20 Mitarbeiterstellen sind gefährdet: Verbraucherzentrale rügt Regierung
Eigentlich hatte die Niedersächsische Verbraucherzentrale (VZN) gestern in einer Bilanz auf das vergangene Jahr blicken wollen, stattdessen ging es um die Zukunft. Im Haushaltsentwurf der Landesregierung sei der Verbraucherschutz von Kürzungen betroffen, behauptet die Organisation. Insgesamt 2,1 Millionen Euro würden durch Streichungen wegfallen, befürchten sie.
Niedersachsens Verbraucherzentrale bilde damit das Schlusslicht bei der Finanzierung im Vergleich zu anderen Bundesländern. Zeitgleich aber sei die Nachfrage nach Beratungen steigend. Rund 174.000 Verbraucher ließen sich im vergangenen Jahr beraten, ein Plus von zehn Prozent. Die Folge von nicht ausgeweiteten Landeszuschüssen: Außenstellen drohen abgebaut zu werden, etwa ein Sechstel aller Beschäftigten wäre von einer Kündigung betroffen. „So eine Situation habe ich mir nicht vorgestellt. Ich muss rund 20 Mitarbeiter entlassen und kann nichts dagegen tun“, sagt der VZN-Vorstandsvorsitzende Randolph Fries.
„Was ist dieser Landesregierung eigentlich noch der Verbraucherschutz wert?“
Randolph Fries
Der Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes Hannover, der ehrenamtlich bei der VZN tätig ist, zeigte sich zutiefst erschüttert vom Haushaltsentwurf der Landesregierung: „Was ist dieser Landesregierung eigentlich noch der Verbraucherschutz wert?“ Angesichts eines Nachtragshaushalts für 2022/23 von einer Million Euro und eines klaren Bekenntnisses zum Thema Verbraucherschutz im Koalitionsvertrag hätte er zumindest damit gerechnet, dass der Status quo aufrechtgehalten werden würde.
So heißt es in der Vereinbarung von SPD und Grünen, dass man den Verbraucherschutz als Ganzes stärken wolle: „Hierfür wollen wir (…) die institutionelle Förderung mindestens auf den bundesweiten Durchschnittswert aller Verbraucherzentralen pro Einwohner anheben.“ Dieser liegt bei 60 Cent pro Einwohner, Niedersachsen drohe nach den aktuellen Beschlüssen, soweit erkennbar, aber 25 Cent pro Einwohner zu erhalten. „Damit fallen wir jetzt zurück auf den Stand von vor zehn Jahren. Nur hat das Geld nicht mehr den Wert von vor zehn Jahren“, sagt Fries.
Die im Haushaltsplan zu erwartenden 500.000 Euro würden vermutlich gerade einmal die Kosten der voraussichtlichen Tarifsteigerungen ab 2024 decken. „Es gibt keine Verbraucherzentrale in der Bundesrepublik, die schlechter finanziert wird als die in Niedersachsen“, sagt Fries. In Nordrhein-Westfalen stünden im Haushalt für den Verbraucherschutz 50 Millionen Euro, so VZN-Geschäftsführerin Petra Kristandt. Das Nachbarbundesland stoße deshalb häufiger Projekte an, woran sich dann die anderen finanzschwächeren Bundesländer beteiligen können. Ein Beispiel ist ein „Fake-Shop-Finder“, mit dem Verbraucher vor dem Online-Kauf die Seriosität der Website testen können.
Von den Kürzungen betroffen seien unter anderem Projektförderungen in Höhe von mehr als einer Million Euro, die teilweise nicht mehr fortgesetzt werden sollen. Darunter eine Unterstützung des ländlichen Raums, über die etwa die Außenstellen in Celle, Aurich und Göttingen finanziert werden konnten. Auch die Förderung für das Projekt „Energiepreise“ entfalle, mit dem bisher unter anderem ein Teil der Energierechtsberatungen finanziert wurde, etwa die Energierechts-Hotline.
Dabei ist Beratungsthema Nummer eins der Energiebereich mit rund 33.000 Auskünften. „Im ersten Halbjahr 2023 hatten wir dazu bereits 20.000 Beratungen“, sagt Kristandt. Inwiefern man die Angebote auch ohne Förderung weiterführen kann, sei nun zu prüfen. Die Verbraucherzentrale hat angekündigt, einen Protestbrief an die Landesregierung zu schreiben. Ein schnelles Handeln sei nun entscheidend, um die gut ausgebildeten Beschäftigten nicht zu verlieren. VZN-Vorstandsvorsitzender Fries sagt: „Wenn ich hier Mitarbeiter wäre, würde ich jetzt Montag anfangen, Bewerbungen zu schreiben.“
Dieser Artikel erschien am 07.07.2023 in der Ausgabe #125.
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