Ärger über OVG-Beschluss: Landesregierung bewertet Corona-Lage als „sehr ernst“
Vor Gericht und auf hoher See sind Vorhersagen über bestimmte Entwicklungen so gut wie unmöglich, lautet ein Sprichwort. Doch was die Corona-Politik angeht, die regelmäßig durch strenge Verordnungen bestimmt wird, schaut die Landesregierung stets mit einer gewissen Besorgnis nach Lüneburg. Jetzt wieder. Am vergangenen Donnerstag hat der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichtes (OVG), der für das Infektionsschutzrecht zuständig ist, die eine Woche zuvor verfügte 2G-Regel für den Einzelhandel in Niedersachsen gekippt. Damit können ab sofort wieder ungeimpfte Personen, die gemeinhin als besonders gefährliche Überträger der Corona-Ansteckung gelten, Zutritt zu den Geschäften bekommen.
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bewertete das am Freitag mit sehr ernsten Worten: „Ich habe nicht die Absicht, eine Urteilsschelte zu betreiben. Aber es fällt schon auf, dass das OVG Lüneburg die 2G-Regel verworfen hat, während gleichzeitig das OVG in Schleswig die Entscheidung bestätigt hat“, sagte der SPD-Politiker. Im Ergebnis sei Niedersachsen jetzt „das einzige Bundesland, in dem 2G nicht mehr gelten soll“. Dies sei aus seiner Sicht ein falsches Signal in dieser Situation. „Ich habe den Eindruck, dass wir nicht nur in Schwierigkeiten sind, sondern uns noch viel größere Schwierigkeiten bevorstehen“, sagte Weil. Die Omikron-Variante werde Anfang des neuen Jahres Deutschland viel härter treffen und das Gesundheitssystem viel stärker belasten als in den vergangenen Jahren. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der am Freitag Hannover besuchte, unterstützte das: „Diese Entscheidung des Gerichts ist weder epidemiologisch noch gesundheitspolitisch sinnvoll.“
FFP2-Masken-Pflicht ersetzt 2G im Einzelhandel
Am vergangenen Wochenende haben nun verschiedene Gremien der Landesregierung, unter anderem auch der Koalitionsausschuss, über die Folgen aus dem Urteil und über die aktuelle Corona-Situation beraten. Lauterbach erklärte in Hannover, die Omikron-Variante sei viel ansteckender als die früheren. Der mutmaßliche mildere Verlauf werde dadurch aufgezehrt, dass es viel höhere Fallzahlen geben werde – damit auch eine stärkere Belastung der Krankenhäuser. Am Samstag kündigte die Landesregierung an, dass als Reaktion auf die Lüneburger OVG-Entscheidung ab Dienstag eine FFP2-Maskenpflicht im Einzelhandel gelten soll. Dabei werde es keine Unterscheidung zwischen Geschäften des täglichen Bedarfs und anderen Einzelhandelsgeschäften geben. „Lediglich Beschäftigte des Einzelhandels, die durch Abstand und Aerosolbarrieren geschützt sind, können statt der FFP2-Maske auch weiterhin eine medizinische, sogenannte ‚OP-Maske‘ tragen“, heißt es. Es droht unterdessen noch eine weitere Gerichtsentscheidung aus Lüneburg – gegen die sogenannte „Weihnachtsruhe“, ein Verbot von Tanzveranstaltungen und größeren Treffen zwischen Heiligabend und Neujahr, hat es auch Klagen gegeben. Für Anfang dieser Woche wird der Richterspruch erwartet.
OVG Lüneburg könnte auch „Weihnachtsruhe“ kippen
Das lenkt einmal mehr den Blick zum 13. Senat des OVG in Lüneburg unter Vorsitz des Richter Alexander Weichbrodt und seines Stellvertreters Olaf Schütz. Dritter Richter ist Alexander Rädke. Die drei Juristen sind in Regierungskreisen bekannt dafür, zuweilen auch drastische Entscheidungen zu treffen, die in der Regierung für Kopfschütteln sorgen. Das war schon so, als etwa vergangenen April die Ausgangssperre der Region Hannover gekippt wurde. Kritiker meinen, die Richter würden die individuellen Grundrechte der Kläger immer wieder sehr hoch gewichten, die Aspekte des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung aber zu gering schätzen. Im jüngsten Beschluss vom 16. Dezember warfen die Richter der Regierung vor, die von ungeimpften Personen ausgehenden Gefahren zur Verbreitung der Omikron-Variante nicht ausreichend dargelegt zu haben. Pörksen widersprach vor Journalisten und meinte, die Erwiderung auf Fragen des Gerichts seien in einem 17 Seiten starken Statement untermauert worden. Ministerpräsident Weil kündigte an, im Vorfeld der OVG-Entscheidung zur „Weihnachtsruhe“ habe die Landesregierung das Gericht gebeten, Wissenschaftler in einer Verhandlung anzuhören, damit diese dort die Ansteckungsgefahren verdeutlichen könnten.
3000 Verstöße gegen Maskenpflicht: Bei Polizeikontrollen in Bussen und an Haltestellen sind unlängst von der Polizei 21.000 Fahrgäste überprüft worden – 3000 Verstöße gegen die Maskenpflicht wurden ermittelt, zudem 150 Verstöße gegen die 3G-Regel, also die Pflicht für Ungeimpfte, einen Testnachweis vorzulegen.
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