Immer und immer wieder werden Schlachtbetriebe zu Corona-Hotspots. Zuerst in Dissen (Landkreis Osnabrück), dann in Lohne (Landkreis Vechta) und später bei Tönnies im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück (Landkreis Gütersloh). In der Zwischenzeit wurde eine Corona-Testpflicht in Schlachtbetrieben vom Land angeordnet, die Lage schien sich zumindest ein wenig zu beruhigen.

Doch nun folgten im Oktober erneut Corona-Ausbrüche mit weitreichender Wirkung, einer im Vion-Schlachthof in Emstek (Landkreis Cloppenburg) und ein weiterer im Weidemark-Schlachtbetrieb in Sögel (Landkreis Emsland), der ebenfalls zum Tönnies-Konzern gehört. Der Betrieb der Schlachthöfe wurde daraufhin zeitweise untersagt – doch das löste das nächste Problem in der engen Taktung der Fleischwirtschaft aus. In den Ställen der Landwirte stauen sich derzeit die Schweine, weil die betroffenen Schlachthöfe in Cloppenburg und im Emsland rund 40 Prozent der Schlachtkapazität Niedersachsens abdeckten, wie Landesagrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) vergangenen Woche im niedersächsischen Landtag berichtete.

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Der Druck der Schweine-Wirtschaft zeigt nun offenbar Wirkung. Der Schlachthof in Sögel konnte bereits am Montag seinen Betrieb wieder aufnehmen – mit einem speziellen Hygienekonzept. Die Kernidee dieses neuen Maßnahmenpakets ist die sogenannte Arbeitsquarantäne. Die Beschäftigten des Zerlegebetriebes dürfen vorerst bis Ende des Monats nur noch ausschließlich von ihrer Wohnung zur Arbeit und wieder zurück zur Wohnung. Abstecher zum Einkaufen oder zur Bank sind untersagt – von Freizeitaktivitäten ganz zu schweigen. Alle nötigen Besorgungen muss das Unternehmen nun für seine Beschäftigten erledigen, die im Wesentlichen in angemieteten Wohnungen und Häusern in der Samtgemeinde untergebracht sind, erläutert ein Sprecher des Landrates auf Nachfrage des Politikjournals Rundblick.

Nur für unaufschiebbare Termine, etwa bei Behörden oder beim Arzt, soll es Ausnahmen geben. Betroffen sind von diesen Vorkehrungen derzeit allerdings nur rund 200 der insgesamt knapp 2000 Beschäftigten des Schlachthofs. Diese Begrenzung wurde möglich, weil es dem Gesundheitsamt gelungen war, das Infektionsgeschehen innerhalb des Betriebs speziell in dem Arbeitsbereich zu identifizieren, in dem die Tiere zerlegt werden. Das Unternehmen reagiert nun darauf, indem die Belegschaft in diesem Sektor ausgedünnt wurde. Statt vorher 600 Personen soll nun nur noch ein Minimalbetrieb mit lediglich 200 Personen aufrechterhalten werden, die nun unter den besonderen Bedingungen arbeiten und leben müssen.

Die Firma Weidemark hat ein sehr hohes Eigeninteresse daran, dass die Arbeitsquarantäne bestmöglich funktioniert und das Virus nicht von außerhalb in den Betrieb eingetragen wird.

Die Umsetzung dieser Sonder-Quarantäne wird dabei sowohl vom Landkreis als auch vom Unternehmen Weidemark selbst „engmaschig kontrolliert“, wie Landrat Marc-André Burgdorf (CDU) mitteilte. Ein Sprecher des Landrates erklärte, dass diese Kontrollen aufgrund der Arbeitsbelastung der Landkreisverwaltung allerdings nur stichprobenartig durchgeführt werden können, entweder durch persönliche Kontrollen oder durch Anrufe. Zudem arbeite man eng mit der Polizei zusammen. „Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Firma Weidemark ein sehr hohes Eigeninteresse daran hat, dass die Arbeitsquarantäne bestmöglich funktioniert und das Virus nicht von außerhalb in den Betrieb eingetragen wird“, erklärte der Landkreis-Sprecher.

Die Corona-Tests, die unter den Mitarbeitern ohnehin durchgeführt werden, werden zudem nun auf das private Umfeld der Beschäftigten ausgeweitet. Auf diese Weise soll eine mögliche Infektionskette frühzeitig erkannt und unterbrochen werden, am besten noch bevor sie in den Betrieb hineinreicht. Außerdem müssen die Schlachthof-Mitarbeiter nun verbindlich eine FFP2-Maske tragen, wenn sie sich auf dem Firmengelände befinden. Zusätzlich wird im Schlachtbetrieb mit baulichen Veränderungen reagiert. In allen Bereichen, die gekühlt werden, wurden spezielle Filteranlagen eingebaut. Bereits zuvor wurden die Abstände zwischen den Arbeitskräften verringert und die Umkleiden durch provisorische Anbauten erweitert. Ein erstes Infektionsgeschehen sei mit diesen Vorkehrungen bereits eingedämmt worden, erklärte der Landkreis.

