Bischof Wilmer engagiert frühere Ministerin für die Aufarbeitung
Niedersachsens frühere Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) übernimmt die Leitung einer unabhängigen Kommission, die Fälle von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch in der katholischen Kirche des Bistums Hildesheim aufarbeiten soll. Wie der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer am Mittwoch bekanntgab, wird die Juristin gemeinsam mit dem leitenden Oberstaatsanwalt a. D. Kurt Schrimm aus Stuttgart sowie den Diplom-Psychologen Gerhard Hackenschmied und Peter Mosser vom Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) aus München vorerst für ein Jahr tätig werden.
Die unabhängige Fachgruppe wird sich zunächst auf den Zeitraum zwischen 1957 und 1982 beschränken. In dieser Zeit war Heinrich Maria Janssen Bischof von Hildesheim. Viele bereits bekannte Fälle sexuellen Missbrauchs in der Kirche würden Berührungen mit Janssen aufzeigen, sagte Bischof Wilmer. Doch mit dieser Zeitspanne solle dann nicht Schluss sein. Wilmer stellte in Aussicht, dass der Untersuchungszeitraum auch ausgeweitet werden könnte. „Wir müssen irgendwo anfangen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht weiterforschen.“ Es brauche aber einen wissenschaftlich machbaren Zeitraum. Außerdem müssen man beginnen, solange die Zeitzeugen noch leben.
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Es ist bereits einige Zeit verstrichen, seitdem Bischof Wilmer diese Expertengruppe im vergangenen Jahr angekündigt hatte. Seinen Worten zufolge war es aber „gar nicht so leicht, so schnell eine so gute Gruppe zusammenzukriegen“. Er habe Druck gemacht und zeigt sich nun sichtlich zufrieden mit der Auswahl: „Wir haben schon über die Viten dokumentieren wollen, dass es keine Affinität zur katholischen Kirche gibt.“
Der früherer Oberstaatsanwalt Schrimm erklärte, er habe dem Auftrag nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die katholische Kirche umfassend kooperiert. „Es war meine erste Reaktion, dass es nur erfolgreich sein kann, wenn die katholische Kirche uns Zugang zu allen Akten verschaffen wird, ohne jede Einschränkung.“ Auch Niewisch-Lennartz hat sich die Unabhängigkeit bis zum Ende zusichern lassen: „Wir sind völlig frei, auch begleitend zur Aufarbeitung Informationen zu veröffentlichen, und sind nicht verpflichtet, einen Schlussakkord abzustimmen.“
Wir haben schon über die Viten dokumentieren wollen, dass es keine Affinität zur katholischen Kirche gibt.
Niewisch-Lennartz wird als Obfrau das Gesicht der Gruppe sein und als Ansprechperson immer wieder im Bistum Sprechstunden abhalten. So beginnt sie am 14. April in Hildesheim, weitere Termine in Hannover und Göttingen sowie an einem noch nicht abgestimmten Ort im Norden des Bistums werden folgen. Auch die Experten vom IPP werden mit Zeitzeugen und Betroffene direkt in Kontakt treten und diese befragen. Schrimm hingegen ist für das intensive Aktenstudium zuständig. Er versicherte, die „Sprache der Akten“ zu verstehen und sagte, diese könnten entweder „sehr viel zu Tage fördern oder zeigen, dass schon alles aufgearbeitet wurde“.
Niewisch-Lennartz kann sich vorstellen, dass der neue Fokus der Betrachtung noch weitere Informationen liefern könnte. Anders als bei der ersten Aufarbeitung, die ebenfalls vom IPP vorgenommen wurde und deren Ergebnisse seit zwei Jahren vorliegen, gehe es jetzt nicht um Einzelfälle, sondern um Strukturen. Niewisch-Lennartz hofft, dass sich nun auch Mitarbeiter des Bistums melden, die zwar keine Kenntnis von konkreten Missbrauchsfällen hätten, aber etwas zu Strukturen sagen könnten, die Missbrauch ermöglicht oder vertuscht hätten.
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Dass Wilmer nun diese externe Expertengruppe eingerichtet hat, geht auf die erste Studie des IPP von 2017 zurück. Nach seinen Worten werden in diesem Jahr alle konkreten dort erwähnten Verbesserungsvorschläge umgesetzt. So wurde bereits zum 1. Januar 2018 die frühere Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) zur unabhängigen Leiterin des Bischöflichen Beraterstabs in Fragen sexualisierter Gewalt berufen.
Darüber hinaus hat das Bistum die beiden Posten der Ansprechpersonen für Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt neu besetzt, eine weitere Stelle wurde ergänzt und zwei weitere sollen noch folgen. Mit einer neuen Verfahrensordnung soll geregelt werden, wie Kirchenmitarbeiter bei einem Verdachtsfall handeln sollen.
Außerdem kooperiere das Bistum vollständig mit der niedersächsischen Justizministerin Barbara Havliza (CDU) und den zuständigen Ermittlungsbehörden. Dass bei der neuen Untersuchung allerdings weiteres strafrechtlich relevantes Material auftaucht, halten die Beteiligten für unwahrscheinlich. Bei dem ausgewählten Betrachtungszeitraum dürften alle Straftaten bereits verjährt sein.