10. Sept. 2025 · 
TagesKolumne

Die Polizei, dein Freund und Streamer

Die Polizei Hannover ist jetzt auf Twitch – zur Prävention, nicht zum Ballern. „Fortnite“ bleibt tabu, auch wenn der „Police Simulator“ nicht gerade für große Reichweite sorgt.

Das hatte damals keiner kommen sehen: Im Mai 2002 brachte die CDU-Fraktion unter Christian Wulff noch einen Entschließungsantrag in den Landtag ein – mit dem Ziel, gewaltverherrlichende Computerspiele aus Niedersachsen zu verbannen. Heute, 23 Jahre später, dreht sich die Debatte darum, ob die Polizei Hannover sich künftig auch beim Zocken von Ballerspielen streamen darf.

Zur Erklärung: Es geht um die Plattform „Twitch“, auf der sich Menschen vor allem dabei filmen, wie sie Videospiele spielen – ein Konzept, das Ü-50-Jährigen wahrscheinlich nicht mehr zu vermitteln ist. Die Polizeidirektion Hannover ist dort seit Kurzem aktiv: Drei Beamte suchen als „Social-Media-Cops“ den Kontakt zur Jugend. „Für das Nebenamt sind etwa fünf Wochenstunden pro Person vorgesehen, die restliche Dienstzeit versehen die Kolleginnen und Kollegen in ihren originären Organisationseinheiten“, erklärt das Innenministerium auf Anfrage von Stephan Bothe (AfD).

Die Polizei in Niedersachsen streamt jetzt auch bei Twitch – doch die Spieleauswahl ist begrenzt. | Grafik: THQ Nordic, Link

Der Twitch-Kanal dient vor allem der Prävention: Es geht um Themen wie Cybergrooming, Sextortion oder Extremismus. Nachwuchsgewinnung für die Polizei kommt aber auch nicht zu kurz. Die Botschaft: Der Rechtsstaat streamt mit. Und was man früher „aufsuchende Sozialarbeit“ nannte, heißt heute: „PolizeiHannover ist live“.

Doch es gibt Irritationen. Bothe fragte kritisch nach, ob die Polizei etwa Killerspiele wie „Grand Theft Auto“ oder „Call of Duty“ spielen wolle. Das Innenministerium beruhigt: Gewalttitel seien ausgeschlossen; ebenso Spiele, in denen gesetzeswidriges Verhalten belohnt wird. Allerdings habe die Polizeidirektion Hannover angeregt, künftig alle Spiele mit der Altersfreigabe „ab zwölf Jahren“ zuzulassen, um über populäre Titel wie „Fortnite“ mehr Reichweite zu erzielen.

„Fortnite“ – das muss man wissen – ist so etwas wie die kinderfreundliche Version eines Ego-Shooters: viel Farbe, kein Blut und schräge Tänze, die gelegentlich zur Verhöhnung gefallener Gegner eingesetzt werden. Was „Teabagging“ bedeutet und was das mit „Fortnite“ zu tun hat, lasse ich an dieser Stelle lieber aus.

Im Innenministerium zeigt man Verständnis für den Vorstoß der Social-Media-Beamten. Auch problematische Spiele könnten im Rahmen der Prävention eine Rolle spielen – etwa dann, wenn es darum gehe, sie kritisch einzuordnen und mit Jugendlichen darüber ins Gespräch zu kommen. Warum das aus Sicht des Ministeriums nicht so einfach ist: „Es ist nicht das Ziel polizeilicher Social-Media-Aktivitäten, gewaltverherrlichende oder jugendgefährdende Inhalte zu fördern oder zu normalisieren." Fazit: Es bleibt bis auf Weiteres beim „Fortnite“-Verbot.

Die Social-Media-Cops aus Hannover teilen im "Police Simulator" einen Strafzettel wegen Trinkens in der Öffentlichkeit aus. | Foto: Twitch/Screenshot

Statt „Fortnite“ bleibt also vorerst nur die pädagogisch unbedenkliche Auswahl: „Mario Kart World“, „Paddle, Paddle, Paddle“ oder „Police Simulator“. Die Mega-Reichweite bringt das vermutlich nicht – aber irgendwo muss man ja anfangen. Notfalls eben mit Blaulicht, Booten und Bananenschalen.

Um Sicherheit, die Polizei und Technologie geht es auch heute im Rundblick. Das sind unsere Themen:

  • Sicherheit: Niedersachsen startet einen „sicherheitspolitischen Dialog“, um die wichtigsten Akteure der Zivilgesellschaft in die Vorbereitung auf Krisen und Krieg einzubinden.


  • Inneres: Die Polizisten in der GdP begehren auf: Die rot-grünen Pläne für eine Kennzeichnung und das unpraktikable Arbeitszeit-Managementsystem erhöhen die Bürokratie, rügen sie.


  • Blick in die Wirtschaft: Chinas Autoriese BYD greift in Niedersachsen an – mit Weller als Partner und Kampfpreisen bei E-Autos. Für Volkswagen wird die Konkurrenz im eigenen Stammland zur Bewährungsprobe.


  • Personen und Positionen: Es geht um Pascal Leddin (Grüne), Hanno Kempermann (IW Consult) und Benjamin Wahler (Schlütersche).

Kommen Sie gut durch den digitalen Raum. Und vergessen Sie nicht: Auch im Chat gilt das Grundgesetz.
Ihr Christian Wilhelm Link

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #157.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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