Arbeitet sich die Autoindustrie aus der Krise oder wird doch noch ein zusätzlicher Schub aus Steuermitteln nötig? Am Tag des Autogipfels, zu dem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesminister und die Ministerpräsidenten der Länder heute Abend per Videokonferenz zusammenschalten wollen, ließ sich am Dienstag diese Frage nur schwer abschließend beantworten, auch die Zulassungszahlen lassen kaum Rückschlüsse zu.

In etwa dieser Lage sieht sich gerade die gesamte Autoindustrie in Deutschland – Foto: redstallion / Getty Images

Nachdem die Verkaufszahlen in den ersten Monaten der Corona-Krise radikal eingebrochen waren, sah es im Sommer so aus, als würde sich die Lage normalisieren. Im Juli lag die Zahl der in Deutschland verkauften Autos nur fünf Prozent unter dem Vorjahresmonat. Der August lässt nun aber wieder die Pessimisten auf die Tagesordnung treten. Im vergangenen Monat kamen rund 251.000 Neuwagen auf die Straße, zwanzig Prozent weniger als im August vergangenen Jahres.

Infografik: Starker August katapultiert Tesla in den grünen Bereich | Statista

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Dabei müssen nahezu alle deutschen Hersteller massive Rückgänge hinnehmen. Volkswagen verzeichnete im August ein Minus von knapp 17 Prozent, Audi verkaufte sogar 35 Prozent weniger Autos. Allein bei BMW in München konnte man sich über ein Verkaufs-Plus von 15 Prozent freuen.

Bloß keine neue Debatte über Kaufprämien

Die Lage ist unübersichtlich, und so bleiben die Forderungen aus der Politik auch eher vorsichtig. Niedersachsens Ministerpräsident und seine Amtskollegen aus den Autoländern wollten nicht mit dem Kopf gegen die Wand rennen und mit denselben Forderungen wieder bei der Bundesregierung vorsprechen, sagte Regierungssprecherin Anke Pörksen bereits am Montag. Soll heißen: Bloß keine neue Diskussion über eine Kaufprämie für Verbrenner, wenn man am Ende des Gipfels wieder mit leeren Händen dazustehen droht. „Die Zeit muss reif sein für einen neuen Aufschlag“, so formulierte es Pörksen.

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Stephan Weil sorgt sich derzeit vor allem um die Lage der Zuliefererbetriebe. Die hat auch die sogenannte Braunschweiger Gruppe, ein Zusammenschluss von SPD-Landtagsabgeordneten im Bezirk Braunschweig im Blick. Die SPD-Parlamentarier Christos Pantazis und Jörn Domeier forderten am Dienstag von der Bundesebene „einen breiten, staatlichen Unterstützungsfonds für Zuliefererbetriebe.“ Dabei habe eine „zügige, staatliche Hilfe“ teilweise nicht nur eine existenzielle Bedeutung. Es gehe dabei auch um die Möglichkeit, der Zulieferbranche bei der Umstellung Richtung Digitalisierung zu helfen und umweltfreundliche Technologien zu entwickeln.

Pantazis und Domeier warnen vor einem Abbruch von Lieferketten und einem Abbau der Industrie ins Ausland. Es dürfe keine Denkverbote geben. Zumal die Lage der Branche heikel bleibt. Anfang der Woche veröffentlichte das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) eine Studie, in der von einem „Nachfrageschock“ die Rede ist, von dem sich die Branche nur langsam wieder erhole. Die IW-Experten warnen vor einem radikalen Jobabbau und befürchten, dass die Auto-Branche diesmal als „Wachstumslokomotive“ für den Standort Deutschland ausfällt.

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Davor warnt auch der Verband Niedersachsenmetall. „Es ist 5 vor 12: Wenn die Politik jetzt den Ernst der Lage nicht versteht, dann laufen wir Gefahr, dass die deutsche Automobilindustrie auf unwiederbringliche Weise beschädigt wird“, sagte Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt am Dienstag vor dem Autogipfel und sprach von einem beispiellosen Produktionseinbruch in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. „Die jüngsten desaströsen Produktions- und Zulassungszahlen zeigen, dass wir mit der Elektroprämie entschieden zu kurz gesprungen sind“, meinte Schmidt.

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Also vielleicht doch eine Kaufprämie? Die will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU nicht ausschließen. Er plädierte am Montag im Deutschlandfunk dafür, den Verbrennungsmotor nicht zu einem Tabuthema zu erklären. Es gebe zwar eine Prämie für E-Autos, allerdings seien noch nicht genug Fahrzeuge auf dem Markt. Es müsse eine Zeit überbrückt werden, bis Elektrofahrzeuge massentauglicher würden. Dabei sieht sich Scheuer im Einklang mit der CSU-Landesgruppe im Bundestag, die einem Papier ihre Forderung nach einer Kaufprämie für Verbrenner erneuert hatte.

BUND: Prämie hilft nur großen Autokonzernen

Die Gegenposition nahm Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ein. Sie sprach sich zwar dafür aus, die Automobilindustrie zu unterstützen. Dabei brauche man aber „neue und nicht alte Rezepte“, sagte Schulze.

Auch die Umweltverbände machen gegen eine Neuauflage der Kaufprämie mobil. „Eine Autoprämie nutzt einzig den großen Autokonzernen, die ihre Lagerbestände absetzen wollen. Den viel stärker von der Krise betroffenen Zulieferern hilft das wenig, da diese Autos bereits produziert sind“, sagte Heiner Baumgarten, Landesvorsitzender des BUND in Niedersachsen. Sinnvoller sei eine Mobilitätsprämie, die die Bürger in das Verkehrsmittel ihrer Wahl investieren könnten, also auch in Fahrräder, Nahverkehrstickets oder Bahncards.