Die Niedersächsin der Woche…
…ist eine Unbekannte in der niedersächsischen Landespolitik – und sie ist darüber hinaus noch relativ jung. Künftig wird von ihr häufiger zu hören sein, denn sie ist erst in der zurückliegenden Woche in ein hohes Amt gewählt worden. Dabei stammt sie aus Sachsen-Anhalt, und eigentlich hätte sie Wissenschaftlerin werden wollen. Es kam anders, und das liegt auch an ihrer Leidenschaft für den Nahen Osten. Die Niedersächsin der Woche heißt….
Heidi Reichinnek, ist 30 Jahre alt und seit einer Woche neue Landesvorsitzende der Linkspartei in Niedersachsen.
In der Gegend, in der sie aufgewachsen ist, gehört ihre heutige Partei schon lange zu den etablierten Kräften, sie stellt im Rat die zweitstärkste Gruppe nach der CDU. 1988 kam Heidi Reichinnek in Merseburg im Süden Sachsen-Anhalts zur Welt, sie wuchs auf im 2000-Seelen-Dorf Obhausen – und begann dort als Jugendliche, sich politisch zu interessieren. Nach dem Abitur studierte sie Politikwissenschaft und Nahoststudien in der Universität Halle-Wittenberg, wechselte dann 2010 für ein Jahr an die Universität in Kairo und ging danach an die Universität in Marburg. Auf dem Weg dahin hat sie, die neue Linken-Vorsitzende und entschiedene Gegnerin des neuen Polizeigesetzes, auch ein zweimonatiges Praktikum bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo absolviert und ein dreimonatiges Praktikum beim Landeskriminalamt in Hessen. Sie hat Hebräisch und Arabisch gelernt, war bis 2013 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Marburger Universität tätig und hätte sich gern noch viel stärker in die dortige Arbeit vertieft.
Von Marburg nach Osnabrück
Aber dann bekam ihr Lebensgefährte vor vier Jahren ein Jobangebot, beide wechselten in den Raum Osnabrück – und sie startete ihre politische Arbeit. Erst für die SPD, später dann für die Linkspartei. 2016 kandidierte sie bei der Kommunalwahl und wurde in den Rat der Stadt gewählt. Hauptberuflich ist Reichinnek als Beraterin für ein Projekt der Evangelischen Jugendhilfe Belm tätig. Ihre Aufgabe ist es, Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak davor zu bewahren, radikalen islamistischen Heilsbringern auf den Leim zu gehen. Vorher hatte sie unbegleitete Flüchtlinge betreut. Das heißt: Ihre Leidenschaft, die politische Arbeit, kann sie auch beruflich ausüben. Ihrer Lokalzeitung in Osnabrück vertraute die junge Frau an, dass die Stadtbibliothek Osnabrück einer ihrer Lieblingsorte ist, dass sie wie viele Menschen in ihrem Alter von den Harry-Potter-Büchern fasziniert war und auch die Werke von Bertolt Brecht ihr sehr viel zu sagen haben. Die von Brecht geschriebene Gefahr eines Aufstiegs populistischer Volksverführer sieht sie auch heute als gegeben an. Das ist einer ihrer Antriebe für die politische Betätigung.
Neben Lars Leopold aus Alfeld, der schon seit vergangenem September Vorsitzender der Linken in Niedersachsen ist, steht nun auch die 30-Jährige an der Spitze des Landesverbandes. Die Mitgliederzahl steigt gegenwärtig, mehr als 3100 sind es bereits. Bei der Landtagswahl im Herbst 2017 erreichte die Partei 4,6 Prozent – bei nur einem halben Prozentpunkt mehr wären sie im Landtag gewesen, und Reichinnek stand damals schon auf einem aussichtsreichen Listenplatz. Bei Reichinnek drängen sich übrigens Parallelen zu einer anderen jungen Frau aus dem Raum Osnabrück auf, die ebenfalls zur Landesvorsitzenden aufstieg, vor ziemlich genau einem Jahr. Damals wurde Anne Kura, die vier Jahre älter ist als Reichinnek, zur neuen Vorsitzenden der Grünen gewählt. Während Reichinnek sich vor ihrer Politikerzeit intensiv mit dem Nahen Osten und dem Islamismus beschäftigte, hat sich Kura vor allem um Europapolitik gekümmert. Interessantes Detail am Rande: Die beiden Frauen sitzen im Stadtrat von Osnabrück, allerdings in unterschiedlichen Fraktionen.