass die Autobatterie nach dem Parforce-Ritt noch zu einem Drittel geladen war, stellte jedoch die Ausnahme dar. Zudem wiesen einige Fahrzeuge bei dem Einsatz auch technische Defizite, etwa bei der Bremskraft auf, was sich auch bei Testfahrten auf dem Hockenheimring gezeigt habe.  

Das Fazit der Studie: Für mobile Einsatzkommandos (MEK), die vor allem Fahndungen und verdeckte Ermittlungen durchführen, ist Elektromobilität eine Option – aber nur in Form von Plug-In-Hybriden. „Wenn ich eine Observation mache, kann ich nicht sagen: Ich setze mich mal ins E-Auto und gehe zwischendurch 45 Minuten laden“, sagte Pfitzner. Ansonsten lautet sein klares Urteil: „Für das klassische SEK ist Elektromobilität nicht geeignet.“ Das werde sich auch erst dann ändern, wenn deutlich größere Batteriekapazitäten zur Verfügung stehen.

Experten aus ganz Deutschland haben sich in Hannover zu einem Bundeskongress getroffen, um über Elektromobilität in polizeilichen Flotten zu sprechen. | Foto: Link