8. März 2016 · 
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Zum Internationalen Frauentag: Es ist noch viel zu tun

von Cornelia Rundt (rb) Er hat Geschichte. Er hat Tradition. Und ja – um die Antwort auf die nächste Frage vorweg zu nehmen – er ist noch zeitgemäß. Der Internationale Frauentag, den wir heute feiern, wird in öffentlichen Diskussionen gern in Frage gestellt. Das ist kein Wunder. Gerade junge Menschen empfinden die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern zunächst einmal als selbstverständlich. Sie sind bereit, gemeinsam die Verantwortung sowohl für Familie als auch für den Job zu übernehmen. Viele haben im Kopf die alten Rollenmuster längst in einem dunklen Winkel verstaut. Und das macht Hoffnung. Wenn es aber bei den jungen Leuten an die individuelle Lebensplanung geht, dann zeigen sich die Hürden, die immer noch bestehen. Ich nenne das gern den Realitätsschock. Immer noch schultern Frauen die Hauptlast, wenn es um Familie und Haushalt geht. Sie sind es, die überproportional oft den Job aufgeben, um sich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. Und viele von ihnen arbeiten immer noch in den sogenannten Frauenberufen, die schlechter bezahlt werden. Wir brauchen – gerade angesichts einer älter werdenden Gesellschaft – eine stärkere Wertschätzung von Erziehungs- und Pflegeberufen, auch und gerade bei der Bezahlung. Auch insgesamt hapert es bei der gleichen Entlohnung. Und hier zeigt sich deutlich, wie zeitgemäß dieser geschichtsträchtige Tag ist. Eine der Wurzeln des Frauentages waren die Streiks der Textilarbeiterinnen, die für ihre Arbeit nur einen Bruchteil des Lohns der Männer erhielten. Die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern heute beträgt im Durchschnitt noch immer 22 Prozent. Frauen und Männer müssen für gleichwertige Arbeit auch gleich bezahlt werden. Wir sind weiter als damals – ja. Aber noch lange nicht da, wo wir hin müssen. Deshalb arbeiten wir weiter daran – unter anderem mit der Neuauflage des Niedersächsischen Gleichstellungsgesetzes (NGG). Wo der Frauenanteil unter 50 Prozent liegt, sollen bei gleicher Qualifikation Frauen eingestellt werden, um Nachteile endlich aus dem Weg zu räumen. Damit die Belange von Frauen stärker berücksichtigt werden, brauchen wir auch auf der politischen Ebene mehr Mandats- und Funktionsträgerinnen. Einen Schritt in diese Richtung haben wir mit dem Mentoringprogramm „Politik braucht Frauen“ gemacht, das die Teilnehmerinnen fit für den politischen Alltag gemacht hat. Ich hoffe, dass viele von ihnen bei der bevorstehenden Kommunalwahl auf aussichtsreichen Plätzen an den Start gehen. Ein weiteres Thema, das uns nicht erst seit den Ereignissen der Silvesternacht beschäftigt, ist sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen. Ich wende mich entschieden gegen den Versuch, dieses Thema zu instrumentalisieren, um damit eine ausländerfeindliche Stimmung zu schüren. Deshalb bin ich den vielen Frauen sehr dankbar, die in den letzten Wochen darauf aufmerksam gemacht haben, dass Sexismus und sexualisierte Gewalt in unserer Gesellschaft keineswegs ein neues Phänomen sind. Beeindruckt haben mich besonders kreative Kampagnen wie „#ausnahmslos“ oder „1 Billion Rising“, die zu einem Ende von Übergriffen und Gewalt aufrufen. Beide Kampagnen unterstütze ich ausdrücklich. Wir brauchen eine Strafrechtsreform, die sexuelle Gewalt besser und schneller ahndet. Niedersachsen wird sich dafür im Bundesrat einsetzen. Als Vorsitzende der Konferenz der Gleichstellungsministerinnen und -minister der Länder möchte ich eine neue Debatte zum Thema Gleichstellung anstoßen, die ausdrücklich auch Migrantinnen und Migranten einschließt. Auch vor dem Hintergrund unterschiedlicher kultureller Erfahrungen und Werte muss eines ganz deutlich sein: Die Gleichberechtigung der Geschlechter, wie sie im Grundgesetz festgeschrieben ist, steht nicht zur Diskussion. Deshalb habe ich auch zum Internationalen Frauentag 2016 die „Hannoversche Erklärung“ ins Leben gerufen, die gemeinsam von Frauen- und Migrantenorganisationen unterzeichnet wird und in der die klare Botschaft zum Ausdruck kommt, dass die Gleichstellung der Geschlechter unantastbar ist und jedes kulturelle Rollenverständnis dort seine Grenze findet, wo es die Freiheit eines anderen Menschen einschränkt. Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen, Unterdrückung oder Zwangsverheiratung werden wir nicht tolerieren. Wenn wir anlässlich des bevorstehenden Frauentages Bilanz ziehen, so zeigt sich, dass wir schon viel auf den Weg gebracht haben. Aber noch ist die Gleichstellung nicht völlig verwirklicht. Deshalb brauchen wir auch zukünftig einen Internationalen Frauentag. (Unsere Gastkommentatorin ist Ministerin für Soziales, Gleichstellung und Gesundheit in Niedersachsen)
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #47.
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