Die Träger der Erwachsenenbildung in Niedersachsen stehen „mit dem Rücken zur Wand“, sagt Berbel Unruh, die Direktorin des Landesverbandes der Volkshochschulen Niedersachsen. Deswegen demonstrierten Vertreter der 57 Volkshochschulen, 22 Heimvolkshochschulen (also Häuser mit Übernachtungsmöglichkeit) und sieben sogenannte Landeseinrichtungen kürzlich vor dem Landtag unter dem Motto „Demokratie gibt es nicht zum Nulltarif“. Sie machten darauf aufmerksam, dass das „Internationale Haus Sonnenberg“ im Harz Ende des Monats schließen muss.

Wegen der unzureichenden Finanzierung, argumentierten die Demonstranten, geraten auch voll ausgelastete Häuser in eine Schieflage. Drinnen im Landtag brachte an dem Tag die CDU-Fraktion ihren Gesetzentwurf zur Stärkung der Weiterbildung und des „vierten Bildungssektors“ ein. Nach dem Vorschlag der CDU soll die Weiterbildung als gleichberechtigter Teil des Bildungswesens neben Schule, Hochschule und Berufsausbildung in die niedersächsische Verfassung aufgenommen werden. Die Erfolgsaussichten sind indes gering, da SPD und Grüne kein Entgegenkommen bei dieser Forderung signalisierten. Für eine Verfassungsänderung ist eine Zweidrittelmehrheit des Parlaments nötig.
Wäre ein Sondertopf für die Erwachsenenbildung sinnvoll? Oder eine einmalige Finanzspritze? „Das reicht nicht“, sagt Claudia Sanner, Vorständin im Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V. „Wir brauchen ein kontinuierliches Angebot. Unsere Zielgruppen zu erreichen, braucht einen langen Atem.“ Ein Beispiel ist die Integration: Während der Fluchtwelle 2015/16 haben die Erwachsenenbildungsträger Strukturen aufgebaut, um Zuwanderern die deutsche Sprache und Gepflogenheiten zu vermitteln, sie beim Berufseinstieg zu unterstützen, Multiplikatoren und Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe weiterzubilden.

Diese Strukturen müssen nach Ansicht der Verbände verstetigt werden, statt die Kapazitäten der Einrichtungen damit zu binden, immer neue Projekte zu beantragen und abzurechnen. Derzeit müssen Zugewanderte monatelang auf einen Sprachkurs warten. Lehrkräfte wandern ab, weil sie an allgemeinbildenden Schulen bessere Konditionen angeboten bekommen. Im Wissenschaftsministerium, kritisieren die Verbände, wurde dieses Engagement bisher zu wenig gesehen. Hier herrschte nach ihrer Wahrnehmung lange das Vorurteil, Erwachsenenbildung sei der Französischkurs, mit dem die Zahnärztin ihre Sprachkenntnisse für den Urlaub auffrischt. Doch dieser so genannte „offene Programmbereich“ mache nur einen kleinen Teil ihres Angebotes aus, betont Berbel Unruh. Neben der Integration von Zuwanderern ist eine wichtige Aufgabe der Träger, Erwachsene auf dem zweiten Bildungsweg zu Schulabschlüssen zu führen. Dieser Bereich sei massiv unterfinanziert.

Seit über zwanzig Jahren, argumentieren die Verbände, hat es keinen Aufwuchs der Landesmittel gegeben. Dies sei faktisch eine Kürzung, denn durch Inflation und Tariferhöhungen seien die Kosten massiv gestiegen. Die Volkshochschulen werden von den Kommunen mitfinanziert. Doch Erwachsenenbildung ist eine freiwillige Aufgabe, die stets von Kürzungen bedroht ist. Bei den so genannten Landeseinrichtungen – darunter das Bildungswerk der niedersächsischen Wirtschaft, gewerkschaftsnahe und kirchliche Träger – wurde fast überall umstrukturiert und Personal abgebaut.
Von den Politikern, die zu den Demonstranten vor den Landtag gekommen sind, ernten die Bildungseinrichtungen viel Wohlwollen. Wissenschaftsminister Falko Mohrs verspricht, für eine solidere Finanzierung zu kämpfen. Allerdings sagt er auch: „Das wird kein Selbstläufer.“ Denn der Landeshaushalt stehe vor enorm großen Herausforderungen. Die Grünen-Abgeordnete Eva Viehoff will sich dafür einsetzen, die Landesmittel für die Einrichtungen zu verstetigen, die in den Vorjahren nur über die politische Liste in den Haushaltsplan aufgenommen wurden.
Die Bildungseinrichtungen wissen bereits, dass Anerkennung allein ihnen nicht helfen wird, ihre Rechnungen zu bezahlen. „Deswegen sind wir so enttäuscht“, sagt Berbel Unruh. Derzeit werde überall der 75. Geburtstag des Grundgesetzes gefeiert, während sich, so war es bei der Demonstration zu hören, die Demokratie in der Bundesrepublik in ihrer tiefsten Krise befinde. Der Beitrag der politischen Bildung zur Stärkung der Demokratie werde dabei nicht wahrgenommen. Berbel Unruh argumentiert: „Bei uns entstehen die Netzwerke für Demokratie.“