Wie es nun weitergehen soll mit der Nord/LB - das steht immer noch in den Sternen. Vor der Sommerpause war die Hartnäckigkeit des Streits zwischen den verschiedenen Trägern offenkundig geworden: Die eine Seite will die Landesbank weiterentwickeln, befürwortet dafür die Anschaffung einer neuen „Banksteuerung“. Das Land Niedersachsen und der Sparkassenverband Niedersachsen (SVN) sind sich in dieser Frage einig, das Land Sachsen-Anhalt ebenfalls.

Auf der anderen Seite steht die versammelte Gemeinschaft aller Sparkassenorganisationen und der Landesbanken, die einen Anteil von mindestens 20 Prozent an der Nord/LB halten – und damit die Sperrminorität haben. Ihre Beteiligungsgesellschaften tragen den Namen „Fides“. Nun weigert sich „Fides“ seit Monaten, das grüne Licht für die Anschaffung einer neuen Banksteuerung zu geben. Das ging sogar so weit, dass Ministerpräsident Stephan Weil im Mai mit dem Ende der Kooperation drohte. Seither rätseln alle, wie der Streit wohl gelöst werden soll.

Doch trotz all der Blockaden: Die Entscheidung über den künftigen Weg der Nord/LB rückt nun nach Informationen des Politikjournals Rundblick näher. In der zweiten Septemberhälfte treffen sich die Gremien und wollen endlich einen Weg finden – trotz der gegensätzlichen Interessen. Die Niedersachsen wollen eine starke Landesbank, die an der Seite der niedersächsischen Sparkassen steht und sich in vielen Feldern wie den Erneuerbaren Energien profilieren kann.
Die Gemeinschaft der anderen Sparkassen indes sieht in einer zu starken Nord/LB einen lästigen Konkurrenten. Sie würden die Norddeutsche Landesbank lieber schrumpfen – und auch die dort integrierte Braunschweigische Landessparkasse (BLSK) herauslösen. Diese Abtrennung hätte zwei Effekte, die aus Sicht der Sparkassen und Landesbanken außerhalb Niedersachsens wohl von Vorteil wären: Zum einen würde die Nord/LB gestutzt und in ihrer Marktbedeutung geschmälert werden, zum anderen wäre eine Nord/LB ohne BLSK ein Kreditinstitut, das nicht mehr in der Gemeinschaft der Sparkassenfamilie bleiben müsste (und von dem man sich irgendwann später dann auch wieder leichter trennen könnte).
Wie kann nun ein Kompromiss aussehen? Nach Rundblick-Informationen haben beide Seiten im Juli einen gemeinsamen Zeitplan aufgestellt: Die Fides-Gruppe will im September der Anschaffung der neuen Bank-IT im Umfang von rund 500 Millionen Euro zustimmen – wenn im Gegenzug drei Bedingungen erfüllt sind. Erstens muss ein „Meilensteinkonzept“ entwickelt und präzisiert werden – also ein Entwicklungskonzept für die neue Banksteuerung der Nord/LB, um das Großprojekt für die Trägerseite abzusichern. Zweitens sollen die Parameter der Bilanzsumme, der Ertragslage und der Risikolage verankert werden. Und drittens, dies ist der wohl heikelste Punkt, soll die Variante einer Abspaltung der BLSK aus der Nord/LB konkret geprüft und analysiert werden.
Diese drei Vorgaben sind nun einerseits sehr weit gefasst – und lassen damit für die entscheidende Sitzung im September viele Varianten zu, auch einen großen Knall zum Abschied. Sollten die Fides-Gesellschaften ihre Blockadehaltung fortsetzen wollen, könnten sie schnell einen Ansatzpunkt finden und die Trennung herbeiführen. Andererseits aber war ja im Juli schon eine grundsätzliche Verständigung erzielt worden, sodass die begründete Hoffnung besteht, den Dauerkonflikt im September endlich lösen zu können.

