CDU-Gutachten: Chemiefabrik in Ritterhude hätte geschlossen werden müssen
Drei Jahre nach der Explosion in einer Chemiefabrik in Ritterhude liegen nun zwei Gutachten vor, die Erkenntnisse liefern sollen, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Das eine, von der Staatsanwaltschaft Verden in Auftrag gegebene Gutachten, ist seit Ende August fertig und liegt seit Donnerstag den Mitgliedern des Umweltausschusses vor. Sein Inhalt ist vertraulich. Das andere hat die CDU-Fraktion in Auftrag gegeben und am Freitag präsentiert. Der Verfasser der Studie, Sachverständiger bei der Bundeskomission für Anlagensicherheit, kommt darin zu dem Schluss, dass die Fabrik unter die sogenannte Störfallverordnung gefallen wäre und damit besondere Anforderungen hätte erfüllen müssen. „Um die ganzen Genehmigungen zu bekommen, hätte die Fabrik stark umgerüstet werden müssen. Das wäre an ihrem derzeitigen Standort mitten in einem Wohngebiet aber nicht möglich gewesen“, sagt der Abgeordnete und umweltpolitische Sprecher der CDU, Martin Bäumer. „Daher wäre die einzig richtige Konsequenz die Schließung der Fabrik gewesen.“
Bäumer sieht in dem Gutachten den Beleg, dass das Umweltministerium die Situation falsch beurteile. „Das Gutachten führt gleich mehrere Punkte an, von denen jeder einzelne so gravierend ist, dass die Firma Organo Fluid nur deshalb unter die Störfallverordnung fällt“, sagt der CDU-Abgeordnete. Er wirft dem Ministerium deshalb Verschleierungstaktik vor. Mehrfach hatte Bäumer im Umweltausschuss dieses Thema diskutieren lassen, Rot-grün habe jedoch immer nur abwiegelnd reagiert. „Umweltminister Stefan Wenzel hat hier versagt. Er hat weder umfassend informiert, noch Konsequenzen gezogen“, klagt Bäumer. Wenzeldagegen sieht in dem CDU-Gutachten die Bestätigung für einen Bericht, der im Mai 2015 veröffentlicht wurde: „Die über lange Jahre vorgenommen Ausbauten und Änderungen an den Anlagen wurden von der Firma mehrfach ohne die erforderlichen Genehmigungen vollzogen.“ Er widerspricht allerdings der Aussage, die Fabrik hätte unter die Störfallverordnung fallen müssen. Das habe eine Überprüfung aller verfügbaren Unterlagen in seinem Haus nicht ergeben.
Sollte es jedoch anders sein, so ist nicht nur die rot-grüne Landesregierung verantwortlich zu machen. Auch das geht aus der CDU-Studie hervor. Denn der Verfasser kommt auch zu dem Schluss, dass die Störfallverordnungsrichtlinie bis 2012 überarbeitet worden ist. Demnach hätte die Fabrik frühestens 2005, aber spätestens 2012 dahingehend kontrolliert werden müssen, wie Bäumer einräumt. Zu dieser Zeit war das Umweltministerium jeweils unter der Führung von FDP-Ministern. Dass zudem auch in der unteren Behördenstruktur gravierende Fehler gemacht worden sind, beweist nicht nur der Umgang mit den Anwohnern, sondern auch ein Brief der Feuerwehr. Anfang der 2000er Jahre schrieb die Feuerwehr an den Landkreis, sie habe Bedenken im Hinblick auf den Brandschutz des Fabrikgeländes. Da die Listen der angelieferten und verwerteten Chemikalien geheim seien, wisse man nicht, was einen darin erwarte, wenn es dort mal brennen würde. Zudem kenne nach zahlreichen Umbauarbeiten niemand mehr den genauen Grundriss. Dieses Schreiben hatte der Landkreis an das Gewerbeaufsichtsamt weitergeleitet, doch von dort kam nach derzeitigen Erkenntnissen nur die Versicherung, es habe alles seine Richtigkeit.