„Wir brauchen eine neue Kanon-Debatte, eine Renaissance des Wissens“: Josef Kraus - Foto: MB.[/caption]
Fast eine Stunde lang wettert Kraus gegen ein „Erwartungsdumping“ in den Schulen, „Wohlfühl-Spaß- und Gute-Laune-Pädagogik“ und eine „bildungspolitische Geisterlandschaft“. „Wir brauchen eine neue Kanon-Debatte, eine Renaissance des Wissens“, fordert Kraus in Goslar. Zwischenapplaus gibt es so gut wie gar nicht, weil die Zuschauer mucksmäuschenstill an seinen Lippen hängen. In den Schulen sieht Kraus derzeit einen Bildungsnotstand und macht dies auch an Zahlen fest. Beispiel Deutsch: Seit 1972 würde mit immer demselben Text die Rechtschreibleistung der Viertklässler gemessen. 1972 seien durchschnittlich 6,9 Fehler gemacht worden, inzwischen seien es 12,2. Beispiel Geschichte: Nur jeder Dritte wisse, dass die DDR damals die Mauer gebaut habe. Kraus spricht von einem „historischen Analphabetismus“.
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Als negative Beispiele dienen immer wieder Bremen und Berlin („Doof, aber sexy“). Und auch die Feindbilder werden gleich mehrmals genannt: Es sind die OECD sowie die 68er. Und natürlich die „Bertelsmänner in Gütersloh“, die den Eltern einredeten, die Menschwerdung beginne erst mit dem Abitur. Inzwischen sei manches Abiturzeugnis ob des Niveauabfalls allerdings ein ungedeckter Scheck. „Wir sollten von Schülern und Eltern etwas erwarten“, fordert Kraus. Wenn Kinder nicht herausgefordert würden, erreichten sie nicht, wozu sie fähig wären. Nicht nur zu viel, auch zu wenig Stress könne krank machen. „Ich habe nichts gegen Faulheit. Aber sie ist ein Privileg der Fleißigen“, so Kraus. Der Festredner warnt vor einer „Download-Generation mit Häppchen- und Just-in-time-Wissen“. Schließlich habe Wissen auch eine große gesellschaftliche Bedeutung. „Wer nichts weiß, muss alles glauben“, zitiert Kraus die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach.


