Brandschutz in Hochhäusern: Besser landesweit prüfen
Darum geht es: In Wuppertal musste ein Hochhaus wegen Brandschutzmängeln geräumt werden. Wie sicher sind die Hochhäuser in Niedersachsen? Ein Kommentar von Martin Brüning.
Während die Sozialministerin den niedersächsischen Kindern in einer Pressemitteilung rät, in den Sommerferien den Sonnenschutz nicht zu vergessen, fällt die Reaktion auf die Brandkatastrophe von London eher dürftig aus. Wie sieht es mit dem Brandschutz an niedersächsischen Hochhäusern aus? Keine Kenntnisse. Entsprechen die Gebäude den Bauvorschriften? Das wissen die unteren Bauaufsichtsbehörden. Dabei sollte das Beispiel in Wuppertal doch Warnung genug sein. Dort wurde ein elfstöckiges Hochhaus geräumt, weil sowohl die Kunststofffassade als auch das darunterliegende Material brennbar ist. Im Sozialministerium geht man offensichtlich davon aus, dass die betroffenen Städte in Hochhäusern nun selbst einmal nach dem Rechten sehen. Dabei wäre es durchaus wünschenswert, wenn nach so einem Ereignis der Brandschutz landesweit noch einmal geprüft würde, zumal Mängel wie an dem Hochhaus in Wuppertal gar nicht so leicht zu entdecken sind.
Sicher ist, dass so eklatante Brandschutzmängel wie am Wuppertaler Hochhaus voraussichtlich nur Einzelfälle sind. Der Brandschutz an „Sonderbauten“, wie Hochhäuser in Niedersachsen genannt werden, ist klar geregelt und in Deutschland seit vielen Jahren auf einem äußerst hohen Niveau. Spezielle Anforderungen für Türen, Treppe, Fassade und Löschanlagen machen ein Ereignis wie in London mehr als unwahrscheinlich. Bei Gebäuden ab 22 Metern Höhe ist nicht-brennbares Material bei den Fassaden Pflicht. Dennoch wäre es allemal sicherer, vor allem ältere Hochhäuser noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Das sollte vor allem für Gebäude gelten, die nachträglich gedämmt und renoviert worden sind.
Der Hochhausbrand von London führt auch dazu, dass der Brandschutz bei niedrigeren Gebäuden erneut in die Diskussion kommt. Das wird Niedersachsen weniger betreffen, weil die Brandschutzvorschriften hier strenger sind als in anderen Bundesländern. Seit 2012 dürfen hier auch niedrigere Gebäude nicht mit Material gedämmt werden, das brennend abtropft. Die Debatte um den Dämmstoff Polystyrol wird deshalb vor allem in anderen Ländern geführt werden. Die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes verweist auf bundesweit 90 Brandfälle in den vergangenen fünf Jahren, an denen Wärmedämmverbundsysteme mit Polystyrol beteiligt gewesen seien. Dabei habe es elf Todesfälle und 124 Verletzte gegeben. „Die Todesopfer gab es nicht in den ursprünglichen Brandwohnungen, sondern in Wohnungen anderer Geschosse“, heißt es in dem Papier. Mehrfach habe sich der Brand über die Fassade in weitere Geschosse ausgebreitet.
Der Dämmwahn der vergangenen Jahre hat einigen Industrien satte Gewinne beschert und zugleich neue Schimmel-, Sondermüll- und Brandschutzprobleme geschaffen, die es vorher so nicht gegeben hat. Während Rauchmelder in den Zimmern seit dem Jahr 2016 Pflicht sind, wird draußen leicht brennbares Styropor an die Wände geklatscht. Nicht nur aus Sicht des Brandschutzes ist Mineralwolle eine sinnvollere Alternative, allerdings auch eine teurere. Jetzt ist auch für die Politik der richtige Zeitpunkt, über das Thema Wärmedämmung unter dem Gesichtspunkt des Brandschutzes noch einmal nachzudenken.