6. Jan. 2025 · 
Kultur

Bischof Meister wirft den „sozialen Medien“ eine Verzerrung der Wirklichkeit vor

Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat sich in scharfer Form von Auswüchsen der medialen Informationsvermittlung distanziert. In seiner Rede beim Epiphaniasempfang der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers im Kloster Loccum (Kreis Nienburg) erwähnte er die Überempfindlichkeit und Angst, die zwar entwicklungsgeschichtlich geboten gewesen sei, um den von aggressiven Tieren ausgehenden Gefahren auszuweichen – die aber zu einer Überbetonung des Negativen führe. „Soziale Netzwerke verschärfen diesen Wahrnehmungsfehler. Alle Untersuchungen zeigen, wie Hass, Morde und Schande sich in den sozialen Medien viel schneller verbreiten als Mitgefühl, Liebe, Friede und Versöhnung.“ Dazu addiere sich „eine eigenartige moralische Schieflage. Wir selbst halten uns für klüger, friedlicher, sorgsamer und freundlicher als andere.“ Meister rief dazu auf, die Weltlage nicht für schlimmer zu halten als sie ist. Trost spende ihm immer ein Satz, der ihm vor Jahren erstmals begegnet sei: „Du musst mit allem rechnen – auch mit dem Schönsten.“

Ralf Meister | Foto: Kleinwächter

Die evangelische Landeskirche Hannovers hatte für den gestrigen Montag zum 75. Empfang eingeladen – und zwar Vertreter von Politik, Kirche, Vereinen und Verbänden. Im Jahr 1950 hatte der damalige Landesbischof Hanns Lilje erstmals dazu eingeladen – auch das Kabinett von Ministerpräsident Hinrich Wilhelm Kopf war damals anwesend. In seiner gestrigen Rede ging Meister näher auf dieses Ritual ein. In den Anfangsjahren gab es diesen Empfang stets kurz vor dem Jahreswechsel, nach Liljes Ableben 1977 wurde zu seinen Ehren der Tag auf den 6. Januar verlegt, seinen Todestag und „den Tag des Lichts, den Dreikönigstag“. Die tiefere Bedeutung liege in einem engen Miteinander von Kirche und Staat, die gerade aus den Erfahrungen des Dritten Reiches folge. Sei es Ziel der Nationalsozialisten gewesen, die Kirche aus dem öffentlichen Leben zurückzudrängen, so hätten Kirche und Politik 1950 beschlossen, gemeinsam das Gemeinwesen zu stärken und sich für ein Miteinander einzusetzen – unter den Prinzipien der Menschenwürde, der Nächstenliebe und des Zusammenhalts. Der Loccumer Vertrag von 1955, der das Verhältnis zwischen der Evangelischen Kirche und dem Land Niedersachsen neu regelte, habe in diesem Geist die „Hoffnung auf etwas Neues, Besseres und Gutes“ ausgedrückt – und zwar im engen Kontakt zwischen Kirchen und Staat.

Traditionell redet beim Neujahrsempfang der evangelischen Kirche in Loccum neben dem Landesbischof auch der Ministerpräsident. Stephan Weil konzentrierte sich auf die Beschreibung der aktuellen Lage in Deutschland im Vorfeld der Bundestagswahl. Das Leben sei in den vergangenen Jahren weltweit „hektischer, unberechenbarer und beunruhigender“ geworden. In vielen Bereichen gebe es große Umbrüche. Nicht nur die Bedrohung des Friedens, ausgedrückt in Russlands Angriff auf die Ukraine, bewege die Menschen. Der Klimawandel beschleunige sich, es gebe immer mehr Naturkatastrophen. Die liberalen Demokratien erschienen heute nicht mehr so wetterfest wie in der Vergangenheit, die politische Instabilität habe sich fast überall wesentlich erhöht, auch in der Bundesrepublik, wie die vorgezogenen Bundestagswahlen zeigten. Weil lobte in diesem Zusammenhang „den sehr großen Vorrat an Gemeinsamkeiten unter den Demokraten“ hierzulande, der bei der Problemlösung helfen könne – und diese Lösung sei dringend, denn die Geduld der Menschen sei nicht unendlich. Nötig seien Schritte zur Ankurbelung der Wirtschaft und eine Reform der Schuldenbremse, wobei er bemängelte, dass die bisherige Diskussion hier „zu viel Symbolik“ beinhalte. Es gehe ja nicht um mehr Schulden, sondern um die Finanzierung großer Investitionen.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #002.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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