28. Okt. 2020 · 
Landwirtschaft

Das Volksbegehren wird vermutlich abgeblasen

Auf den letzten Metern hat es noch einmal kurz gehakt, aber nun scheint die Botschaft klar zu sein: Der angestrebte Pakt zwischen Landesregierung, Umwelt- und Landwirtschaftsverbänden für mehr Artenschutz steht kurz vor dem Abschluss. Am heutigen Donnerstag wollen die Beteiligten die Ergebnisse präsentieren. Das wichtigste Resultat dürfte sein, dass die beiden tragenden Säulen des parallel stattfindenden Volksbegehrens für mehr Artenschutz, der Naturschutzbund (Nabu) und auch der niedersächsische Landesverband der Grünen, nach der Einigung der Regierung mit den Verbänden auf die Fortsetzung des Plebiszits verzichten. Bisher waren rund 70.000 Unterschriften zusammen gekommen. Nun prüft die Landesregierung, ob das Volksbegehren formal zulässig ist. Die Initiatoren müssen danach bis zum 13. November erklären, ob sie die Aktion fortsetzen und binnen eines halben Jahres insgesamt 610.000 Unterstützer mobilisieren – das entspräche zehn Prozent der Wahlberechtigten. Bisher hatten die Grünen signalisiert, beim Volksbegehren zu bleiben. Gestern Abend allerdings beriet der Landesvorstand darüber, ob man nach dem absehbaren Ausstieg des Nabu auch auf die weitere Teilnahme verzichtet.
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Die Frontstellung zwischen dem Verständigungsversuch der Regierung auf der einen Seite und dem Volksbegehren auf der anderen hatte monatelang die Landespolitik beherrscht. Die Anhänger des Plebiszits hatten Bayern vor Augen, wo ein entsprechender Plan einen enormen Widerhall bekam und die CSU-geführte Landesregierung zu großem Entgegenkommen in Artenschutzfragen zwang. Auch in Niedersachsen zeigte sich nach dem Start eines Volksbegehrens rasch, dass die Resonanz groß war. Eine Fortsetzung wäre demzufolge also erfolgversprechend. Aber die Minister Olaf Lies (Umwelt) und Barbara Otte-Kinast (Agrar) strengten sich an, ein solches Volksbegehren überflüssig zu machen, indem mit den Umweltgruppen Änderungen von Naturschutz- und Wassergesetz verabredeten und auch die Bauernverbände einbezogen. Zusätzlich wird Geld bereitgestellt, 120 Millionen Euro, mit dem der Ausgleich für Landwirte bezahlt wird, die künftig einen drei Meter breiten Grünstreifen entlang von Bächen und kleinen Flüssen unbewirtschaftet lassen müssen. Strittig war bis zuletzt die Ausnahmeregelung für diesen Grünstreifen: Lies und Otte-Kinast verständigten sich mit den Verbänden, dass solche Ausnahmen in einer Verordnung konkret beschrieben werden sollen. Diese Verordnung soll aber zuvor die Zustimmung von Umwelt- und Agrarverbänden bekommen müssen, heißt es aus Verhandlungskreisen. Ein Teil der Vereinbarung hat zu Beginn dieser Woche allerdings noch Hektik in der Großen Koalition ausgelöst. Die beiden Ministerien und die Verbände verständigten sich, dass die Gesetzesänderungen, die auch eine Verdoppelung der Wasserentnahmegebühr vorsehen, schon in der Landtagssitzung am 11. oder 12. November endgültig entschieden werden sollen – also wenige Tage vor dem offiziellen Fristablauf für die Erklärung zur Fortsetzung des Volksbegehrens. Die Gespräche zwischen dem federführenden Umweltministerium und dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst (GBD) des Landtags, der Gesetzentwürfe auf seine juristische Bestandsfestigkeit abklopfen muss, waren aber offenbar noch nicht sehr weit gediehen – man war noch auf einen geplanten Gesetzesbeschluss im Dezember oder Januar eingestellt gewesen. Es heißt, viele Hinweise und Bedenken des GBD habe man im Dialog mit dem Ministerium noch nicht klären können. Umweltminister Lies musste daher am Dienstag kurzfristig überraschend in der CDU-Fraktionssitzung auftreten und die Lage erklären. Anschließend, heißt es, sei nun eine zügige weitere Beratung vereinbart worden – am Montag tagt der Umweltausschuss zu dem Thema, eine Sondersitzung des Agrarausschusses folgt auch noch. Unterdessen sind die Chancen, dass einige kleinere Gruppen das Volksbegehren ohne Nabu und Grüne als starke Organisationen fortsetzen werden, nur minimal.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #193.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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