Das neue Mediengesetz naht – und damit eine umstrittene Formel zum Journalismus
Muss der Qualitätsjournalismus in Deutschland und in Niedersachsen gefördert werden? Diese Frage wird vermutlich von einer breiten Mehrheit der Befragten mit „ja“ beantwortet. Muss der Staat diese Aufgabe übernehmen? Bei der Reaktion auf diese Frage dürften die Meinungen auseinandergehen. In einigen Ländern wird das ganz unbefangen gesehen, beispielsweise in Österreich mit der langen Tradition einer Nähe von politischen Institutionen und Medien. Aber in Deutschland steht die journalistische Unabhängigkeit auf dem Spiel, die Staatsferne. Mit ihr verträgt sich eine staatliche Presseförderung kaum, selbst wenn sie über Umwege geschähe.
Trotz dieser Bedenken schickt sich der Landtag in dieser Woche an, mit der Reform des Landesmediengesetzes ein neues Kapitel aufzuschlagen. Als neue Aufgabe der landeseigenen Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) soll aufgenommen werden: „Förderung des Qualitätsjournalismus im Hinblick auf die Aus- und Fortbildung Mitarbeitender von lokalen und regionalen Rundfunkveranstaltungen und Presseverlagen, sowie rundfunkähnlichen Telemedienanbietern mit Sitz in Niedersachsen.“ Schon im vergangenen Oktober, als der Unterausschuss Medien über dieses Vorhaben diskutierte, wurde vom Verband der Zeitungsverleger auf die Wichtigkeit der Beschränkung auf die „Aus- und Weiterbildung“ abgehoben. In der ersten Fassung des Mediengesetzes sei diese Bedingung nicht erwähnt worden, sie sei daher angreifbar gewesen. Die Aus- und Fortbildung sei ein „neutraleres Spielfeld“, eine solche Regelung sei daher ein Schutz gegen Kritik. Die nächste Begrenzung, die im Gesetzentwurf steht, betrifft die Herkunft der Mittel. Es soll nicht erlaubt sein, Anteile der allgemeinen Rundfunkbeiträge, die von jedem Bürger gezahlt werden müssen und teilweise auch an die NLM fließen, für diesen Zweck einzusetzen. Die NLM als Landesorganisation müsse vielmehr „Mittel Dritter“ für solche Schritte aufwenden – also andere Einnahmen, die sie erzielt hat. Das könnten beispielsweise Bußgelder sein, die sie bei der Abmahnung von Verstößen gegen gesetzliche Pflichten der privaten Rundfunkanbieter eingenommen hat. Außerdem ist es dann am Ende die NLM, nicht irgendein Ministerium, das die Förderbescheide für Medien des „Qualitätsjournalismus“ ausstellen muss.
„Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass der Staat willkürlich bestimmte Medien zu Bestandteilen des Qualitätsjournalismus erklärt und diese gezielt unterstützt.“
Aber reicht das alles schon, den Verdacht des staatlichen Einflusses auf die Medien zu entkräften? Im Rechtsausschuss wurde darüber vor wenigen Tagen noch einmal diskutiert. Marie Kollenrott (Grüne) vertrat die Position, die Förderung von Qualitätsjournalismus solle noch kräftiger und entschiedener ins Gesetz geschrieben werden. Marco Genthe (FDP) widersprach und warnte vor Missverständnissen: „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass der Staat willkürlich bestimmte Medien zu Bestandteilen des Qualitätsjournalismus erklärt und diese gezielt unterstützt.“ Ulf Prange (SPD) und Christian Calderone (CDU) nannten die geplante Formulierung „eine gute Lösung des Spannungsfeldes“, die „Staatsferne“ werde damit gewährleistet. Ob das dann tatsächlich in der Praxis so eintritt, dürfte abzuwarten sein. Ein Problem ist der Wettbewerb, der mit jeder staatlichen Förderung einer kleinen Lokalzeitung oder eines schwächelnden Rundfunksenders sofort eine neue Gewichtung bekommen dürfte – dann vermutlich begleitet von Mutmaßungen, der Empfänger habe sich durch besonderes Wohlverhalten gegenüber den Mächtigen ausgezeichnet. Wie eine solche mögliche Debatte frühzeitig entkräftet werden kann, ohne gleichzeitig die Förderung nach dem Gießkannenprinzip auf alle Medien der entsprechenden Bereiche auszuweiten, ist im Gesetz nicht erklärt. Das dürfte eine schwer lösbare Aufgabe werden.
Die frühere Bundesregierung der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD hatte 220 Millionen Euro für die Presseförderung bereitgestellt – angesichts von Auflagenrückgängen regionaler Tageszeitungen und Existenzsorgen lokaler Radiosender. Weil man einen heftigen Streit über die Frage erwartete, ob damit nur Print-Medien oder auch digitale Angebote berücksichtigt werden sollten, kam der Plan nicht zur Umsetzung. Die neue Ampel-Regierung hat sich das Thema erneut vorgenommen, bleibt in den Ankündigungen allerdings überaus vage.
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
Jetzt vorbestellen