Darum geht es: In der Stadt Quakenbrück, Landkreis Osnabrück, kam es bei der Kommunalwahl im vergangenen Herbst zu einem professionellen Wahlbetrug – und das im großen Stil. Das ist ein bemerkenswerter Fall, meint Klaus Wallbaum.

Bis Sonntag können diejenigen, die vergangenen September in der Stadt Quakenbrück ihre Stimmen per Briefwahl abgegeben haben, noch einmal wählen. Dieser Teil der Kommunalwahl wird wiederholt. So etwas ist in Niedersachsen nichts Ungewöhnliches. Formfehler kommen schon mal vor. Doch das, was sich derzeit in dieser 12.000-Einwohner-Stadt im Kreis Osnabrück abspielt, ist alles andere als normal. Hier zeigt sich ein einzigartiges, verstörendes Bild: Eine Gruppe von Bürgern hat mit verschiedenen Tricks die Stimmabgabe zur Kommunalwahl verfälscht – und sie sind dabei offenbar so planmäßig und wenig behutsam vorgegangen, dass die immer noch laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück einiges zutage fördern können.

Unregelmäßigkeiten bei Wahlen gehören zur Normalität, sie rechtfertigen keine besondere Erwähnung. Hier ist es anders, denn in Verdacht geraten gleich mehrere Kommunalpolitiker, drei Männer von der Linken und eine Frau von der FDP. Auf verschiedene Art sollen sie – vermutlich mit Helfern – versucht haben, die Briefwahl in Quakenbrück zu manipulieren: Sie haben Wahlberechtigten, die Wahlunterlagen bestellt hatten, „Hilfestellungen“ gegeben – das heißt, sie haben ihnen gesagt, wo sie anzukreuzen haben. Spannend ist hier die Frage, ob irgendeine Form von Druck ausgeübt wurde. In anderen Fällen sollen sie die Wahlunterlagen an sich genommen und die Stimmzettel selbst ausgefüllt haben. Auf die Spur kam man den Fälschern, weil die Unterschriften auf den Briefwahlanträgen von denen abwichen, die auf den eidesstattlichen Erklärungen, die einem Briefwahlumschlag beigefügt sein müssen, notiert waren. Der dritte Vorwurf lautet, es seien aus den Postkästen Briefwahlunterlagen verschwunden. Leute, die Briefwahl beantragt hatten, warteten also vergeblich auf deren Zusendung, weil Diebe die Post vorher abgefangen hatten.

Was ist dort eigentlich passiert? Beobachter der Szene, die nicht namentlich genannt werden wollen, schildern die Abläufe. Die meisten der beschuldigten Kommunalpolitiker zählen zur Linkspartei, sehr viele von ihnen gehören auch der Volksgruppe der muslimischen Griechen an, die in Quakenbrück seit vier Generationen leben – ohne wirklich ins Gemeindeleben integriert zu sein. Viele sind langzeitarbeitslos und haben Wohnungen in ehemaligen Werkssiedlungen einer inzwischen insolventen Fahrradfabrik, andere gehen Billig-Jobs in der Fleischindustrie nach. Anders als die orthodoxen Griechen, Italiener und Portugiesen, von denen es auch viele in Quakenbrück gibt, gelten die muslimischen Griechen als besondere Gruppe: Viele von ihnen sind Analphabeten, viele ihrer Kinder besuchen die Förderschule. Die Menschen gelten zwar nicht als kriminell und aggressiv, aber es fällt schon auf, dass sie aus der Gemeinschaft ausgegrenzt bleiben, ihr Eigenleben fristen.

Die Linkspartei, die sich schon länger um die Gruppe bemüht, hatte 2016 erstmals auch muslimische Griechen als Kandidaten aufgeboten – und nach allen bisherigen Anzeichen sorgten die dazugehörenden Familienclans mit den erwähnten fragwürdigen Mitteln dafür, dass bei der Briefwahl auch viele Stimmen für die Kandidaten abgegeben wurden. Es geht um mehr als 200 Stimmen. Wenigstens die Kommunalwahlkandidaten und die Linken-Politiker mussten doch aber wissen, dass Wahlfälschung strafbar ist und kein Kavaliersdelikt. Ist ihnen das Ganze vielleicht aus der Hand entglitten? Haben sich die Familienclans in ihrem Drang, ein „gutes Wahlergebnis“ zu erzielen, verselbstständigt? Die Polizei hat sieben Wohnungen in Quakenbrück durchsucht – und offenbar Hinweise auf verabredeten Wahlbetrug gefunden. Wenn aber in den Wohnungen Namenslisten oder ähnliche Hinweise auf organisierte Wahlfälschung gefunden wurden, so kann das auch auf die Arglosigkeit der Wahlbetrüger hindeuten: Vielleicht hatten sie ja gar kein Bewusstsein dafür, dass derartige Manipulationen, die in autoritären Ländern an der Tagesordnung sind, hierzulande strikt verboten sind.

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Wie geht man nun mit dem Problem um? Bei der Wiederholungswahl, die am Sonntag ausgezählt wird, dürften diejenigen, die nach dem merkwürdigen Briefwahlergebnis von September noch triumphiert hatten, ihre Sitze im Rat verlieren. Der Wahlbetrug wäre damit wieder ausgeglichen. Doch wie schafft es die Stadt, diese Gruppe der muslimischen Griechen, die nun beim Schummeln im großen Stil erwischt wurde, doch noch ins Stadtleben einzubeziehen? Eines immerhin hatte der Wahlbetrug ja gezeigt: Sie wollen schon über ihre Vertreter dazugehören – auf einem krummen und höchst undemokratischen Weg zwar, aber immerhin.

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