Dürfen Bürgermeister im Kreistag sitzen? Der Landkreistag hegt dagegen große Bedenken
Der schon lange währende Streit über die Frage, ob Bürgermeister und Oberbürgermeister von kreisangehörigen Gemeinden auch im Kreistag ihres Landkreises als ehrenamtliche Abgeordnete arbeiten dürfen, erregt nun wieder die Gemüter. Vor wenigen Tagen hatte sich im Politikjournal Rundblick der Göttinger Jura-Professor Thomas Mann geäußert. Darauf reagiert der Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, Prof. Hubert Meyer.
Mann hält das in der Kommunalverfassung verankerte Regelwerk der „Inkompatibilität“ für einen „Verstoß gegen das Übermaßverbot und damit verfassungswidrig“. Die auch den Bürgermeistern und Oberbürgermeistern zustehenden Rechte der Wählbarkeit würden zu stark eingeschränkt – bei Interessenskonflikten könne nach Meinung von Mann auch ein Mitwirkungs- und Beteiligungsverbot verhängt werden, dieser Eingriff sei weit schwächer und eher gerechtfertigt. Das Thema muss demnächst vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg entschieden werden.
Der Göttinger Oberbürgermeister Oliver Junk (CDU) hatte sich im Herbst 2016 in den Goslarer Kreistag wählen lassen. Da er sich aber weigerte, vor Annahme des ehrenamtlichen Mandats seinen OB-Posten abzugeben, wurde ihm die Mitarbeit im Kreistag verweigert. Junk beschritt daraufhin, mit Unterstützung des Städtetages, den juristischen Weg. Er verlor vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig, ging aber in Revision. Beim OVG gibt es noch keinen Verhandlungstermin, teilte das Gericht mit.
Statt Inkompatibilität lieber ein Mitwirkungsverbot?
Eine Erwiderung auf Prof. Mann hat Prof. Meyer vom Landkreistag geschrieben. Zunächst verweist er auf das Recht des Landesgesetzgebers, die geeigneten Schritte zur Abwehr von Interessenskonflikten selbst auszuwählen und festzulegen. Außerdem verweist Meyer auf die „Professionalisierung“ der Kreistagsarbeit, wenn dort verstärkt auch hauptamtliche Bürgermeister Einzug hielten. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Professionalisierung durchaus nicht positiv gemeint. Es entspreche nämlich der Lebenswirklichkeit, dass in den Bundesländern, die eine Bürgermeister-Mitarbeit im Kreistag erlauben, diese auch eine dominante Stellung haben. Das fange schon an mit in der Regel deutlich besseren Ergebnissen bei den Wahlen im Vergleich zu den rein ehrenamtlichen Kandidaten.
Hauptverwaltungsbeamte hätten außerdem einen Wissensvorsprung, denn die meisten Vorgänge müssten sich ehrenamtliche Kreistagsabgeordnete zeitintensiv erarbeiten, während Bürgermeister schon kraft Amtes über Angelegenheiten unterrichtet werden, die sich an Schnittstellen von Kreis- und Gemeindearbeit ereignen.
Ein Problem trete auf, weil der Landrat bei bestimmten Entscheidungen der Kommunalaufsicht auch den Kreisausschuss einbeziehen müsse – und vor allem die starken und selbstbewussten Bürgermeister würden wohl darauf pochen, einen Sitz in diesem Kreisausschuss zu haben. Meyer geht auch auf den Vorschlag von Mann ein, statt der Inkompatibilität lieber ein Mitwirkungsverbot zu verhängen. Dies sei nicht ratsam, denn es gebe zwischen dem Landkreis und einer kreisangehörigen Gemeinde „eine Vielzahl denkbarer Berührungspunkte und Verflechtungen“, oftmals seien „die rechtlichen und tatsächlichen Interessen der verschiedenen Verwaltungsebenen nicht eindeutig abgrenzbar“.
Folglich kommt Meyer in seinem Aufsatz zu seinem Kernargument, nämlich zum besonderen Charakter der Interessenskollisionen zwischen dem Bürgermeisteramt einerseits und dem Amt des Kreistagsabgeordneten beim dazugehörigen Landkreis andererseits. Nicht die verschiedenen Interessen von Kreis und kreisangehöriger Gemeinde seien es, die hier störend sind. Denn unter den Kreistagsmitgliedern seien Inhaber von Doppelmandaten die Regel – Ratsmitglied und zugleich Kreistagsmitglied. Beim Bürgermeister, der auch dem Kreistag angehört, sei etwas anders ausschlaggebend.
Der Bürgermeister sei viel stärker seiner Stadt verpflichtet als seinem Amt im Landkreis. Als Bürgermeister müsse er dienstrechtliche Amtspflichten erfüllen und stehe womöglich unter dem politischen Druck, wiedergewählt zu werden – als Kreistagsmitglied gehe es nur um ehrenamtliche Pflichten aus dem Kreistagsmandat. Hinzu komme, dass Städte wie Celle, Cuxhaven, Goslar, Hameln, Hildesheim und Lüneburg schon derart prägend in ihrem jeweiligen Kreis seien, dass die Mitarbeit der jeweiligen Oberbürgermeister im Kreistag dies noch verstärken würde.