27. Mai 2025 · 
HintergrundKultur

Die Weltausstellung in Hannover zeigte, wie gut Völkerverständigung klappen kann

Expo-Generalkommissarin Birgit Breuel und Ministerpräsident Sigmar Gabriel. | Foto: WWW.SCHEFFEN.DE

Die Älteren, die sich noch gut an die Ereignisse von vor einem Vierteljahrhundert erinnern können, dürften sich angesichts dieses Jahrestages die Augen reiben. Wie verändert wirkt die Welt doch, wenn man die Situation Anfang Juni des Jahres 2000 mit der zur Jahresmitte 2025 vergleicht? Zwar gab es damals auch Konflikte und Kriege, es gab Unglücke und Katastrophen – und es gab in vielen Ländern politische Krisen. Aber die globale Weltordnung, die schien im Jahr 2000 irgendwie geordnet. Die USA waren ganz sicher der große starke Verbündete, Russland unter dem gerade ins Amt gekommenen Präsidenten Wladimir Putin erschien nicht als Bedrohung. Die Chinesen, das waren die Unbekannten – aber hatte man Angst vor ihnen? Eher nicht. Die Krisen und Kriege schienen sich in kleineren Regionen zu entzünden – im Nahen Osten etwa, oder auf dem Balkan, in Afghanistan oder in der Elfenbeinküste in Afrika. Damit verknüpft war die Vorstellung, eine Ausweitung solcher regionaler Konflikte könne leicht erreicht werden – wenn die Großmächte aktiv werden und die Eskalation stoppen.

Vor dem Pavillon der Vereinigten Arabischen Emirate. | Foto: WWW.SCHEFFEN.DE

In dieser Gemengelage fiel es leicht, eine auf Entspannung und Verständigung ausgerichtete Veranstaltung in vollen Zügen zu genießen: Vom 1. Juni bis 31. Oktober 2000 öffnete in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover die „Expo 2000“ ihre Tore – die Weltausstellung. 155 Länder waren mit Pavillons oder für bestimmte Kontinente reservierte Hallen (Afrika-Halle, Südamerika-Halle, Kanada-Halle) auf dem Messegelände in Hannover vertreten. Am Ende wurden 18 Millionen Besucher gezählt, wobei aus dem näheren Umkreis viele Menschen wohl öfter gekommen waren – manche nahezu täglich. Einige Schätzungen in der Anfangszeit hatten noch 40 Millionen Besucher vorgesehen, doch schon bald nach der Eröffnung war klar, dass man diese Dimensionen nicht würde erreichen können. Insider erklären, die Zahl 40 Millionen sei "aufgeblasen" gewesen - in seriösen internen Analysen sei man von 18 Millionen ausgegangen. Das heißt jedoch auch: Es musste schon klar gewesen sein, dass es sich hier um ein Zuschussgeschäft des Staates handelt. Die Hannoveraner waren von Anfang an dem Neid von anderen deutschen Städten ausgesetzt – etwa der Berliner. Doch das alles konnte einen beherrschenden Eindruck dieser Veranstaltung nicht trüben. Es war ein Fest der guten Laune, der vielen Treffen unterschiedlicher Kulturen, ein Meisterstück der gelungenen Völkerverständigung. Ausschreitungen, Polizeieinsätze, Schutzvorkehrungen? Das alles gab es nur in kleinerem Umfang, und niemals konnten derlei Ereignisse den großen positiven Gesamteindruck trüben.

Massen vor dem holländischen Pavillon - im Hintergrund die Seilbahn. | Foto: WWW.SCHEFFEN.DE

Dabei gab es natürlich auch Alarmzeichen. Die Intifada, der Aufstand von Palästinensern gegen Israel, startete im September 2000. In den USA lief die Amtszeit von Bill Clinton als Präsident ab, Nachfolger wurde George W. Bush, und diese Wahl deutete schon an, wie tief die Spaltung zwischen Demokraten und Republikanern werden könnte. Die USA waren, obwohl es viele Versuche gab, nicht auf der Expo mit einem eigenen Pavillon vertreten – Russland ebenfalls nicht. Wie sehr sich die politischen Verhältnisse in den beiden Großmächten in den folgenden 25 Jahren radikalisieren würden, hatte wohl kaum jemand auf dem Schirm. Der Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea war am 18. Juni 2000, kurz nach dem Start der Expo, mit einem Waffenstillstand vorläufig beendet worden – und das Thema wurde, weil die Expo ja von Anfang an politisch war, auch im Pavillon von Äthiopien besprochen. Aber so durchgängig politisch wurde es auf der Expo nur selten, denn der kulturelle Austausch (und die kulinarischen Genüsse) standen im Vordergrund. Eine Ausnahme bildeten Diskussionsveranstaltungen – etwa die, auf der Joachim Gauck, der spätere Bundespräsident, mit polnischen Vertretern der Solidarnosc-Bewegung auftrat und über den Umbruch in Osteuropa diskutierte, der damals genau elf Jahre zurückgelegen hatte.

