Anwalt aus Niedersachsen, früherer Polizist aus Alfeld und Peiner Ärztin werden der Putsch-Pläne bezichtigt
In einer großen Polizeiaktion, die sich über elf Bundesländer erstreckte und bei der 3000 Beamte im Einsatz waren, sind am Mittwoch zahlreiche Wohnungen und Hallen durchsucht worden. 25 Männer und Frauen, die zum radikalen Zweig der „Reichsbürgerszene“ gerechnet werden, wurden festgenommen. Ihnen wird ein Umsturzversuch zur Last gelegt. Darunter sind nach Informationen des Politikjournals Rundblick drei Niedersachsen: Der ehemalige Polizist Michael F. (58) aus Alfeld (Kreis Hildesheim), der in der Querdenkerszene aktiv ist, die Ärztin Melanie R. aus Peine und der Anwalt Paul G. aus einer niedersächsischen Großstadt. Wie aus Ermittlerkreisen verlautet, kursierte auch eine geheime Kabinettsliste für die Zeit nach einem politischen Umsturz. Darauf soll R. als Gesundheitsministerin vermerkt sein und der Anwalt G. als Außenminister. Der Vorwurf des Generalbundesanwalts lautet, diese und 22 andere Beschuldigte seien „dringend verdächtig, sich in einer inländischen terroristischen Vereinigung betätigt zu haben“.
Sie hatten nach Darstellung des Generalbundesanwalts offenbar vor, die bestehende Staatsordnung zu stürzen und eine eigene an deren Stelle zu setzen. Neuer Regierungschef hätte dann der Frankfurter Immobilienunternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß (71) werden sollen, der sich seit Jahren in der Reichsbürgerszene bewegt. Zu den Mitarbeitern des „militärischen Arms“ dieses Netzwerkes gehört auch der frühere Kriminalhauptkommissar Michael F. (58) aus dem Kreis Hildesheim. Er soll zu einem Team gehört haben, das die Aufgabe hatte, weitere Unterstützer für die Verschwörung zu finden – und eventuell auch Waffen zu beschaffen.
Auch die Frage, wie eigene Truppen der Putschisten untergebracht und versorgt werden sollen, zählte angeblich zu seinen Aufgaben. F. ist in Niedersachsen kein Unbekannter, er hatte sich offenbar im Zuge der Corona-Proteste radikalisiert. Im Sommer 2020 trat der Polizist, damals noch im aktiven Dienst, während einer Kundgebung in Dortmund auf und schimpfte vehement auf die Corona-Schutzmaßnahmen. Daraufhin ging der Dienstherr, das niedersächsische Innenministerium, gehen ihn vor. Im April dieses Jahres kam es vor dem Verwaltungsgericht Hannover zu einem Prozess, an dessen Ende die Entlassung von F. aus dem Beamtenverhältnis und der Verlust seiner Pensionsansprüche standen.
Das Gericht entschied so, da F. in verschiedenen Äußerungen die Bundesregierung als „Regime“ bezeichnet und über angebliche geheime Pläne gesprochen hatte, Corona-Gegner in Bunkern zu internieren. Er hatte bei verschiedenen Gelegenheiten die Polizisten „Söldner“ genannt und die Gewaltenteilung in Deutschland geleugnet. In der Verhandlung im April vor dem Verwaltungsgericht Hannover suchte F. nach Ausflüchten und meinte, nur „Kneipengespräche weitergetragen“ zu haben.
Dass er in Alfeld seinen Personalausweis abgab, einen „Staatsangehörigkeitsausweis“ beantragte und als Herkunftsland „Preußen“ angab, begründete F. damals mit dem Wunsch nach Ausreise nach Curacao. Preußen sei als geographische Herkunftsbestimmung gemeint gewesen, ein „Reichsbürger“ sei er nicht, beteuerte er. Das Gericht glaubte ihm nicht. F. hatte zuletzt mehr als 8000 Follower auf seinem Telegram-Kanal, er versuchte auch, sich in der Partei „Die Basis“ zu engagieren – und er soll Verbindungen zur Organisation „Polizisten für Aufklärung“ gehabt haben, in der viele Gegner der Corona-Politik aktiv sind.
Über den niedersächsischen Anwalt G., der offenbar auf der Kabinettsliste als Außenminister einer Putsch-Regierung genannt wird, ist ein Bezug zur Reichsbürgerszene nicht bekannt. Er hat sich mit Internetrecht und Vergaberecht beschäftigt, auch mit Fragen der Datenschutz-Grundverordnung. Der promovierte Jurist hat intensiv zu staatlichen Abhörmaßnahmen geforscht – und er pflegt offenbar gute Kontakte in Wirtschaftskreise.
Nach Angaben des niedersächsischen Innenministeriums gibt es in Niedersachsen etwa 900 Menschen, die der „Reichsbürgerszene“ zugeordnet werden, also die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs nicht anerkennen. Etwa 50 von ihnen werden auch als „Rechtsextremisten“ eingestuft.
Dieser Artikel erschien am 08.12.2022 in der Ausgabe #219.
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
Jetzt vorbestellen