Von Martin Brüning und Klaus Wallbaum

Der Zeitpunkt lässt sich nicht mehr exakt bestimmen, aber rund zwei Wochen sind es schon, in denen Deutschland im Krisenmodus lebt. Über Corona wird schon seit Monaten gesprochen, aber als das Virus spürbar näher kam, ausgedrückt über die wachsende Zahl von Infizierten, wurden auch die Politiker unruhiger. Am 12. März dann wurde über die Schulschließungen gerungen – dieses Datum markiert den Beginn der politischen Ausnahmesituation.

Da bisher die Länder am Zuge sind und die wichtigen Anordnungen gemeinsam mit den Kreisen und kreisfreien Städten treffen, steht das Handeln der Ministerpräsidenten und Minister im Fokus der Betrachtung. Wie gut haben sich die Verantwortlichen in dieser Krisensituation geschlagen? Der Rundblick zieht dazu heute eine erste Zwischenbilanz. Die Schulnote fällt bescheiden aus, sie lautet: Teilweise gut, teilweise auch mangelbehaftet – also eine glatte Vier, ausreichend.

Weil ist Anhänger der „Schritt-für-Schritt“-Strategie

Ministerpräsident Stephan Weil und Sozialministerin Carola Reimann verfolgen erkennbar eine Strategie, die sich von der des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder radikal unterscheidet. Söder tritt mit ernster Miene vor die Kameras und strahlt deutlich erkennbar Entschlusskraft aus. Weitgehende Begriffe wie „Ausgangssperre“ verwendet er bewusst, um allen Bürgern den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Ihm ist eine zugespitzte Beschreibung der Situation lieber als eine gezielte Beruhigung, denn er weiß, dass er nur so all die Zögernden und Zweifelnden von der Notwendigkeit einer Verhaltensänderung überzeugen kann.

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Weil hingegen gilt als Anhänger einer „Schritt für Schritt“-Strategie, die den Leuten behutsam Einschränkungen ihrer Freiheiten vermittelt in der Absicht, bloß niemanden zu erschrecken und keine Panik auszulösen. Die öffentlichen Einlassungen von Weil in den vergangenen Tagen sind so in Erinnerung: Er warnte davor, vorschnell eine Ausgangssperre zu erlassen, außerdem riet er dringend von Hamsterkäufen ab. Söders öffentlich vernehmbare Einlassungen hatten indes eine entgegengesetzte Zielrichtung: Er warnte vor Leichtfertigkeit im Kontakt mit anderen Menschen und pochte auf die Einhaltung der strengen Auflagen. Wenn man es kritisch zuspitzen wollte, könnte man Weils Verhalten als „Beschwichtigungsstrategie“ bezeichnen, wenn man freundlich sein will, könnte man ihm höchste Besonnenheit bescheinigen.


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Den Beifall der linksliberalen Publizistik hat Niedersachsens Ministerpräsident wohl auf seiner Seite, Lob bekam er am Montag auch vom FDP-Fraktionsvorsitzenden Stefan Birkner, der von einem „wohltuenden Krisenmanagement“ sprach, in dem es erkennbar nicht um eine Profilierung gehe, wie zum Beispiel bei der „schneidigen Vorgehensweise“ Söders oder der Krisenpolitik des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz.

Aber ist die Politik, wie sie gerade in Bayern zu beobachten ist, nicht vielleicht sogar das, was die breite Mehrheit der Bevölkerung von verantwortlichen Politikern in Krisenzeiten erwartet? Wer mit Menschen auf der Straße spricht, hört immer wieder die Forderung nach einem einheitlich harten Vorgehen. Die Salami-Taktik mag gut gemeint sein, viele halten sie aber in Notlagen wie dieser für nicht mehr angemessen.

Zum Problem wird das vorsichtige Agieren der Krisenmanager dann, wenn es an der nötigen Transparenz mangelt und man den Eindruck gewinnen kann, es fehle an Konsequenz und Nachdrücklichkeit. Dafür gibt es einige Beispiele:

Schulschließungen: Als das Politikjournal Rundblick am 12. März über die Entscheidung des Krisenstabes berichtete, die Schulen zu schließen, verharrte die Landesregierung stundenlang in Stille – und meldete sich erst am nächsten Vormittag. In dieser Zeit wirkte die Regierung sprach- und orientierungslos. Sie war gefangen zwischen hektischer, obwohl doch vorhersehbarer Planung auf der einen Seite – und verzweifelten Abspracheversuchen mit den anderen Bundesländern auf der anderen.

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Versammlungsverbote: Als Weil und Reimann am 16. März den neuen Erlass ankündigten und erklärten, dass Menschenansammlungen im Freien und in geschlossenen Räumen zu unterbinden seien, verzichteten beide auf die Erwähnung der konkreten Grenzen – maximal zehn Personen im Freien, maximal 50 Personen in geschlossenen Räumen. Das sickerte erst im Verlauf des nächsten Tages durch, als der schriftlich ausformulierte Erlass verbreitet wurde. Wurde der Hinweis in der Pressekonferenz einfach nur vergessen? Das könnte als unprofessionelles Agieren ausgelegt werden. Andernfalls weckt dieses Verhalten den Verdacht, die Regierung selbst könnte es mit ihren strengen Auflagen gar nicht so ernst gemeint haben wie es in der Verfügung formuliert worden war. Auch die Entscheidung, die Plenarsitzung des Landtags am 25. März stattfinden zu lassen, während alle anderen Versammlungen verboten sind, ist problematisch, denn sie strahlt auch etwas von dieser Inkonsequenz aus.


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Kommunale Freiheit: Die Betreiber von Baumärkten und die Friseure beispielsweise konnten sich nach dem Erlass des Sozialministeriums vom 16. März sicher sein, weiter geöffnet zu haben. Doch mit Wirkung vom 19. März ging der Landkreis Osnabrück darüber hinaus – und untersagte, neben anderen Schritten, diesen beiden Geschäftszweigen den Betrieb. Dass einzelne Kreise (so auch Lüneburg) viel weiter gehen können als das Land in seiner Richtlinie vorgibt, wurde aber vorher von der Landesregierung nicht oder nur ganz beiläufig kommuniziert. Das Ergebnis war Verwirrung, zumal von Beginn an klar sein musste, dass Friseure nicht in der Lage sein werden, einen Zwei-Meter-Abstand zur ihren Kunden einzuhalten.

Eindruck fehlender Entschlossenheit in der Führung

All diese Entwicklungen sind verständlich vor dem Hintergrund der Einmaligkeit dieser Situation – und der starken Belastung, unter der auch die handelnden Akteure in der Regierung und in den verschiedenen Krisenstäben leiden. Leider vermittelt das Verhalten der Landesregierung aber auch den Eindruck fehlender Entschlossenheit und Eindeutigkeit in der politischen Führung des Landes. Einmal blitzte ein anderer Stil auf, als nämlich Innenminister Boris Pistorius vergangene Woche kurzzeitig auftrat und verkündete, die Polizei werde unnachgiebig auf die Einhaltung der Auflagen pochen. Auch Wirtschaftsminister Bernd Althusmann, der unbegrenzte Hilfe für betroffene Firmen verspricht, hat wiederholt etwas von dieser Söder-artigen Klarheit vermittelt.

Unterm Strich ist das aber zu wenig für ein sattes Lob an die Adresse der Landesregierung. Das Krisenmanagement in der ersten Phase bekommt von der Rundblick-Redaktion daher nur ein durchwachsenes Zeugnis. Aber das ist ja nur eine erste Bewertung.