Das neue Buch von Rolf Zick trägt den Titel „Der letzte Zeitzeuge“ – und es ist ganz vordergründig und prägend das, was man von diesem Werk auch erwartet hatte. Der langjährige Journalist und Publizist, der im April 100 Jahre alt geworden ist, hat alle niedersächsischen Ministerpräsidenten, die seit 1946 im Amt waren, persönlich gekannt – „mit ihnen gesprochen, mit ihnen Kaffee getrunken und mit einigen von ihnen auch gesoffen“, wie der Autor es selbst sagt.

Das war das Erwartbare bei Rolf Zick, der in den vergangenen Jahren immer wieder Bücher über die Landesgeschichte geschrieben hat. Es waren keine wissenschaftlichen Werke, sondern Berichte seiner Erlebnisse und Einschätzungen – geprägt durch die Begegnungen, die er vor allem als langjähriger Vorsitzender und Ehrenvorsitzender der Landespressekonferenz (LPK) gesammelt hat. Die eigentliche Überraschung in diesem 424 Seiten starken Buch, das Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Montag im Gästehaus der Landesregierung vor einer Gruppe geladener Gäste vorstellte, liegt in den hinteren Seiten: Zick fällt ein sehr negatives Urteil über viele seiner Berufskollegen. Er schreibt: „Zum Glück gehören nicht alle zu den Sensationsreportern und Miesmachern. Es gibt viele andere, sie sich nicht zu schade sind, sachlich, unvoreingenommen und auch mal über Gutes in der Welt und über anständige Politiker zu berichten. So würde ich meine Berufsgenossen in Journalisten und Journaille einteilen, wobei letztere weitaus in der Mehrzahl sind.“
„Für noch schlimmer halte ich den Gesinnungs- oder Meinungsjournalismus."
Rolf Zick, Journalist
Zick wird der „Nestor“ der LPK genannt, man schätzt ihn als liebenswürdigen älteren Herrn, als Mann mit Umgangsformen und ausgleichendem Charakter. Dass er sich politisch nicht links einordnet, war seit langem bekannt. Auch seine Kritik an bestimmten Strömungen im Journalismus ist nicht neu. Nur war sie früher immer maßvoll. Neu ist aber im aktuellen Buch die Entschiedenheit und Deutlichkeit seines Urteils. So heißt es: „Für noch schlimmer halte ich den Gesinnungs- oder Meinungsjournalismus. Vornehmlich von der 68er Generation geprägte Journalisten wollen die Welt – in ihrem Sinne – verändern. Sie wollen nicht mehr über Politik berichten, sie wollen sie ,machen‘. Sie wollen aktiv in das gesellschaftliche Geschehen eingreifen. Sie definieren die Realität und entscheiden somit, was in der Gesellschaft wichtig und richtig ist.“
Zur Verhärtung im Urteil von Zick mag beigetragen haben, dass es wenige Monate vor seinem 100. Geburtstag eine Enthüllung über ihn gab – sein Name war auf einer NSDAP-Mitgliedskarteikarte entdeckt worden. Zick erklärte, sich an die Aufnahme nicht erinnern zu können. Daraufhin gab es eine große öffentliche Erregung über seine Person und die Vorgänge. Zu seinem 100. Geburtstag hieß es im Politikjournal Rundblick: Zick könne als 18-Jähriger 1939 womöglich die „Gefolgschaft“ in der Gruppe von jungen Menschen als so beeindruckend wahrgenommen haben, dass ihm der formale Schritt der Aufnahme in die Partei zu jener Zeit gar nicht mehr bewusst gewesen war. Dann wäre es nicht nur eine Verdrängung gewesen, sondern schon eine Ausblendung des Erlebten im Augenblick des Vorgangs. War das so? Geklärt wird das womöglich nie.
Zick sagte bei der Buchvorstellung, er habe „die Journaille buchstäblich am eigenen Leib erfahren müssen“. Dann meinte er, man dürfe „die Zeit von damals nicht mit den Maßstäben von heute messen“. Seinen Lebtag lang habe er „für Anstand und Fairness gekämpft, auch wenn es oft ein Kampf gegen Windmühlenflügel war“. Ministerpräsident Weil ging auf die Umstände der NS-Debatte über Zick nicht ein. Er sprach mit Blick auf Zick von einem „niedersächsischen Weltrekord“, da noch nie jemand über 75 Jahre die Landespolitik begleitet, darüber berichtet und sie kommentiert habe. Er selbst, sagte Weil, werde der einzige Ministerpräsident Niedersachsens sein, „mit dem er nicht zusammengearbeitet hat und den er nicht hat aus dem Amt scheiden sehen“.