Was aber heißt das nun für die BLSK? Ende Juni war schon bekanntgegeben worden, dass der künftige BLSK-Bankvorstand von Januar 2024 an eigenständig über Personal- und Budgetfragen entscheiden darf und nicht mehr – wie bisher – alle Schritte mit der Nord/LB-Zentrale abstimmen muss. Mit Spannung darf nun erwartet werden, welche konkreten Varianten der „Prüfauftrag“ im September dann mit welcher Zeitperspektive versieht: Könnte die BLSK vollständig aus der Nord/LB ausgegliedert werden – aber weiterhin im Eigentum der Nord/LB bleiben?
Das hätte den Vorteil für die Landesbank, dass sie die Einlagen der BLSK von 5 bis 6 Milliarden Euro für die Refinanzierung nutzen kann. Beobachter verweisen auf das Modell in Hessen: Dort ist die Landesbank Helaba eng mit der Frankfurter Sparkasse verwoben, und zwar zum beiderseitigen Nutzen. Die Frage ist nur, ob die Fides-Gesellschaften mit einem solchen Modell auf Dauer einverstanden wären, denn ihnen schwebt ja eine Schwächung der Nord/LB vor.
Wie aber könnte nun die BLSK-Struktur aussehen, wenn die Fides-Gesellschaften auf der Herauslösung aus der Landesbank bestehen? Öffentlich diskutiert wurde die Variante, die Fides-Gruppen könnten direkt die BLSK übernehmen. Das aber wäre für Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD), seinen Kollegen Frank Klingebiel (CDU) aus Salzgitter und die Landräte von Wolfenbüttel, Holzminden und Helmstedt kein Vorteil gegenüber der Ist-Situation – denn dann läge die Entscheidungsgewalt räumlich noch weiter entfernt als bisher in der hannoverschen Nord/LB-Zentrale.
Die fünf Verwaltungschefs drängeln aber seit Jahren, dass sie die BLSK „in die kommunale Hand“ bekommen wollen. Geld genug, die BLSK aus der Nord/LB herauszukaufen, hätten die fünf Kommunen wohl nicht – und eine Kreditaufnahme könnte mit den strengen Vorgaben der Kommunalaufsicht im niedersächsischen Innenministerium kollidieren.

Der SVN als Kopforganisation der niedersächsischen Sparkassen käme wohl kaum in Betracht als BLSK-Träger, denn die Führung einer eigenen Sparkasse vertrüge sich schlecht mit einer Interessenvertretung für alle anderen 39 niedersächsischen Sparkassen. So könnte es Misch-Modelle geben, etwa die vorübergehende Eigentümerschaft bei der Nord/LB mit einer perspektivischen Übernahme durch die fünf Kommunen in zehn Jahren – verknüpft mit der Übertragung der IT-Steuerung der BLSK an eine andere niedersächsische Sparkasse, etwa die in Hannover oder die Sparkasse Hildesheim/Goslar/Peine. Dies könnte auf dem Weg eines „Geschäftsbesorgungsvertrages“ geschehen. Man darf gespannt sein, auf welche Lösung sich die Nord/LB-Träger im September festlegen werden.
Im Übrigen zeichnet sich inzwischen auch näher ab, wie es zu der Eskalation im Streit um die Zukunft der Nord/LB gekommen ist. Tatsächlich haben sich die beiden Seiten verhakt in der Debatte über die Anschaffung einer neuen IT-Steuerung. Dass es so weit gekommen ist, hat aber auch mit einer Panne zu tun, für die die Nord/LB-Führung offenbar nichts kann. 2020 war die Entscheidung für eine neue Banksteuerung schon mal gefallen, der Auftrag ging damals an die Firma Sopra Steria. Doch es soll zu Komplikationen gekommen sein, der Auftrag wurde nicht erfüllt. Beide Seiten kamen überein, den Vertrag aufzulösen – und die Nord/LB musste erneut auf die Suche gehen.
Im zweiten Versuch wollte die Landesbank die Aufstellung umfassender angehen und weitere Bereiche der Regulatorik einbeziehen, das Auftragsvolumen wurde auch größer. Das weckte dann erst das Misstrauen und später den Widerstand aus den Fides-Gesellschaften. Ohne die Vorgeschichte des gescheiterten ersten Versuchs wäre der Streit womöglich gar nicht eskaliert.