Am Ende ist alles reibungslos gelaufen, auch wenn es länger dauerte als zunächst geplant. Bis Ende dieses Jahres, erklärt Alexander Remmel von der kreiseigenen Bückeberg-Gesellschaft, soll der NS-Lernort auf dem Bückeberg in Emmerthal (Kreis Hameln-Pyrmont) fertiggestellt sein. Auf dem riesigen Gelände, an das in den vergangenen 75 Jahren nichts mehr an die besondere Vergangenheit in der NS-Zeit erinnerte, entsteht dann ein Rundgang mit einigen Informationsinseln. Damit sollen Interessierte einen Eindruck bekommen von der Art und Weise, wie die Propaganda im Nationalsozialismus funktionierte – wie also die Verführungskünste der Nazis im Umgang mit Massenansammlungen verlaufen sind.

Das von Albert Speer gestaltete, 18 Hektar große Gelände für die Reichserntedankfeiern diente einem alljährlich zwischen 1933 und 1937 gefeierten Fest Ende September oder Anfang Oktober. Im Mittelpunkt stand eine Rede von Adolf Hitler, die mit der modernsten Technik der damaligen Zeit übertragen wurde. Rückblickend waren diese Feiern neben den Reichsparteitagen in Nürnberg und den Feiern zum Tag der Arbeit in Berlin gezielte Veranstaltungen des NS-Regimes zu dem Zweck, die enge Verbindung zwischen der politischen Führung und dem Volk zu demonstrieren.
Das Massenspektakel auf dem Bückeberg hatte gewaltige Dimensionen, mehr als 200 Sonderzüge mit je rund 1000 Passagieren wurden nach Hameln und zu den umliegenden Bahnhöfen gebracht, etliche reisten mit Bussen oder Pferdewagen an. Zum Begleitprogramm gehörten Vorführungen des Kriegsgerätes der Wehrmacht. Der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom hat die Geschichte der Reichserntedankfeste aufgearbeitet, er gilt auch als einer der Väter des Lernortes. Als vor wenigen Jahren die Pläne des Landkreises konkret wurden, formierte sich in Emmerthal Protest, der auch in eine Bürgerbefragung gipfeln sollte, zu der es dann nicht gekommen war. Das Kuriose am Bückeberg war, dass über Jahrzehnte nicht einmal eine kleine Hinweistafel auf die enorme Bedeutung hinwies, die dieser Ort zur NS-Zeit gehabt hatte – und damit auch auf die zentrale Rolle der Reichserntedankfeste für die Propagandawirkung der Hitler-Diktatur. Dieser Ort wurde von den NS-Verantwortlichen damals als Zeichen der Blut-und-Boden-Ideologie ausgesucht. Auch wenn es ein Erntedankfest war, richtete sich der Aufruf nicht bloß an die Bauern, sondern an alle Einwohner.

Nach den Worten von Alexander Remmel, der die Planungen verantwortlich leitet, beginnt der Lern- und Erinnerungsort in einer sehr zurückhaltenden Form. Die Fundamente der Ehrentribüne im oberen Teil des Berges, auf der bis zu 3000 Besucher Platz hatten, waren nach dem Krieg von Büschen und Bäumen überwuchert. Das geschah zeitweise auch bewusst, weil die Erinnerung verdrängt werden sollte. Inzwischen sind große Teile des Buschwerks entfernt, sodass die großen Ausmaße der Bühne zu erahnen sind. Auf mehreren Informationsinseln sollen dann die Wirkungsweisen der Propaganda dargestellt werden.
Das 1,33 Millionen Euro teure Projekt schließt ein Toilettenhäuschen, eine Bushaltestelle und im unteren Bereichen einen Rad-Stellplatz ein. Bei den Bauarbeiten habe man einige Metallteile gefunden, berichtet Remmel, diese könnten von Befestigungen der Licht- und Mikrophonanlagen stammen, aber auch von der Lorenbahn, die hier entlang führte. Das in Emmerthal lange umstrittene, im Kreis Hameln-Pyrmont vor allem von der AfD abgelehnte Projekt des Lern- und Erinnerungsortes führte 2018 und 2019 zu heftigen politischen Auseinandersetzungen – und zum Schulterschluss von SPD und CDU im Landtag, sodass die zögerliche CDU im Landkreis dann mitzog. Vor wenigen Monaten wurde die Konzeption der Erinnerungsstätte von der Wüstenrot-Stiftung ausgezeichnet – als einer von sechs Preisträgern unter 455 Bewerbern. In der Laudatio hieß es, die Reichserntedank-Feste hätten dazu gedient, „medial verwertbare Bilder einer Volksgemeinschaft zu erzeugen und die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft zu zelebrieren“. Gezeigt werde, wie mit diesen Inszenierungen „die Sehnsucht nach Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft für die Spaltung der Gesellschaft missbraucht“ wurde.