Die Nachricht vom harten Corona-Lockdown über die Ostertage hat die Kirchen in Niedersachsen unvorbereitet getroffen. Bis zum Dienstagabend war nicht klar, wie die fünf evangelischen Landeskirchen und die drei katholischen Diözesen auf die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz reagieren werden. Nach Rundblick-Informationen haben sich die Bischöfe darauf verständigt, am späteren Abend eine gemeinsame Erklärung zu verfassen, die am heutigen Mittwoch veröffentlicht werden soll. Man befinde sich in einer ganz schwierigen Lage und wolle nun eine gemeinsame Linie finden, heißt es.
In dem Beschlusspapier des Corona-Gipfels der Bundeskanzlerin mit den Länderchefs steht lapidar: „Bund und Länder werden auf die Religionsgemeinschaften zugehen mit der Bitte, religiöse Versammlungen in dieser Zeit nur virtuell durchzuführen.“ Gemeint ist der Zeitraum vom Gründonnerstag bis Ostermontag – dem höchsten Fest im Kirchenjahr. Erneut soll es also kein eindeutiges Verbot von Präsenzgottesdiensten geben, sondern lediglich einen Appell. Einen verfassungsrechtlichen Streit mit den Kirchen wollen die Regierungen offenbar nicht riskieren: Das Grundgesetz schützt die Religionsausübung besonders, allerdings nicht absolut.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) äußerte sich am Dienstag noch zurückhaltend in dieser Angelegenheit. Man werde nun „erstmal mit den Kirchen und Glaubensgemeinschaften reden“, erwiderte er auf die Frage von Journalisten, wie das Land reagieren würde, sollten einzelne Glaubensgemeinschaften der Bitte nicht nachkommen.
Dass man in den Kirchen bis zuletzt von einer anderen Lage ausgegangen war, zeigt folgendes Ereignis: Noch am Montag hat Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), bei der bayerischen Landessynode erklärt, er sehe „keinen Anlass“ dafür, dass es in diesem Jahr keine Ostergottesdienste geben könnte. „Die Hygienekonzepte der Kirchen haben sich bewährt“, zitieren ihn kirchennahe Medien.
Der Beschluss der Bund-Länder-Runde hat die Kirchenleitungen offensichtlich kalt erwischt, Gespräche hat es im Vorfeld keine gegeben. Entsprechend schmallippig reagierte Bedford-Strohm dann am Dienstag. Man werde sich nun sehr genau erklären lassen, wieso die bisherigen Hygienekonzepte nun nicht mehr ausreichend sein sollen, sagte er.
Im Laufe des Dienstags erklärte allerdings die katholische Deutsche Bischofskonferenz, an Präsenzgottesdiensten festhalten zu wollen. Wie die Bistümer in Niedersachsen mit dieser Entscheidung umgehen, ist damit aber noch nicht ausgesagt. Das Bistum Hildesheim erklärte auf Rundblick-Anfrage, zu einer gemeinsamen Lösung finden zu wollen und am Donnerstagvormittag eine Handreichung zur Feier der Gottesdienste bekanntzugeben.
Werden sich die niedersächsischen Kirchen dem deutlichen Appell der Regierungschefs nun beugen? Vor einem Jahr blieben die Kirchen zu Ostern geschlossen. Doch inzwischen hat sich eine andere Haltung dazu entwickelt. Die Gruppe derjenigen, die diesen Schritt eher nicht noch einmal wiederholen möchte, wächst. In den vergangenen Monaten hat die Kirche immer wieder auf ihre detaillierten Hygienekonzepte verwiesen und diese jeweils den neuen Maßgaben der Politik angepasst.
Zudem wächst in den Kirchen der Unmut über den subtilen Druck, den die Regierungen mit jenem einzelnen kleinen Satz im Beschlusspapier aufbauen. Die Verantwortung wird damit abgewälzt auf die jeweiligen Kirchenleitungen, ohne vorab den Dialog zu suchen. Das erinnert an einen Vorgang aus dem vergangenen Herbst. Damals hatte es in Delmenhorst eine Entscheidung der dortigen „Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen“ gegeben, aufgrund der hohen Infektionszahlen keine Gottesdienste durchzuführen. Oberlandeskirchenrätin Kerstin Gäfgen-Track, Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, hatte diesen Schritt jedoch gegenüber dem Politikjournal Rundblick kritisiert. Die Stadtspitze habe den Kirchen damals im Prinzip nur die Optionen gelassen, freiwillig zu schließen oder geschlossen zu werden.
Die Bischöfe suchen wohl auch deshalb nach einem einheitlichen Kurs, weil es zuletzt im Vorfeld des Weihnachtsfestes Unruhe in den Gemeinden gegeben hatte. So war im Dezember zwar der Lockdown verschärft worden, Präsenzgottesdienste durften unter bestimmten Auflagen aber sehr wohl durchgeführt werden. Die endgültige Entscheidung darüber wurde aber den Gemeinden vor Ort überlassen. Die Folge waren teils hitzige Diskussionen in den Gemeindeleitungen und schließlich ein Flickenteppich von geöffneten Kirchen, abgesagten Gottesdiensten oder Veranstaltungen unter freiem Himmel.
Auch für das Osterfest haben die Kirchen wieder unterschiedliche Konzepte erarbeitet. Würden sich die Kirchen dem Lockdown anschließen, blieben zwar die digitalen Angebote unberührt, nicht aber etwa Freiluftgottesdienste.