Einen Tag nach dem bundesweiten Ende der Homeoffice-Pflicht, die einst wegen der Corona-Krise verfügt wurde, bringt das Land Niedersachsen jetzt eine Reform auf den Weg: Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), dem Niedersächsischen Beamtenbund (NBB) und dem Niedersächsischen Richterbund (NRB) eine neue Personalvereinbarung geschlossen.

Frank Bornemann vom Richterbund (links) und Alexander Zimbehl vom NBB (2.v.l.) am Donnerstag in der Landespressekonferenz – Foto: kw

Demnach sollen die 230.000 Mitarbeiter der Landesbehörden in 60 verschiedenen Berufsfeldern künftig leichtere Möglichkeiten zur Telearbeit erhalten. Bisher war vorgeschrieben, dass besondere soziale Kriterien erfüllt sein mussten – beispielsweise die Notwendigkeit der Pflege eines Angehörigen oder die Kinderbetreuung. Jetzt entfällt diese Voraussetzung, allerdings wird ein Rechtsanspruch auf Homeoffice auch nicht festgeschrieben.

In den Erläuterungen des Innenministeriums heißt es vielmehr: „Künftig können alle Beschäftigen der Landesverwaltung mobile Arbeitsformen nutzen, wenn sie es beantragen und ihre dienstliche Tätigkeit das zulässt.“ Entscheidend sei allein die Art der Tätigkeit, so könnten etwa Polizisten, Justizvollzugsmitarbeiter, Lehrer oder Labormitarbeiter seltener diesen Weg gehen.

Pistorius sieht die Vereinbarung als großen Fortschritt und betont gleichzeitig: „Homeoffice ist Ausdruck einer vertrauensgetragenen Arbeitskultur.“ Es werde „ein neues Kapitel aufgeschlagen“.

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Die Vereinbarung ist als Rahmen gedacht – ausgefüllt werden muss sie durch konkrete Vereinbarungen zwischen denjenigen, die im Homeoffice arbeiten wollen, und jenen, die als Leiter der Dienststellen die dienstlichen Belange beurteilen müssen. Nach den Worten von Alexander Zimbehl, Vorsitzender des NBB, hängt am Ende viel von den Gesprächen in der jeweiligen Behörde ab.

Wenn ein Mitarbeiter von zuhause tätig werden will, die Behördenleitung das aber blockiert und mit dem Abbau des festen Arbeitsplatzes im Büro droht, hänge es auch am Personalrat, in solchen Konfliktfällen aktiv zu werden. Mit der neuen Vereinbarung würden in solchen Streitfragen auf jeden Fall die Positionen der Mitarbeiter gestärkt.

Es wird nicht mehr überall so sein, dass Arbeitsplätze mit einer Yuccapalme und Urlaubsbildern geschmückt werden.

Das sieht auch der DGB-Landesvorsitzende Mehrdad Payandeh so: Viele behinderte Kollegen, die von zuhause arbeiten wollten und viele Berufspendler, die den langen Arbeitsweg vermeiden wollten, bekämen durch die neue Vorgabe neue Chancen. Frank Bornemann vom Richterbund räumte ein, dass der Weg zu mehr Heimarbeit auch die Folge haben könne, dass man nicht mehr gleichzeitig auch Anspruch auf ein eigenes freies Büro habe.

Pistorius ergänzt, die Arbeitswelt werde sich ändern: „Es wird nicht mehr überall so sein, dass Arbeitsplätze mit einer Yuccapalme und Urlaubsbildern geschmückt werden.“ Die Frage, wie viele Büros überhaupt in den Behörden noch bereitgestellt werden, zähle zu den wichtigen „Herausforderungen für die Zukunft“.

Der Unterschied zwischen Telearbeit und mobiler Arbeit

Die Vereinbarung unterscheidet zwischen zwei Formen: Mit „Telearbeit“ ist gemeint, dass jemand drei bis vier Tage in der Woche von zuhause aus seinen Dienst versieht – damit ist dann auch ein Anspruch begründet, sich seine Technik und Arbeitsmittel vom Arbeitgeber stellen zu lassen. Das Land wird aber laut Pistorius auf eine Kontrolle der Installation verzichten.

Mit „mobiler Arbeit“ ist gemeint, dass ein Mitarbeiter maximal 30 Prozent seiner Arbeitszeit am Laptop zuhause verbringt, hier entfällt der Anspruch auf Ausstattung durch den Arbeitgeber. Der Arbeitsschutz aber soll in beiden Fällen gewährleistet werden. Der Minister sagte, die Obergrenze von 30 Prozent dürfe in Einzelfällen auch mal überschritten werden. Bornemann ergänzte, mehr Homeoffice bedeute auch eine stärkere Verlagerung der Arbeiten auf Zielvereinbarungen und größere Selbstständigkeit.

Die Rückkoppelung mit dem Arbeitgeber werde umso wichtiger. Dazu wäre es von Vorteil, wenn die digitale Aktenführung schon verbreiteter wäre als sie es ist. Die letzte Betriebsvereinbarung zwischen Innenministerium, DGB, Beamten- und Richterbund zu diesem Thema stammt aus dem Jahr 2004, sie ist noch sehr allgemein. Allerdings sollte der Vertrag, der gestern präsentiert wurde, eigentlich auch schon viel früher fertig sein, man wähnte sich Ende 2018 schon in der Schlussphase der Gespräche darüber.