2. Sept. 2019 · 
Bildung

„Dorfprämie“ für neue Lehrer stößt auf rechtliche Bedenken

Bisher steht erst eine vage Ankündigung im Raum, noch hat Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) kein ausformuliertes Konzept entwickelt. Aber der Plan, angehenden Lehrer die Annahme einer Stelle in abgelegenen und wenig attraktiven Gebieten schmackhaft zu machen, stößt bereits jetzt auf rechtliche Bedenken. Kai Bernhardt, Sprecher von Finanzminister Reinhold Hilbers, erklärt: „Eine Besserstellung von Beamten aus strukturschwachen Gebieten stünde im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben.“ Laut Grundgesetz stehen den Beamten nämlich eine „amtsangemessene Besoldung“ zu – und das bemesse sich an Dienstrang und an der mit dem Amt verbundenen Verantwortung. Das Finanzministerium sieht überdies „zahlreiche Folgeprobleme“ einer Dorflehrer-Prämie: Strukturschwache Regionen müsse man von anderen abgrenzen, die Gleichbehandlung mit dort schon tätigen Lehrern müsse beachtet werden. Die Sprecherin des Kultusministeriums erklärte: „Da eine Flächenprämie aus besoldungsrechtlicher Sicht nicht unproblematisch ist, überprüfen wir in Abstimmung mit dem Finanzministerium, wie konkrete Anreize aussehen können.“
Eine Besserstellung von Beamten aus strukturschwachen Gebieten stünde im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben.
Auch in den Lehrerverbänden wird Tonnes Plan skeptisch betrachtet. „Ich sehe erhebliche Schwierigkeiten bei dem Versuch, ein solches Modell mit dem Beamtenrecht vereinbar zu gestalten“, sagte die GEW-Geschäftsführerin Heidemarie Schuldt dem Politikjournal Rundblick. Horst Audritz vom Philologenverband meint: „Diese Prämie hat eine Vielzahl von Fragezeichen, womöglich will der Minister hier nur einen Testballon steigen lassen.“ Der Minister hatte vor zwei Wochen angekündigt, in fünf Regionen einen Modellversuch zu starten. Dabei könne es sich um die Nordseeküste handeln, um Südniedersachsen und auch den Raum Uelzen – überall habe man bisher erkennbare Probleme, ausreichend qualifizierte Lehrer für freie Stellen zu gewinnen. Tonnes Sprecherin sagte, es sollten „verschiedene Modelle entworfen werden“, womöglich sei „eine neue Rechtsgrundlage erforderlich“.
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Juristen sehen zwei Schwierigkeiten. Justiziarin Schuldt von der GEW sagt, nach dem Beamtenrecht müsse eine Zulage zur „amtsangemessenen Besoldung“ passen, also zu den Aufgaben, die der Lehrer zu erfüllen hat. Grundsätzlich stehe es der Landesregierung als Dienstherr über die Lehrer frei, die Stellen neu zu bewerten, also auch höher einzustufen. Aber wenn ein Grundschullehrer in Uelzen eine Zulage erhalte, die sein Kollege in Hannover und Celle nicht bekomme, dann müsse dies in den unterschiedlichen Aufgaben begründet sein. Das aber setze ebenfalls eine Neubewertung der Stellen voraus. Ohne eine Gleichbehandlung von gleichen Tätigkeiten drohe eine Dorflehrer-Prämie vor Gericht zu kippen. „Bereits im Modellversuch könnte dem Minister eine juristische Niederlage drohen“, sagt GEW-Justiziarin Schuldt. Horst Audritz vom Philologenverband fordert den Minister auf, Klarheit zu schaffen. Noch sei völlig unklar, wie hoch der Bedarf an Lehrkräften an den Schulen des Sekundarbereichs 1 tatsächlich ist. Offen bleibe auch, ob sich die geplante Prämie nur an Neueinsteiger richte oder auch an die schon an Dorfschulen tätigen Pädagogen, ob es eine einmalige oder wiederkehrende Prämie sei, ob diese auf das Ruhegehalt angerechnet werden könne und was mit Lehrern passiert, die diesen Bonus kassieren und sich dann versetzen lassen. „Muss dann die Prämie zurückbezahlt werden?“, fragt Audritz. https://soundcloud.com/user-385595761/wurden-sie-ihren-kindern-fur-eine-fridays-for-future-demo-eine-entschuldigung-schreiben Der Sprecher des Finanzministeriums sieht hingegen schon einen rechtlichen Weg. Wenn man „Personalgewinnungszuschläge“ nach dem Besoldungsgesetz heranziehe, könnten maximal 20 Prozent des Anfangsgrundgehalts befristet für vier Jahre wirksam werden. Die Gesamtausgaben dürften dann aber 0,3 Prozent der jährlichen Besoldungsausgaben für Lehrer nicht überschreiten. Doch auch hier gibt es offenbar ein Problem im Detail: In jedem einzelnen Fall müsste die jeweilige Schule belegen, dass eine konkrete Stelle ohne den Gehaltszuschlag nicht besetzt werden kann – ein Zuschlag von 100 Euro monatlich wäre dann, so meint das Finanzministerium „für einen befristeten Zeitraum grundsätzlich möglich“.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #151.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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