Auch Niedersachsen soll einen Richterwahlausschuss bekommen
In Niedersachsen wird es voraussichtlich ab der kommenden Wahlperiode einen Richterwahlausschuss geben. Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf dazu vorgestellt. Sie erhofft sich davon mehr Transparenz und weniger Möglichkeiten der parteipolitischen Einflussnahme. „Aktuell entscheidet allein das Justizministerium in einem nicht besonders transparenten Verfahren“, sagte Regierungssprecherin Anke Pörksen in Hannover. Zudem habe es in den vergangenen Jahrzehnten auch in anderen Bundesländern immer wieder den Vorwurf gegeben, dass Landesjustizministerien bei der Richterauswahl parteipolitische Entscheidungen getroffen hätten. „Da im Richterwahlausschuss alle Landtagsfraktionen vertreten sein werden, wird die Entscheidung entpolitisiert und der parteipolitischen Einflussnahme vorgebeugt“, so Pörksen. Landtagsopposition und Richterbund sind von dem neuen Gremium nicht überzeugt. Die Landesregierung hofft, dass der Landtag bis November das Gesetz beschließen wird. Als nächstes folgt eine Anhörung im Landtag.
Der neue Ausschuss soll aus 11 Mitgliedern bestehen, die voraussichtlich etwa einmal im Monat tagen werden und dabei rund 100 Entscheidungen pro Jahr treffen müssen. Es sollen sechs Landtagsabgeordnete, vier Richter beziehungsweise Staatsanwälte und ein Rechtsanwalt darin vertreten sein. Die Abgeordneten sollen die Mehrheitsverhältnisse im Landtag widerspiegeln und gleich zu Beginn der Legislaturperiode mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Das Gremium muss seine Entscheidungen ebenfalls immer mit einer Zweidrittelmehrheit treffen. „Ziel ist es gewesen, dass der Ausschuss jeden Richter und jeden Staatsanwalt einmal in deren Berufsleben sehen sollte. Deswegen entscheidet der Wahlausschuss, wenn es um eine Ernennung auf Lebenszeit geht“, erklärte Sebastian Lenz, Referatsleiter im Justizministerium. Darüber hinaus soll der Ausschuss über herausgehobene Ämter ab der Besoldungsgruppe R3 wie zum Beispiel bei Behörden- oder Gerichtsleitern entscheiden. Das Verfahren unterscheide sich an dieser Stelle von den Abläufen in Richterwahlausschüssen anderer Bundesländer, erklärte Lenz. „Es gibt Länder, die legen dem Ausschuss jede Personalentscheidung vor. Das würde in Niedersachsen aber dazu führen, dass das Gremium ständig tagen müsste. Das wäre eine Überforderung.“ Auch der Richteranteil in dem Gremium sei in Niedersachsen höher als in Ausschüssen anderer Länder.
Der Ausschuss werde nach Aktenanlage entscheiden. Ein Berichterstatter müsse den Bewerber vorstellen und dem Ausschuss ein Gesamtbild der Person liefern. „Zum einen muss der Ausschuss eine Entscheidung treffen, die einer rechtlichen Überprüfung standhalten muss. Ein strukturiertes Auswahlinterview ist als Verfahren für einen Ausschuss aber zu komplex“, sagte Lenz. Ein weiterer Grund sei, dass die Anhörung nur eine Momentaufnahme sei. „Die Bewerber sollen aber in ihrer gesamten Laufbahn gewürdigt werden. Hier bekommt man aus der Akte ein gutes Bild.“
Beim Richterbund sieht man das neue Gremium skeptisch. „Bisher hat man gar nicht zugegeben, dass es politisch motivierte Entscheidungen gibt. Jetzt hält man eine Entpolitisierung für nötig“, wundert sich der Vorsitzende Frank Bornemann im Gespräch mit dem Rundblick. Zudem seien die Parteien in dem Ausschuss direkt durch Abgeordnete vertreten. „Ich sehe nicht, wie das zu einer Entpolitisierung führen soll.“ Es gebe für die Richter auch „keinen Millimeter mehr Transparenz“, höchstens für die Abgeordneten. Bornemann merkt auch an, dass der Richterwahlausschuss gar keine Auswahl treffen dürfe. „Es gibt nur einen Vorschlag des Justizministeriums. Wenn man nur eine Akte bekommt, hat man aber auch keine Entscheidungsmöglichkeit.“
Auch die Opposition ist vom Richterwahlausschuss nicht überzeugt. Es bestehe die Gefahr, dass künftig politische Paketlösungen zwischen den Parteien gebildet würden, befürchtet der FDP-Rechtsexperte Marco Genthe. Der Ausschuss dürfe aber nicht zum Spielfeld für politische Deals werden. Die Stellen dürften schließlich nicht „an die fleißigsten Parteigänger“, sondern müssten rein nach Qualifikation vergeben werden. Die CDU-Abgeordnete Mechthild Ross-Luttmann kritisierte, Rot-Grün mache das Thema jetzt zum Gegenstand des Wahlkampfs. Die Besetzung von Leitungsstellen in der Justiz sei aber ein hochsensibles Thema und sollte von einer breiten, überparteilichen Mehrheit getragen werden.