Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) hat um Verständnis dafür gebeten, dass nicht schon mit der neuen Corona-Verordnung weitgehende Lockerungen verbunden sein werden. In einem „Tourismus-Gipfel“ des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB) stellte sich der Minister den Fragen von 70 Bürgermeistern und Fremdenverkehrs-Managern. Dabei hob er hervor, dass es zumindest in einem Bereich von der kommenden Woche an wesentliche Änderungen geben wird: Für die Außengastronomie, also die Speise- und Schankwirtschaft unter freiem Himmel, soll ab Anfang Juni die Test-Pflicht aufgehoben werden – sofern die Inzidenz in dem jeweiligen Landkreis unter 50 bleibt. Allerdings werde die Testpflicht für die Bereiche in den überdachten Restaurants weiter bestehen bleiben.

Den „Tourismus-Gipfel“ leitete NSGB-Präsident Marco Trips mit einer kritischen Bestandsaufnahme ein. Zur Testpflicht sagte Trips, diese „gefällt den Leuten nicht“ und wirke abschreckend. Die Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe würden landesweit 300.000 Arbeitsplätze binden, die Wertschöpfung liege bei jährlich zwölf Milliarden Euro. Das Jahr 2020 habe teilweise erhebliche Umsatzrückgänge verursacht, die bis zu einem Rückgang der Übernachtungszahlen um 35 Prozent rankten – aber eben in manchen Bereichen auch Zuwächse. Trips sprach von erheblichen Verunsicherungen wegen der Lage in diesem Jahr.
Dazu passt eine aktuelle Umfrage der Industrie- und Handelskammer Niedersachsen bei den Tourismusbetrieben, nach der die Stimmung „noch nie so schlecht wie in diesem Frühjahr“ gewesen sei. Mehr als 77 Prozent der Betriebe hätten im April noch vom Stillstand ihrer Geschäfte berichtet, 13,3 Prozent fühlten sich von einer Insolvenz bedroht. Wegen des verspäteten Saisonstarts komme ein gravierender Fachkräftemangel hinzu. Klaus Rehkämpfer aus Bad Rothenfelde sagte in der NSGB-Konferenz, 2020 sei man „noch mit einem blauen Auge davongekommen“, für 2021 sehe man wegen der noch unklaren Hilfsangebote von Bund und Land düster.
Claudia Kalisch aus Amelinghausen beklagte sich über die 7-Tage-Testpflicht für Wohnmobil-Urlauber. „Ich habe für meine Gemeinde und das benachbarte Ilmenau zusammen sechs Polizisten, die sind zusammen für 30 Ortschaften zuständig. Im Ordnungsamt habe ich noch 1,5 Stellen. Wer soll in der Lage sein, die Einhaltung der Testpflicht zu kontrollieren?“ Jenny Menkhaus aus Hagen am Teutoburger Wald hält es für falsch, dass ein negatives Testergebnis nur 24 Stunden lang berechtige, die Gastronomie zu nutzen. „Warum nicht 48 Stunden? Dann könnte man sich beim Arbeitgeber am Freitag den Test holen und am Wochenende in Ruhe sein Bierchen trinken.“ An der Landesgrenze etwa zu NRW werde das zum Wettbewerbsnachteil, sofern dort die Regelungen großzügiger sind als in Niedersachsen. Ein anderes Problem sei, dass die Testangebote auf dem flachen Land viel schlechter seien als in Ballungsräumen.
Deutschland befindet sich noch immer im gesundheitspolitischen Verteidigungsfall.
Althusmann sagte, bei allem Verständnis für die Position der Tourismuswirtschaft dürfe man eines nicht vergessen: „Deutschland befindet sich noch immer im gesundheitspolitischen Verteidigungsfall“. Vor einem Jahr habe die Inzidenz bundesweit bei 7 gelegen, jetzt bei „knapp unter 50“. Daraus folge eine gewisse Vorsicht. Die anfangs verhängte und dann kurz vor Pfingsten vom OVG gekippte „Landeskinderregel“, wonach Urlaub in Niedersachsen nur niedersächsischen Bürgern gestattet werden sollte, habe er „von Anfang an nicht für klug gehalten“. Dies habe Niedersachsen „geschadet, aber auch genützt“, denn tatsächlich sei der Ansturm von Urlaubern so gebremst worden – „im Ergebnis haben wir niedrigere Inzidenzen“.
Was die bisher geltende Testpflicht für Gastronomie, Einzelhandel und Hotelübernachtungen angehe, könne man bei einer Inzidenz unterhalb von 35 von der Aufhebung ausgehen – aber vermutlich nicht schon ab Anfang Juni, sondern eher etwas später. Er habe schon „intensive Gespräche“ darüber mit Ministerpräsident Stephan Weil geführt.
Wenn nach dem Jahresabschluss 2020, der demnächst festgestellt wird, Geld übrig sein sollte, hält Althusmann eine Aufstockung der Wirtschaftshilfen für „vorstellbar“ – das betreffe Hygienekonzepte, Luftreinigungsanlagen, auch die Modernisierung von Hotels und Gaststätten. Das bisherige Programm im Umfang von 120 Millionen Euro sei „bereits ausgeschöpft“, die Kriterien des Bundesprogramms für Tourismus seien noch nicht klar.
Aus dem NSGB werden Rufe laut, touristische Gemeinden mit einem „Grundförderbedarf“ zu versehen – sie also bei der Verteilung der Mittel aus dem Kommunalen Finanzausgleich (KFA) besonders zu berücksichtigen. „Wir reden darüber“, sagte Althusmann, ohne aber eine Zusage zu treffen. „Das ist dann vielleicht eine Thema für die nächste Legislaturperiode des Landtags“, sagte NSGB-Präsident Trips.


