Wird die Pendlerpauschale abgeschafft, wenn demnächst SPD, Grüne und FDP die nächste Bundesregierung stellen? Die niedersächsische CDU hegt diesen Verdacht, und so meldete ihre Fraktion eine aktuelle Landtagsdebatte darüber an.

„Der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), einer Bundesbehörde, hat am 28. Oktober gefordert, von 2027 an diese Entfernungspauschale abzuschaffen. Damit hat er sich schamlos in die beginnenden Koalitionsverhandlungen eingemischt“, sagte der CDU-Finanzpolitiker Ulf Thiele. Hinter der Aussage stecke „ein Angriff auf Millionen von Pendlern in Niedersachsen“ die gar nicht anders könnten, als mit dem Auto oder mit Bussen und Bahnen zur Arbeit zu kommen. Dem CDU-Vorstoß wurde indes geschlossener Widerstand entgegengesetzt von Sprechern der SPD, der Grünen und der FDP. Sie alle beteuerten, dass niemand in Berlin plane, diese Pauschale anzufassen. „Das ist ein Getöse. Sie schaffen ein Gespenst, um es dann anschließend mit Vehemenz vertreiben zu können“, entgegnete Julia Hamburg (Grüne).
Die CDU brachte das Thema auch deshalb auf die Tagesordnung, weil die Benzinpreise derzeit in die Höhe klettern und viele Menschen erheblich mehr Geld als sonst fürs Tanken ausgeben müssen. Oder deshalb, weil die Christdemokraten ein knappes Jahr vor der Landtagswahl eine Profilierung brauchen und sich allmählich von der SPD abgrenzen wollen? CDU-Landeschef und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hatte erst vor wenigen Tagen vorgeschlagen, die Pendlerpauschale wegen der Lage an den Tankstellen sogar anzuheben. In die aktuelle Landtagsdebatte griff Althusmann jetzt noch einmal mit einem sehr leidenschaftlichen Beitrag ein. Er betonte, auf Seite 11 des Sondierungspapiers von SPD, Grünen und FDP sei von der „Streichung überflüssiger Subventionen“ die Rede – und die Landesregierung werde später sehr genau darauf aufpassen, dass hier „am Ende keine Politik zu Lasten der Menschen im ländlichen Raum herauskommt“. Zugleich nutzte der Wirtschaftsminister die Chance, eine Neupositionierung der CDU anzukündigen. Er freue sich darauf, betonte Althusmann, „die künftigen Bundesminister an ihren Worten und vor allem an ihren Taten messen zu können“. Es ende dann der Zustand, „immer mit dem Finger nur auf die Minister der SPD und vor allem auf die der CDU zu zeigen“.
Warum die CDU nun gerade die Pendlerpauschale erwähne, begründete Thiele mit einem juristischen Einwand: Längst sei höchstrichterlich entschieden, dass ein Arbeitnehmer die Aufwendungen für den Weg zur Arbeit steuerlich geltend machen können. Da für den Maßstab nur die Entfernung entscheidend sei, nicht die Wahl des Verkehrsmittels, würden Autofahrer oder Alleinfahrer auch nicht bevorzugt. Thiele sieht bei den Kritikern der Pauschale „einen ideologischen Angriff auf den Individualverkehr“, aber es werde im Flächenland Niedersachsen auch künftig noch viele Menschen geben, die mit ihrem Auto zur Arbeit fahren – oft auch deshalb, weil sich wegen der geringen Fahrgastzahlen ein Busangebot nicht in allen Gegenden rechne. Der SPD-Finanzpolitiker Frank Henning meinte, „die SPD als Partei der Arbeitnehmer“ werde an der Pendlerpauschale festhalten – auch weil die Abschaffung familienfeindlich wäre, denn dann müssten bisherige Pendler am Arbeitsort wohnen, die Zahl der getrennten Haushalte würde zunehmen. Henning meinte, mit „umweltschädlichen Subventionen“ sei eher etwas anders gemeint – ein Dienstwagen-Privileg etwa, die Förderung von Hybridfahrzeugen oder die Begünstigung von tierischen Lebensmitteln bei der Mehrwertsteuer.
„Die Ampel-Phobie ist bei der CDU im Landtag allgegenwärtig.“
Detlev Schulz-Hendel
Henning hatte die Verwunderung über die von der CDU angezettelte Debatte noch in eine Frage gekleidet: „Was will unser Koalitionspartner uns damit sagen? Ich weiß es nicht.“ Grüne und FDP wurden an dieser Stelle deutlicher. Detlev Schulz-Hendel (Grüne) sagte: „Die Ampel-Phobie ist bei der CDU im Landtag allgegenwärtig.“ Die Christdemokraten seien von der Angst getrieben, auch in Niedersachsen bald in die Opposition verbannt zu werden. Althusmann stehe beim Ausbau des ÖPNV „auf der Bremse“ (der Zwischenruf aus der CDU kam prompt: „Sie haben das Pedal verwechselt, es ist das Gas“). Jörg Bode (FDP) meinte, bei der CDU einen „Trennungsschmerz“ angesichts des Endes der Großen Koalition im Bund bemerkt zu haben. Zugleich wies er den Verdacht zurück, die Freien Demokraten würden gegenüber sozialdemokratischen Ministern jetzt „eine besondere Milde“ zeigen. Was die UBA-Forderung zur Pendlerpauschale angeht, zeigte sich Bode irritiert. Diese Behörde trage solche Gedanken schon seit Jahren vor, „ohne dass die CDU das besonders aufgeregt hätte“. Das Umweltbundesamt werde ohnehin nicht sonderlich ernst genommen, so spreche es sich etwa für ein Ende des sozialen Wohnungsbaus aus. „Das ist zum Beispiel etwas, das hier niemand will.“ Bode kam zu dem Schluss, die von der CDU angezettelte Debatte sei ein „Sturm im Wasserglas“.