„Digitale Dividende“
Darum geht es: Die 20 Mitglieder des neuen niedersächsischen Digitalrats stehen fest. Das Gremium soll am 20. März das erste Mal tagen. Ein Kommentar von Martin Brüning:
Der neue Digitalrat ist zunächst einmal ein schöner PR-Coup von Wirtschaftsminister Olaf Lies. Mit BDI-Chef Dieter Kempf, dem DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann, der renommierten Soziologin Jutta Allmendinger und dem meinungsstarken Blogger Sascha Lobo hat das Gremium bereits jetzt eine Wirkung über Niedersachsen hinaus. Dem Image unseres Landes in der Bundeshauptstadt, in der Niedersachsen nicht gerade als digitaler „First Mover“ wahrgenommen wird, kann das neue Gremium nur zuträglich sein. Ob und wie viele der 16 hinzugewonnenen Experten an den drei geplanten Sitzungen im Jahr persönlich teilnehmen werden, steht auf einem ganz anderen Blatt.
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Im digitalen Nebel liegen dagegen noch ein wenig die Ziele des neuen Gremiums. Thematisch präsentierte Lies gestern einen Gemischtwaren, der von ethischen Fragen zur Arbeitswelt von morgen über digitale Bildung an Grundschulen bis hin zur digitalen Infrastruktur reichte. Die Herausforderung wird nun darin liegen, all die Themen so zu kanalisieren, dass eine geordnete Diskussion entstehen kann, an deren Ende konkrete Ergebnisse möglich werden. Die Erkenntnis aus der Chaos-Theorie, wonach alles mit allem zusammenhängt, trifft zwar auch oder gerade auf das Feld der Digitalisierung zu. Umso wichtiger ist es, bei der Diskussion nicht im Themen-Chaos zu versinken, sondern zielgerichtet vorzugehen.
Der Landesregierung ist beim Umgang mit digitalen Herausforderungen durchaus guter Wille zu attestieren. Erfolge beim Breitbandausbau, die Bildungscloud für Schulen oder das Testfeld für autonomes Fahren zeigen, dass sie die Themen aktiv angeht. Ein positives Beispiel dafür ist auch der prominent besetzte Digitalrat. Dennoch muss sie aufpassen, dass sie sich nicht im Klein-Klein verzettelt. Die Politik hat die Angewohnheit, über die Finanzierung zahlreicher kleinerer Projekte eine breitere Aktivität vorzutäuschen als sie in der Realität der Fall ist. So laufen manche Projekte, zum Beispiel zur Telemedizin, bereits seit Jahren, ohne dass in der Breite eine Veränderung spürbar ist. Sinnvoller wäre es, sich auf zentrale Projekte zu fokussieren und diese landesweit in der Fläche voranzutreiben.
Auch die Teilnehmer des neuen Digitalrats profitierten von dem Gremium, hieß es gestern bei der Präsentation. Schließlich gebe es keine vergleichbaren Kommissionen mit einem so breiten Expertenwissen. Das ist die Chance und die Herausforderung zugleich. Jetzt geht es darum, dieses breite Wissen in geordnete Bahnen zu lenken und dann in Politik umzusetzen, damit die „digitale Wissensdividende“ nicht nur den teilnehmenden Experten, sondern auch dem Land Niedersachsen zu Gute kommt.