Allein unter Männern: Zwei Frauen über den Alltag mit der Polizeitechnik
Sabrina Scholz ist das Auge der Polizei. Sie arbeitet als Operator bei der Hubschrauberstaffel in Rastede und bedient bei Einsätzen die Kamera. Ihre Perspektive ist der Grund, weshalb der Hubschrauber überhaupt angefordert wird. „Wir werden zum Beispiel alarmiert, wenn Suizidgefährdete gefunden werden müssen oder Einbrecher in ein Gebiet flüchten, das mit Streifenwagen nicht oder nur schlecht zu erreichen ist.“ Während der Hubschrauber über der Landschaft kreist, beobachtet Scholz das Gelände durch die Bilder, die ihr eine der Kameras unter dem Cockpit des Hubschraubers zeigt. Mit der Tageslichtkamera kann sie etwa noch aus zwei Kilometern Entfernung ein Nummernschild lesen. „Und die Wärmebildkamera, die nachts zum Einsatz kommt, ist so scharf, dass ich 500 Meter unter uns eine Katze erkennen kann, die sich gerade am Ohr kratzt.“
„Da ist kein Platz für Gezicke“
Dass Scholz als Operator bei der Polizei arbeitet, ist nicht selbstverständlich. Denn zum einen ist sie keine Polizistin, sondern Tarifbeschäftigte, zum anderen ist sie unter 15 Männern die einzige Frau. „Letzteres ist aber überhaupt kein Problem. Ich bin vom ersten Tag an gut aufgenommen worden.“ Vor allem, weil die Hubschrauberstaffel ein Team ist, jeder muss sich auf den anderen verlassen. „Ich bin im Cockpit auf den Piloten und den Fluggerätemechaniker angewiesen und sie auf mich. Da ist kein Platz für Gezicke, denn der Erfolg des Einsatzes hängt davon ab.“ Doch es dürfte auch an ihrer Persönlichkeit liegen, dass die Kollegen sie gleich in ihren Kreis aufgenommen haben. Als 18-Jährige hat sich Scholz vier Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet und bei den Fallschirmjägern gedient: „Wenn schon, denn schon.“ Sie sprang aus Flugzeugen, fuhr mit dem Leopard II-Panzer durch die Gegend und war 2008 in Afghanistan im Einsatz. „Nur mit Männern zu arbeiten ist deshalb für mich ganz normal.“
Doch dann kam der Bruch. Bei der Bundeswehr konnte sie nicht bleiben, und weil sie Tiere ebenso mag wie Technik, endschied sie sich für eine Ausbildung zur Verkäuferin im Tierbedarfshandel. „Das hat auch Spaß gemacht, aber nach einigen Jahren kamen die Zweifel. Ist das wirklich das Richtige für mich? Will ich das den Rest meines Lebens machen?“ Die Antwort lautete schließlich: Nein. Doch statt sich einen anderen Job zu suchen, ging Scholz noch einmal ein Risiko ein. Sie begann bei der Bundeswehr eine Ausbildung zur Fluggerätemechanikerin; dieses Mal als Zivilistin. „Finanziell war das natürlich eine extrem herausfordernde Zeit, ich musste nebenbei Taxi fahren, um mir mein Leben zu finanzieren.“ Und auch die Ausbildung war nicht leicht. „Mathe und Physik waren schon immer meine Feinde. Doch ich habe mich durchgebissen und konnte die Ausbildung sogar verkürzen. Das hat mir gezeigt, dass alles möglich ist, wenn man nur will.“ Seit einem dreiviertel Jahr ist sie nun bei der Hubschrauberstaffel Rastede, führt die Kamera und wartet die Hubschrauber. „Mit 32 Jahren bin ich hier eine der Jüngsten, aber das wird sich bald ändern. Und zum Jahresende werden wir zwei Frauen im Team sein.“
„Ich muss die Waffen trotzdem genau kennen.“
Auch Dina Wekesser ist Zivilistin und die einzige Frau in einer Abteilung voller Männer. Allerdings müssen diese auch alle auf ihr Kommando hören. Denn Wekesser ist Leiterin der Abteilung für Waffen- und Einsatzmittelmanagement bei der Zentralen Polizeidirektion. Sie ist zuständig für die sechs Werkstätten im Land, in denen die Waffen und Einsatzgeräte der Polizei gereinigt, gewartet und repariert werden. „Mit 80 Prozent ist der Löwenanteil tatsächlich Waffen wie Pistolen und Gewehre, aber wir reinigen etwa auch Schutzanzüge und Atemmasken und kalibrieren die Alkoholtestgeräte.“ Die Arbeit erledigen 24 Waffenmechaniker, Wekesser schraubt selbst nicht an den Waffen. „Aber ich muss sie trotzdem genau kennen, weil ich hin und wieder eine auseinander bauen und beurteilen muss, wenn es damit Probleme gab.“
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Mit Waffen hatte die 33-Jährige vorher aber gar nichts zu tun. Vor zehn Jahren kam die gebürtige Russin nach Deutschland, studierte hier an der Hochschule Allgemeinen Maschinenbau. Nebenbei arbeitete sie als studentische Hilfskraft bei einem großen Konzern und richtete Maschinen und Anlagen nach ergonomische Kriterien ein. „Die Verträge waren aber immer befristet und ich wollte endlich etwas Langfristiges.“ Mitten in ihrem Masterstudium zum Prozessingenieur und Produktionsmanagement fand sie plötzlich die Stellenanzeige der Polizei für die Leitung der Waffenwerkstatt. „Das hat mich gleich angesprochen.“ Und obwohl sie keine Erfahrung in der Teamführung hatte, bekam sie die Stelle.
„Eine Frau als Chef sind die Waffenmechaniker gewohnt“
„Ich habe mich da sehr schnell hineingefunden. Diese Verbindung zwischen Technik und Kommunikation liegt mir einfach.“ Darin sieht sie auch einen maßgeblichen Grund, warum die männlichen Kollegen sie als Außenstehende schnell akzeptierten. Denn vor Wekesser leitete ebenfalls eine Frau den Bereich. „Eine Frau als Chef sind die Waffenmechaniker gewohnt. Aber sie sind ergebnisorientiert. Deshalb habe ich ihnen von Anfang gezeigt, dass ich für sie Ergebnisse einbringen will und kann.“ So nahm sie sich schon bald nach ihrem Dienstantritt im April 2017 den Personalbedarf vor, berechnete und verglich. Und hatte Erfolg. Fünf neue Stellen sind genehmigt worden. Dazu gibt es mehr Geld, um neue Werkbänke anzuschaffen und die Werkstätten zu modernisieren. „Die Mitarbeiter sehen, dass sich was bewegt. Das schafft Vertrauen.“
Von Isabel Christian