Gewerkschaft nennt es „Freizeitquarantäne“

Vom Landkreis, dem zuständigen Gesundheitsamt sowie von Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann (SPD) wird das Konzept der Arbeitsquarantäne unterstützt. Aus „infektiologischer Sicht“ sei es tragfähig, erklärte etwa Landrat Burgdorf. Skeptisch blickt man hingegen bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) auf die Notlösung aus dem Emsland. Die NGG spricht von einer „Freizeitquarantäne“ statt von einer „Arbeitsquarantäne“ und will rechtlich dagegen vorgehen. Auch bei den Grünen im niedersächsischen Landtag findet man das Konzept fragwürdig. Immer wieder hatte Miriam Staudte, agrarpolitische Sprecherin der Fraktion, die üblen Arbeits- und Lebensbedingungen osteuropäischer Werksvertragsarbeiter in Schlachtbetrieben angemahnt, ebenso die übermäßige Ferkelproduktion in Niedersachsen. Sie kritisiert nun, man sei sehenden Auges in diese erneute Notsituation hineingeraten und habe zu lange versäumt, tatsächlich etwas an den Strukturen zu ändern.


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Agrarministerin wünscht sich in jedem Landkreis künftig einen Schlachthof


Der einfache Appell, die Ferkelerzeugung nun zu drosseln, wie ihn die Agrarministerin formulierte, reiche nicht aus. Stattdessen müsse es ein Programm geben, wie die Reduzierung „gemeinschaftlich und solidarisch“ organisiert werden könne, sagt Staudte im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Auch der von Otte-Kinast formulierte Wunsch, in jedem Landkreis solle es einen eigenen Schlachthof geben, sei eben nichts weiter als ein Wunsch.

 

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Am Wochenende haben Agrarministerin Otte-Kinast und Gesundheitsministerin Reimann eine „Arbeitsquarantäne“ für Schlachthofmitarbeiter*innen eingeführt. Bislang sind rund 200 Beschäftigte in einem Schlachtbetrieb in Sögel davon betroffen. Sie sind isoliert, dürfen nicht einmal zum Einkaufen ihre Wohnungen verlassen, aber müssen weiterhin zur Arbeit gehen. ? Wir haben bei der Landesregierung eine Unterrichtung beantragt, weil wir große Zweifel haben, dass Arbeitnehmer*innenrechte und Gesundheitsschutz bei dieser Maßnahme ausreichend berücksichtigt werden. Bislang verweigert die Landesregierung die Unterrichtung zu diesem Punkt.

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Staudte fordert daher ein weiteres Programm, mit dem kurzfristig die Schlachtkapazitäten im Land wieder hochgefahren werden, um den Druck aus den Großschlachtereien zu nehmen. Staudte schlägt dazu vor, man solle erst kürzlich stillgelegte Schlachtbetriebe wieder reaktivieren. Dazu sei es erforderlich, dass die Landkreise auf die Betriebe zugingen und finanzielle aber auch organisatorische Unterstützung zusagten. Es brauche etwa die Zusicherung, dass bei den Genehmigungsverfahren keine Steine in den Weg gelegt werden, sagte Staudte. Zudem brauche es langfristig eine Förderung, um den Anteil der Direktvermarktung bei Fleisch- und Milchwaren zu erhöhen, meint die Grünen-Politikerin.

Keine Unterrichtung im Landtag?

Was das Konzept der Arbeitsquarantäne betrifft, forderten die Landtags-Grünen eine Unterrichtung durch die Landesregierung in der heutigen Sitzung des Agrarausschusses. Sie wollen unter anderem wissen, ob die Quarantänebestimmungen nur für die ausländischen Werkvertragsarbeiter gelten oder auch beispielsweise für die Kreisveterinäre, die ebenfalls in dem Schlachthof ein- und ausgehen. Außerdem interessiert sie, ob die Arbeitnehmer überhaupt eine Möglichkeit hatten, sich gegen diese strengen Vorschriften zu wehren oder ob die einzige Alternative die Entlassung gewesen wäre. Auf die Tagesordnung der Sitzung haben es diese Fragen allerdings nicht geschafft. Nach aktueller Ankündigung wird sich Otte-Kinast nur zum Ampelsystem für Schlachthofschließungen sowie die Umsetzungsmöglichkeiten der Ferkelreduktion äußern.

Von Niklas Kleinwächter