17. Juni 2019 · 
Wirtschaft

Deutschlands größter Pferdezuchtverein in Verden steht vor der Spaltung

In Deutschlands größtem Pferdezuchtverein, dem „Hannoveraner-Verband“ mit Sitz in Verden, ist ein handfester Machtkampf zwischen dem Vorstand und dem Geschäftsführer entbrannt. Seinen aktuellen Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung Mitte Mai, als der Vorstand den langjährigen Geschäftsführer Werner Schade außerordentlich fristlos gekündigt hatte. Zwei Wochen zuvor wurde Schade bereits „bis auf Weiteres“ von seinen Ämtern freigestellt. Als Grund dafür nannte der Vorstandsvorsitzende Hans-Henning von der Decken in einer öffentlichen Stellungnahme mehrere „Pflichtverletzungen“, die „diese Entscheidung leider unumgänglich“ gemacht hätten. Mittlerweile hat der Streit die Phase der rechtlichen Auseinandersetzung erreicht, denn Schade will die Kündigung nicht akzeptieren und klagt auf Wiedereinstellung. Eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Geschäftsführer ist aktuell aber nur schwer vorstellbar. Schade bekommt derweil Unterstützung von seinem Vorgänger Jochen Wilkens und dem früheren Vorstandsvorsitzenden Manfred Schäfer. Beide kritisieren in einem offenen Brief die Ereignisse der vergangenen Monate und fordern den gesamten Vorstand zum Rücktritt auf, um den Weg freizumachen „für die Wahl eines neuen, von internen Streitigkeiten unbelasteten Vorstandes“.

Immer wieder dringen Interna nach außen

Konflikte zwischen Vorstand und Geschäftsführung gab es im „Hannoveraner-Verband“ zuletzt einige. Immer wieder wurden Interna an die Öffentlichkeit gebracht, was auch Wilkens und Schäfer in ihrem offenen Brief scharf kritisierten. Verschiedene Fälle waren bekannt geworden, in denen sich Vorstandsmitglieder unzulässig bereichert haben sollen. In einem Fall hatte etwa ein mittlerweile zurückgetretenes Vorstandsmitglied eine Rückkaufrechnung nicht beglichen. Bei Pferdeauktionen ist es üblich, dass sich der Anbieter und der Auktionator auf eine Mindestsumme verständigen, die das Tier wert sein soll. Liegt der Ersteigerungswert unterhalb dieser Grenze, kann der Züchter mitbieten und sein Pferd wieder zurückkaufen, ohne die übliche Gebühr zu entrichten. Das Vorstandsmitglied hatte aber jenseits dieser Mindestsumme weitergeboten und am Ende den Zuschlag für sein eigenes Pferd erhalten. Nun wollte er aber die Rückkaufgebühr nicht an den Verband entrichten, was eigentlich so nicht vorgesehen ist. Hannoveraner-Geschäftsführer Schade wollte ihm die Gebühr nicht erlassen, der Vorstand entschied aber anders. In einem zweiten Fall stand der Vorstandsvorsitzende von der Decken selbst im Mittelpunkt. Dieser soll nach Beginn seiner Amtszeit noch Provisionen für die Vermittlung von Käufern kassiert haben. Nachdem es in Holstein bei einem vergleichbaren Fall zu einem Skandal gekommen war, in dessen Folge der gesamte Vorstand zurückgetreten war, hatte von der Decken aber die Provisionen in Höhe von rund 5000 Euro wieder zurückgezahlt. Verbandsintern soll versucht worden sein, diese Vorgänge dem Geschäftsführer als Versagen auszulegen. Zudem wurde ihm noch Vetternwirtschaft vorgeworfen, da der Verband bis zu diesem Jahr auch geschäftliche Beziehungen zu einer Beraterfirma unterhielt, die von Schades Frau geführt wird.

Compliance-Regeln sollen für Ordnung sorgen

Im März fasste der Hannoveraner-Vorstand dann einen Beschluss, der Schade ein Stück weit entmachtete. Sie führten die Trennung der beiden Funktionen des Geschäftsführers und des Zuchtleiters ein. Bislang waren diese beiden Positionen immer in Personalunion ausgeführt worden. Schade ist davon überzeugt, dass man ihn loswerden wollte, weil er einigen „im Wege“ sei. Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick beschreibt er eine Spaltung, die sich durch den Verband und den Vorstand ziehe – grob gesagt zwischen denjenigen, die im Interesse des Verbands arbeiteten, und denen, die nur am eigenen Vorankommen interessiert seien. Andere Kenner des Verbandes beschreiben, dass diese Konfliktlinie zwischen den kleinen und den großen Zuchtbetrieben verlaufe. Der Vorstandsvorsitzende von der Decken war bis zu Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Der „Hannoveraner-Verband“ versucht nun intern aufzuräumen. Mit einer Strukturreform soll der zwanzigköpfige Vorstand verkleinert und dadurch handlungsfähiger gemacht werden. Außerdem möchte man sich Compliance-Regeln geben. Ein ruhigeres Fahrwasser ist für den Verband nun dringend notwendig, denn es stehen große Investitionen an. Mit mehr als drei Millionen Euro soll in den nächsten Jahren der Außenbereich der Anlage in Verden auf Vordermann gebracht werden. Wer dieses Projekt als Geschäftsführer begleitet, wird wohl erst das Gericht entscheiden.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #112.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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