Brigadegeneral Udo Schnittker, Kommandeur des Kommandos Feldjäger der Bundeswehr in Hannover, wird im Juni verabschiedet. Er wechselt dann auf die Position des deutschen Repräsentanten beim Nato-Hauptquartier SHAPE im belgischen Mons. Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick berichtet Schnittker über seine Erfahrungen und äußert sich zur aktuellen Situation der Bundeswehr.

Brigadegeneral Udo Schnittker mit Klaus Wallbaum und Niklas Kleinwächter vom Politikjournal Rundblick – Foto: MB.

Rundblick: Herr General Schnittker, sechseinhalb Jahre haben Sie am der Spitze der 1800 deutschen Feldjäger gestanden. Hat sich die Arbeit dieser Einheit, der „Polizei in der Bundeswehr“ in dieser Zeit wesentlich verändert?

General Schnittker: Auf jeden Fall. Bis Ende der achtziger Jahre hat man überall die Feldjäger an der Seite der Polizei gesehen. Es war die Zeit des kalten Krieges, da gehörte die Bundeswehr zur Sicherung etwa von Militäreinheiten am Rande des „eisernen Vorhangs“ dazu. Später wurde dieser Dienst nachrangig, 25 Jahre lang ist die Bundeswehr darauf getrimmt worden, fit für spezielle Auslandseinsätze zu sein. Nun wandelt sich das erneut, die Landesverteidigung gewinnt wieder an Bedeutung. Ich kann berichten, dass sich die Rolle und der Ruf der Feldjäger in der Bundeswehr erheblich verändert haben.

Rundblick: Und wie?

General Schnittker: Nehmen wir die die Auslandseinsätze der Bundeswehr. 3500 Soldaten sind in solchen Missionen unterwegs, davon 80 Feldjäger. Wir übernehmen dort die klassischen Polizeiaufgaben – etwa die Aufklärung von Straftaten gegen die Bundeswehr oder solche, die Soldaten begangen haben. Die Absicherung von Unfällen gehört dazu, Personenschutz und Tatortsicherung, auch Spurensicherung. Das heißt: Die Ausbildung unserer Leute gleicht der Ausbildung von Polizisten, von Rechtskunde bis zur besonderen Ansprache von Zivilpersonen. Indem wir uns hier spezialisiert haben, spricht sich in immer mehr Bundeswehreinheiten herum, dass man die Feldjäger um Rat und Hilfe bitten kann.

Immer wieder klagen Kameraden über fehlende Funkgeräte, Schutzwesten oder Nachtsichtgeräte. Die Beschaffung dauert lange, oft sehr lange.

Rundblick: Auch als Helfer für die Polizei – etwa in besonderen Gefahrenlagen?

General Schnittker: Durchaus. In unserer Ausbildung arbeiten wir mit den Polizeien zusammen, auch mit dem Bundeskriminalamt. Wir hatten verschiedene Übungen, etwa zu einem simulierten Terroranschlag, bei denen das Zusammenwirken von Polizei und Feldjägern erprobt wurde. Die Abläufe sind klar geregelt: Wenn ein Bundesland Unterstützung der Bundeswehr braucht, muss das jeweilige Landeskommando eingeschaltet werden – bei der Unterstützung für hoheitliche Aufgaben, etwa Polizeiaufgaben, ist die Zustimmung des Verteidigungsministeriums nötig. Wir haben geklärt, dass so etwas im Zweifel schnell geschehen muss. Man kann nicht zwei Tage lang auf eine Antwort warten. Mehrfach habe ich mich mit den deutschen Polizeipräsidenten getroffen und ihnen eine Angst genommen. Mit 1800 Feldjägern sind wir weit davon entfernt, eine Konkurrenz zur Polizei darzustellen. Es kann auch bei hoheitlichen Aufgaben nur um Unterstützung gehen, wie etwa auf jenen Feldern, auf welchen die Bundeswehr besonders gut vorbereitet ist – etwa ABC-Abwehrarbeit, Sanitätsdienst oder Transport. Die Einsatzführung liegt in jedem Fall bei der Polizei.

Rundblick: Ist Ihre Truppe gut genug dafür ausgerüstet?

General Schnittker: Den Feldjägern geht es noch gut, wir haben keine Panzer, nur besonders geschützte Fahrzeuge. Immer wieder klagen Kameraden über fehlende Funkgeräte, Schutzwesten oder Nachtsichtgeräte. Die Beschaffung dauert lange, oft sehr lange. Aber so ist das eben, nach der Wiedervereinigung hieß es, die Landesverteidigung sei nicht wichtig – sogar die Russen schienen eine Zeitlang auf dem Weg in die Nato zu sein. Seit 2014, der Ukraine-Krise, hat sich die Welt gewandelt, andere, für die Landesverteidigung notwendige Ausrüstung ist jetzt das zentrale Thema – aber in wenigen Jahren kann man nicht schnell aufholen, was Jahrzehnte vorher versäumt wurde.

Wichtig ist, dass wir mit der Umbenennung von Kasernen nicht aufhören und denken, die Mission sei erfüllt. Die Soldaten sollen sich mit dem Wirken derer auseinandersetzen, nach denen die Kasernen benannt sind.

Rundblick: Sie sind seit 2013 der ranghöchste Soldat in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Haben die Landespolitiker begriffen, wie wichtig höhere Investitionen für die Bundeswehr sind?

General Schnittker: In Niedersachsen ist das auf allen Ebenen sehr schnell erkannt worden. Hier gibt es auch ein Bewusstsein dafür, dass bei möglichen Truppenbewegungen ganz viel auf niedersächsischem Boden passieren wird – und dass Infrastruktur dafür nötig ist. Heute wird auch nicht mehr jede freiwerdende Kaserne sofort verkauft. Oft muss geprüft werden, ob der Standort für die Zukunft noch militärisch genutzt werden kann.

Rundblick: Bisher stehen Sie an der Spitze der Feldjäger, künftig werden Sie ein wichtiger Repräsentant der Bundeswehr in der Nato in Belgien sein. Wie stehen Sie eigentlich zur Traditionspflege? Soll die Bundeswehr auch an Soldaten erinnern, die in der NS-Zeit tätig waren und dort eine schwierige Rolle hatten?

General Schnittker: Wir haben in unserer Feldjäger-Kaserne ein Symbol gesetzt. Sie wird seit 2018 nicht mehr nach dem preußischen General Otto von Emmich benannt – wobei sich die Änderung nicht gegen Emmich richtete. Mit dem neuen Namen Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne erinnern wir an einen Soldaten, der in Afghanistan gefallen ist. Wichtig ist, dass wir mit dieser Umbenennung nicht aufhören und denken, die Mission sei erfüllt. Die Soldaten sollen sich mit dem Wirken derer auseinandersetzen, nach denen die Kasernen benannt sind. Nehmen wir die Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf in Nordrhein-Westfalen. Erwin Rommel hat im NS-System mitgewirkt, aber irgendwann begann er zu zweifeln und er hat mit dem System gebrochen. Vielleicht ist dieser Bruch mit dem undemokratischen, gewalttätigen NS-Regime die besondere Leistung, die es im Zusammenhang mit Rommel zu würdigen gilt. Ich bin jedenfalls sehr dafür, dass wir uns intensiver mit der Geschichte unserer Namensgeber beschäftigen.


Lesen Sie auch:

Landespolitiker fordern mehr Engagement für die Bundeswehr