15. Juni 2020 · 
Kolumne

Der Tragödie erster Teil

Liebe Niedersachsen, Goethe hat es natürlich schon vor über 200 Jahren gewusst. „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“, schrieb er damals im Faust, und dabei kannte er die heutige Rundblick-Ausgabe noch nicht einmal. Chapeau, alter Meister! "Nur der ist froh, der geben mag", heißt es im Faust vor dem Tor, und übertragen auf das Jahr 2020 gilt das Zitat für den Steuerzahler, der vor lauter Geben vermutlich gar nicht mehr weiß, wohin überhaupt mit seiner ganzen Freude. Schließlich gibt er erst einmal Geld, um den TUI-Konzern in der Corona-Krise zu retten und macht damit ungewollt und indirekt die Shareholder glücklich. Und dann darf er weiterzahlen, wenn die Fluggesellschaft Tui-Fly Arbeitsplätze in großem Stil "sozialverträglich" abbaut. „Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewusst", meint dazu Bernd Althusmann, der den TUI-Fly-Plan, die Flotte zu halbieren, nicht besonders sinnvoll findet. Unternehmens-Chef Oliver Lackmann wiederum sagt: „Der Menschheit ganzer Jammer fasst mich an." Ginge aber trotzdem nun mal nicht anders. Althusmann und Lackmann ohne Faust-Zitate im O-Ton hier: https://www.youtube.com/watch?v=QG8hHgU94rs&feature=youtu.be

Ein Tag ohne eine Pflegekammer-Geschichte? „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Und daher liefern wir Ihnen pünktlich zur heutigen Kammerversammlung eine Analyse der aktuellen Lage.

Es geht – wie könnte es anders sein – ums Geld. Dabei verläuft die Kampflinie nicht mehr zwischen der Kammer und ihren Gegnern, sondern zwischen der Kammer und dem Sozialministerium. „Der saubern Herren Pfuscherei ist, merk ich, schon bei Euch Maxime", wirft die Kammer dem Ministerium vor. Auf den letzten Metern, so war am Abend zu hören, soll es in Bezug auf die Kammer-Unterstützung des Landes für dieses Jahr einen Kompromiss zwischen Kammer und Land gegeben haben.

Offen bleibt allerdings die Baustelle der Beiträge der vergangenen beiden Jahre, die noch zurückgezahlt werden müssen. Mit welchem Geld soll die Kammer die Rückzahlung leisten? Sie wissen ja: Nur „was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen." Sollte sich der Kammerton weiter verschärfen, wird Ministerpräsident Stephan Weil wohl etwa so in Richtung der Sozialministerin schauen:

[caption id="attachment_51385" align="alignnone" width="780"] Foto: Tom Figiel[/caption] „Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor." Im Gegenteil: Ein bisschen klüger ist man nach der ersten flachen Corona-Welle in Niedersachsen schon. Jörg Niemann, Chef des Verbands der Ersatzkassen in Niedersachsen, stellte in der Enquetekommission Gesundheit gestern fest, dass vieles in den vergangenen Monaten zwar ganz gut geklappt hat, aber auch extrem teuer war. Zu teuer? Alles eine Sache der Planung. Mehr zu Niemanns Kritik und dem neuen Kassen-Kampf um die Corona-Kosten unter anderem hier.

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„Ihr wisst, auf unsern deutschen Bühnen probiert ein jeder, was er mag." Julia Hamburg, Fraktionschefin der Grünen, wirft einfach mal eine Zahl auf die Bühne, pardon, in den Raum. Sie hält im zweiten Nachtragsetat eine Neuverschuldung in Höhe von rund zehn Milliarden Euro für realistisch. Wie sie auf die Zahl kommt, lesen Sie heute bei uns.

So, Feierabend. Schließlich muss die TagesKolumne auch irgendwann einmal enden. Schließlich wissen wir seit Faust 1: „Die Kunst ist lang! Und kurz ist unser Leben."

Ich wünsche Ihnen einen faustischen Dienstag

Martin Brüning

Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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