Außenpolitik ist Bundessache – ist sie also auf keinen Fall Ländersache? So eindeutig ist die Sachlage nicht, schreibt der Jurist Stefan Birkner, der bis Ende 2022 Landtagsabgeordneter war, Chef der FDP-Fraktion und damit in der Zeit der Großen Koalition (2017 bis 2022) so etwas wie der inoffizielle Oppositionsführer. Birkner arbeitet jetzt als Berater für das Unternehmen „Ernst & Young“, außerdem publiziert er parallel zu juristischen Themen.

In der aktuellen Ausgabe der „Niedersächsischen Verwaltungsblätter“ hat er sich mit einem Fall befasst, der ihn noch in seiner Zeit als Abgeordneter berührt hat. Es ging damals um die sogenannte „Moskau-Connection“, also den Vorwurf, SPD-Politiker aus Niedersachsen hätten ein besonders enges Verhältnis zu Mächtigen in Russland gepflegt und seien so in vielen Kontakten zum späteren Kriegstreiber Wladimir Putin zu weit gegangen. Im Mai 2022 brachten die FDP-Landtagsfraktion und Birkner den Fall vor den Wirtschaftsausschuss des Landtags. Staatskanzleichef Jörg Mielke (SPD) erklärte dort, diplomatische Beziehungen des Landes zu anderen Staaten seien grundsätzlich vertraulich. Dies entspreche der ständigen Staatspraxis. Der Informationsanspruch der Abgeordneten sei begrenzt, wenn zu befürchten sei, dass das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen dem Wohl des Landes Niedersachsen schade.
Mit dieser Begründung hat sich Birkner nun, nach dem Ende seiner Politikerzeit, als Jurist näher auseinandergesetzt. Zunächst bejaht er in seinem Aufsatz die Möglichkeit von eigenen außenpolitischen Aktivitäten der Bundesländer, diese müssten aber die Kompetenz des Bundes ebenso beachten wie „den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens“. Ein Bundesland dürfe nicht die Außenpolitik des Bundes konterkarieren oder das einheitliche Auftreten des Bundes infrage stellen. Wenn aber eine begrenzte eigene Außenpolitik des Landes zugebilligt werde, dann stelle sich auch die Frage nach deren parlamentarischer Kontrolle. Die Parlamentsausschüsse in Niedersachsen seien spiegelbildlich zu den einzelnen Ministerien angeordnet, für die Pflege der internationalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sei die Staatskanzlei zuständig.
Einen Landtagsausschuss für die Staatskanzlei-Arbeit indes gebe es nicht, nur für einen Teilbereich, die Medien, herrsche hier eine Ausnahme. Die parlamentarische Begleitung der internationalen Zusammenarbeit Niedersachsens sei also nicht abgesichert. Birkner fragt zudem, ob das „parlamentarische Interpellationsrecht“ – also das Fragerecht der Abgeordneten – als Kontrollinstrument schon ausreichend sein könne. Mielke hatte ja in dem konkreten Fall der „Moskau-Connection“ mehrere Antworten mit dem Hinweis auf den Schutz von Geheimnissen und dem gefährdeten Wohl des Landes verweigert.

Auf diese Antwort von Mielke geht Birkner nun grundsätzlich ein. Zum einen, meint er, müsse die Landesregierung dann auf Fragen von Abgeordneten antworten, wenn die interne Willensbildung der Regierung abgeschlossen ist und eine Position dort feststeht. Der Schutz der „exekutiven Eigenverantwortung“ der Regierung gelte also nicht uneingeschränkt. Ob nun Fragen der internationalen oder grenzüberschreitenden Politik grundsätzlich zum geschützten Bereich der internen Willensbildung der Regierung zählen, gilt aus Birkners Sicht nicht prinzipiell. Vielmehr hänge es vom Einzelfall ab. Wenn Abgeordnete etwas wissen wollten zu bereits abgeschlossenen Vorgängen und dies darauf gerichtet sei, Missstände aufzuklären, „dann sollte dem in aller Regel entsprochen werden“, meint er. Sollte es aber um geheimhaltungsbedürftige Informationen gehen, dann gebe es immer noch die Möglichkeit, dies in einem vertraulich tagenden Gremium des Landtags zu tun.
Dass es ein solches Gremium in Niedersachsen bisher nicht gebe, stehe auf einem anderen Blatt. Der frühere FDP-Chef widerspricht aber vehement der von Mielke im Mai 2022 vorgetragenen Position, mit der pauschalen Behauptung eines hohen Geheimhaltungsinteresses die Beantwortung abzulehnen. Nach Birkners Einschätzung hätte der Leiter der Staatskanzlei vorher zumindest prüfen müssen, ob es einen Weg gibt, die Abgeordneten vertraulich zu informieren. Bei der parlamentarischen Kontrolle von Regierungstätigkeiten in Niedersachsen gebe es also „durchaus erhebliche Lücken“. Andere Länder wie Bayern seien hier schon viel weiter.