Die feierliche Eröffnung am 1. Juni 2000. | Foto: WWW.SCHEFFEN.DE

Politische Schlagzeilen konnte die Expo, damals geführt von der Generalkommissarin Birgit Breuel, wenig erzeugen – sie wollte es auch nicht. Zwar kamen viele Staatsoberhäupter und Regierungschefs, auch aus Ländern, die keine Demokratien waren. Aber die diplomatische Zurückhaltung und das Protokoll bestimmten die Abläufe, die Expo wurde auch nicht zum Spielfeld für Konsultationen – zumal eben die entspannte Weltlage eine solche Bühne auch nicht benötigte. Heute wäre es vermutlich anders. Bundeskanzler war damals seit knapp zwei Jahren Gerhard Schröder, der einst als Ministerpräsident für die Vorbereitung der Expo zuständig gewesen war. Ministerpräsident war Sigmar Gabriel, und zwar erst seit wenigen Monaten. Vor allem Gabriel erkannte die Chance, häufig auf der Expo zu sein und dort auch zu glänzen. Trotzdem reichte es nicht für ein Landesvater-Image, denn knapp drei Jahre später ging seine Landtagswahl krachend verloren.

Als die Entscheidung für die Expo fiel, war Helmut Kohl Kanzler. Im Juni 1990 setzte sich im entscheidenden Gremium die niedersächsische Landeshauptstadt gegen Toronto in Kanada durch. Wie der damalige Expo-Beauftragte der Landesregierung, Ernst Hüdepohl, später erläuterte, hatte in dem Gremium die Stimme der DDR den Ausschlag gegeben. Somit erwies es sich als großer Glücksfall, dass zu jener Zeit die SED-Regierung bereits abgelöst war und das Kabinett von Lothar de Maiziere (CDU) in Ost-Berlin regierte. Hüdepohl erinnert sich auch, dass große Anstrengungen nötig waren, damit es bei der niedersächsischen Landeshauptstadt blieb. Denn Kanzler Kohl habe die ernste Absicht verfolgt, nach der Wiedervereinigung die Heldenstadt Leipzig in Sachsen, in der die friedliche Revolution in der DDR begonnen hatte, als Ausweichort zu etablieren. Dass Kohl überhaupt auf diese Idee kam, hat auch mit der Eigenart der Hannoveraner zu tun, die nahende Weltausstellung erst einmal höchst kritisch zu betrachten. In der Landeshauptstadt wurde eine Bürgerbefragung durchgesetzt – als Entgegenkommen an die in der Stadt und im Land Niedersachsen seit Mitte 1990 mitregierenden Grünen. Eine knappe Mehrheit der Bürger in der Landeshauptstadt sprach sich damals für die Weltausstellung aus. Wäre es anders gelaufen, hätte Leipzig wohl doch seine Chance bekommen.

Kritiker hat es später auch gegeben, auch noch viele Jahre nach dem Ende der Weltausstellung. So berichtet der langjährige Chef des Bundes der Steuerzahler, Bernhard Zentgraf, dass die Expo-Gesellschaft des Landes einen Trick angewandt habe, um die wachsenden Defizite zu decken. Man habe einfach das Eigenkapital der GmbH erhöht. Auf diese Weise seien Zuschüsse des Landes als „Investition“ dargestellt worden – obwohl sie in Wahrheit zum Ausgleich roter Zahlen beim laufenden Betrieb benötigt worden waren. Das sei schon damals, noch viele Jahre vor Inkrafttreten der „Schuldenbremse“, eine Umgehung des geltenden Haushaltsrechts gewesen.

Das alles ändert nichts daran, dass diese Expo rückblickend ein Fest war, vielleicht das letzte große Fest der alten, heilen Welt. Ein knappes Jahr nach dem Ende passierte in New York der Anschlag auf das World-Trade-Center – das symbolische Ereignis für neue Bedrohungen, Gewalt und Angst. Seither ist die Welt eine andere.

Dieser Artikel erschien am 28.5.2025 in Ausgabe #099.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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