Abschieben nach Syrien? AfD ist dafür, alle anderen Parteien lehnen es ab
Der Umgang mit den Flüchtlingen teilt die Geister in der Landespolitik. Die AfD hat gestern im Innenausschuss des Landtags einen Antrag zur Abstimmung gestellt, der Abschiebungen von Menschen ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland nach Syrien befürwortet. „Der syrische Außenminister hat erklärt, man sei bereit dazu. Aus der Türkei sind auch schon 260.000 Menschen nach Syrien zurückgekehrt. Deshalb spricht nichts dagegen, wenn wir wenigstens die islamistischen Gefährder dorthin zurückbringen“, sagte der AfD-Innenpolitiker Jens Ahrends. Bei den anderen Fraktionen allerdings wird die Situation anders beurteilt. „Entscheidend ist die Sicherheitslage in Syrien, die vom Auswärtigen Amt in Berlin eingeschätzt wird. Die dortigen Hinweise sind klar, die Sicherheit ist nicht gegeben“, sagte Sebastian Lechner (CDU). Doris Schröder-Köpf (SPD) meinte, die Rückführung von Menschen nach Syrien sei „gegenwärtig ausgeschlossen“, im halbjährlichen Abstand würde die Lage aber neu eingeschätzt. Nach Ansicht von Belit Onay (Grüne) liegt die gegenwärtig zu beobachtende Rückkehr vieler Menschen aus der Türkei daran, dass es sich um solche handele, die ins Grenzgebiet ausgewichen waren und sich nun wieder in ihre alte Heimat vorwagten. Tatsache sei aber, dass in Syrien „vermutlich die Folterkeller voll sind“ und nach der Stärkung des Assad-Regimes keineswegs eine Beruhigung der Lage zu erwarten sei. Auch Jan-Christoph Oetjen (FDP) teilt ausdrücklich die skeptische Bewertung der Situation in Syrien.
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Die Grünen legten im Innenausschuss einen eigenen Vorstoß für eine neue Akzentuierung der Flüchtlingspolitik vor. Auch dieser erhielt in dem Gremium allerdings keine Mehrheit. Die Grünen sprechen sich dafür aus, ein eigenes Landesprogramms zur Aufnahme von Flüchtlingen – vor allem aus dem Mittelmeerraum – zu starten. Die zwischen der EU und der Türkei getroffene Vereinbarung sei keine zufriedenstellende Basis – „die EU hat sich damit doch nur von ihrer Verantwortung für den Schutz der Menschen freigekauft“. Die dortigen Lager, in denen Flüchtlinge leben, bezeichnete Onay mit den Worten „Freiluftgefängnisse“. In Libyen sei die Situation noch schlimmer. Der CDU-Abgeordnete Lechner erklärte, dass die Oktober-Zahlen der Flüchtlinge, die in Griechenland, Spanien und Italien angekommen sind, auf einem sehr niedrigen Niveau lägen. Der Druck, ein Aufnahmeprogramm zu starten, sei also derzeit nicht gegeben. Für sinnvoll und angemessen halten es er und die SPD-Politikerin Doris Schröder-Köpf aber, das Flüchtlingshilfswerk UNHCR, das vor Ort Unterstützung leistet, von deutscher Seite stärker zu bezuschussen. „Unterfinanziert“ sei diese Institution, beklagt Schröder-Köpf. Auch der AfD-Abgeordnete Ahrends stimmt dieser Forderung zu: Er verstehe nicht, warum Deutschland (wie fast alle EU-Länder) 2015 die Förderung von jährlich 301 Millionen auf 143 Millionen Euro gekürzt habe. „Das sollte wieder auf das alte Niveau kommen.“
Im Innenausschuss hat das Innenministerium auch über absehbare Änderungen für das Bleiberecht berichtet, wenn das aktuelle Konzept des Bundes für ein „Fachkräftezuwanderungsgesetz“ Realität werden sollte. 17.000 Menschen in Niedersachsen werden derzeit geduldet, leben also seit rund drei Jahren hier trotz eines abgelehnten Asylantrags. Jetzt geht es um die Frage, inwieweit junge Menschen, die trotzdem eine Ausbildung begonnen haben oder einen Beruf ausüben, hier bleiben können. Bisher ist eine Grenze bei 21 Jahren, ein mindestens vierjähriger Aufenthalt in Deutschland muss gegeben sein. Künftig soll man bis 27 bleiben können, die älteren müssen aber mindestens acht Jahre schon hier wohnen. Die Betroffenen sollen künftig zudem selbst mitwirken können, damit ihre Identität schnell und klar festgestellt werden kann – und zwar binnen eines halben Jahres. Andreas Ribbeck vom Innenministerium erklärt, dass damit die Hürde zu Beginn des Arbeitsprozesses etwas höher liege – denn bisher wurde die Identitätsklärung in der Praxis geringer gewichtet. Wenn künftig das Asylverfahren negativ beendet wurde, soll zunächst die Rückführung geprüft werden, im zweiten Schritt wäre dann ein Bleiberecht denkbar. Sobald die Duldung aber beschlossen ist, soll sie künftig umfassender wirken als bisher.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #214.