„Die Verherrlichung des Wolfes verhindert die sachliche Diskussion“
Umweltminister Olaf Lies hat seine Entscheidung, einen Wolfsrüden aus dem Rodewalder Rudel zum Abschuss freizugeben, gestern im Umweltausschuss vehement verteidigt. 66 Weidetiere habe das Rudel mittlerweile gerissen und 18 Tiere verletzt. Ein Großteil davon sei dem nun zum Abschuss freigegebenen Wolf mit der Kennung GW717m zuzuordnen, der in Internetforen als „Roddy“ bezeichnet wird. „Bei dieser hohen Zahl von Rissen besteht Handlungsbedarf. Es ist nicht hinzunehmen, dass die generelle Akzeptanz des Wolfes unter dem Verhalten einzelner Tiere leidet“, sagte Lies. Allerdings ist noch offen, ob der Wolfsrüde tatsächlich in nächster Zeit getötet wird. Denn die Ausnahmegenehmigung für den Abschuss gilt nur bis zum 28. Februar. Allerdings hat der Tierschutzverein „Freundeskreis freilebender Wölfe“ vergangene Woche eine einstweilige Verfügung gegen den Abschuss des Wolfs beantragt – bis das zuständige Verwaltungsgericht Oldenburg entschieden hat, ruht nun die Sondergenehmigung. Aus Lies‘ Sicht ist das ein Problem: „Alles, was wir jetzt an Zeit verlieren, verstetigt das Problem, denn ein Beispiel aus Brandenburg hat gezeigt, dass die Jungtiere ein solches Jagdverhalten von ihren Eltern erlernen. Das ist auch beim Rodewalder Rudel zu befürchten.“
„Wolfsliebhaber drohen mit dem Tod“
Nachdem die Pläne für den Abschuss des Wolfsrüden vorvergangene Woche durch Medienberichte bekannt geworden waren, hatten Opposition und Wolfsberater kritisiert, dass Lies seine Entscheidung nicht aktiv kommuniziert habe. Der Umweltminister begründete die Zurückhaltung gestern damit, dass er die Beteiligten und die gesamte Maßnahme habe schützen wollen. „Die Verherrlichung des Wolfes, die in einigen Teilen der Gesellschaft herrscht, verhindert eine sachliche Diskussion“, sagte Lies. Als Beispiele zeigte er einige Ausschnitte von Kommentaren aus Onlineplattformen, in denen Wolfsliebhaber sich zynisch und verachtend zum Vorhaben äußerten und sogar diejenigen, die die Anordnung zum Abschuss des Tieres ausführten, mit Mobbing und Tod bedrohten. „Es ist nicht die breite Masse, die sich so äußert, aber diejenigen, die das tun, überschreiten ganz klar eine gesellschaftlich tolerable Grenze“, sagte Lies. Deshalb könne er verstehen, dass viele Jagdberechtigte die Bitte des Umweltministeriums zum Abschuss des Wolfes aus Angst um ihre eigene Sicherheit ablehnten. Auch der SPD-Abgeordnete Marcus Bosse verurteilte die Diffamierungen beim Thema Wolf im Internet. „Allein der verniedlichende Spitzname, der dem Rüden gegeben wurde, verdeutlicht eine Verschiebung in der Wahrnehmung. Wir reden hier aber nicht von Nachbars Pudel, sondern von einem wilden Tier, das eine Bedrohung darstellt“, sagte Bosse.
https://soundcloud.com/user-385595761/wolf-debatte-aggressivitat-in-sozialen-netzwerken-erschreckend
Den Grünen-Abgeordneten Christian Meyer beschäftigt indes die Frage nach der rechtlichen Grundlage, auf der die Sondergenehmigung steht. „Wir haben jetzt viel über die politischen und emotionalen Gründe gehört, aber wenig Rechtliches.“ Meyer ist der Ansicht, dass das Umweltministerium und der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) nicht ohne Zustimmung des Bundes hätten entscheiden dürfen. Im Falle des als „Kurti“ bekannt gewordenen Rüden habe der Bund die Zustimmung zum Abschuss erteilt, weil er eine Gefahr für Menschen dargestellt habe. Bei dem Cuxhavener Rudel, das im vergangenen Jahr ebenfalls viele Nutztiere gerissen hatte, hatte die die zuständige Bundesbehörde allerdings keine rechtliche Möglichkeit zur Ausnahme vom Artenschutz gesehen. Meyer vermutet deshalb, dass im Fall des Rodewalder Rüden der Bund gar nicht erst gefragt wurde, um einen negativen Bescheid zu vermeiden. „Ein Abschuss wäre dann auch mit Genehmigung des Landes illegal.“ Den CDU-Abgeordneten Martin Bäumer und Frank Schmädeke indes geht die Maßnahme nicht weit genug. „Vor Ort geht man davon aus, dass die Fähe und die Jungtiere längst gelernt haben, wie man auch große Nutztiere reißt“, sagt Schmädeke, in dessen Wahlkreis das Territorium des Wolfsrudels liegt. „Selbst wenn nun der Wolfsrüde erlegt wird, werden die Risse von Nutztieren nicht aufhören.“