Behörden bleiben dabei: Angeblicher Islamist soll Deutschland verlassen
Auch nach der Niederlage vor dem Bundesverwaltungsgericht bleibt das niedersächsische Innenministerium dabei: Der 29-jährige Ahmet K., ein seit zwei Jahren in Göttingen lebender türkischer Staatsbürger, soll das Land verlassen. Die Stadt Göttingen, zuständige Ausländerbehörde, hat eine Ausweisung des Mannes verfügt. Ahmet K. hat nun einen Monat Zeit, darauf zu reagieren – und danach wird das Verwaltungsgericht Göttingen über den Fall entscheiden. Ein längerer juristischer Instanzenweg steht damit wohl bevor. Eigentlich war geplant, den Mann über eine andere, weit schärfere Rechtsbestimmung kurzfristig abzuschieben. Das Innenministerium hatte im April 2019 verfügt, Ahmet K. nach Paragraph 58a des Aufenthaltsgesetzes einzustufen und ihn kurzfristig des Landes zu verweisen. Daraufhin hatte der Betroffene geklagt und Ende Juni vergangenen Jahres erstmals einen Erfolg erzielt. Er erreichte beim Bundesverwaltungsgericht, dass die aufschiebende Wirkung seiner Klage hergestellt wurde. Jetzt hat das Gericht endgültig entschieden – und zwar im Sinne von Ahmet K.
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Zu klären war die Frage, als wie gefährlich der 29-Jährige tatsächlich eingeschätzt wird. Hier widersprach das Bundesverwaltungsgericht der Einschätzung des Innenministeriums. Nach Paragraph 58a des Aufenthaltsgesetzes kann die oberste Landesbehörde – also das Innenministerium – gegen einen Ausländer „auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen“. Diese Anordnung wäre dann sofort vollziehbar, vorherige Warnungen der Behörden sind nicht erforderlich. Es geht also um Menschen, die hier noch nicht straffällig geworden sind, von denen man aber vermutet, dass sie sich zu Terroristen entwickeln könnten. Diese Vermutung muss sich auf Tatsachen stützen. Das Innenministerium in Hannover sah diese Umstände als gegeben an: K. schrecke vor Straftaten nicht zurück, sei waffenaffin, gewaltbereit und regelmäßiger Drogenkonsument. Noch während seines Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht habe er „Rache gegenüber der Polizei“ angekündigt. Die Sicherheitsbehörden rechneten bei ihm mit schweren Straftaten – auch wenn es aktuell keinen konkreten Plan gebe, den er entworfen oder kommuniziert habe. Außerdem habe sich K. der salafistischen Szene in Kassel und Göttingen zugewandt, erklärt das Innenministerium in Hannover.
Von dieser Einschätzung sind die Bundesverwaltungsrichter nicht völlig überzeugt. Der Hinweis aus Hannover, K. habe sich mit der militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert und halte den Gewalteinsatz für dessen Durchsetzung für angemessen, wird von den Richtern in Leipzig nicht bestätigt. Zwar könne eine erhebliche Gefahr auch dann von ihm ausgehen, wenn er nicht selbst vollständig und nachhaltig radikalisiert sei, aber sich „von Dritten im Wissen um deren ideologische Zwecke für entsprechende Gewalthandlungen ‚einspannen‘“ lasse. Das Gericht teilt nun aber mit, es habe „in der Gesamtschau bei umfassender Würdigung des Verhalten des Klägers, seiner Persönlichkeit, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung und seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen“ eine Entscheidung gefällt. Diese besagt, dass „aktuell“ von K. keine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik oder eine terroristische Gefahr ausgehe.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #009.