Die Wohnungswirtschaft in Niedersachsen sieht das in der Politik diskutierte Baukindergeld skeptisch. „Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für breite Schichten der Gesellschaft, vor allem für diejenigen mit kleinem Geldbeutel. Ihnen hilft das Baukindergeld nicht“, sagt Heiner Pott, Verbandsdirektor des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und Bremen (VDW), im Gespräch mit dem Rundblick. Seiner Meinung nach wäre es sinnvoller, das Geld in Mehrfamilienhäuser mit soliden und konstanten Mieten zu investieren. Pott hält das Baukindergeld auch ökologisch und in Bezug auf die öffentlichen Mittel für fragwürdig. „Der Aufwand für neue Infrastruktur ist beim Bau von neuen Einfamilienhäusern größer. Das können wir uns in dem Umfang, wie es früher gemacht wurde, nicht mehr leisten.“ Sympathie für ein Baukindergeld haben unter anderem die CDU oder auch die Familienverbände. „Aufgrund der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt und im Hinblick auf die Vorsorge für das Alter wäre es gut, wieder eine Eigentumsförderung für Familien mit kleineren bis mittleren Einkommen einzuführen,“ sagt Bernd Heimberg, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Familienverbände in Niedersachsen. Sinnvoll könnte Heimberg zufolge auch das Erlassen der Grunderwerbssteuer beispielsweise unterhalb gewisser Einkommensgrenzen sein.

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VDW-Chef Pott sieht dagegen die Politik zunächst einmal in der Pflicht, den Bau neuer und preiswerterer Wohnungen anzukurbeln. Dabei müssten die Kommunen ausreichend viele Grundstücke schnell und preiswert zur Verfügung stellen und in der Genehmigungspraxis sowie der Abwicklung der Planungsverfahren deutlich mehr Tempo aufnehmen. Beim Land reiche die jetzige darlehensgebundene Förderung nicht aus. „Wir haben viel zu wenig sozialgebundenen Wohnraum“, mahnt Pott. „Wir brauchen bis 2020 jährlich 10.000 Wohnungen und bauen derzeit aber nur etwa 1500 – wir hängen deutlich hinterher.“ Das sei umso dramatischer, weil alte Wohnungen aus der Preisbindung herausfielen. „In den nächsten Jahren fallen 60.000 Wohnungen aus der Bindung heraus und nur 7.500 werden bis dahin neu gebaut. Das bedeutet: „Wir fallen beim sozialen Wohnungsbau zurück und müssen neu justieren.“ Pott fordert das Land auf, auch eigenes Geld in die Hand zu nehmen. Bisher werde nur Geld vom Bund genommen und in die Darlehen investiert.

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Die fehlenden Wohnungen sind auch Nachwehen einer geringen Förderung und Bautätigkeit vergangener Jahre. Während aufgrund vieler Asylbewerber und Zuwanderer zu Beginn der 90er Jahre noch viele Wohnungen befördert und gebaut wurden, brach diese Zahl Mitte der 90er völlig ein. Zum Vergleich: 1994 wurden in Niedersachsen noch mehr als 28.000 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern gebaut. Die Zahl sank bis auf knapp 2800 im Jahr 2009 und könnte, wenn man die Baugenehmigungen zugrunde legt, in diesem Jahr bei etwa 12.600 liegen – weit unter dem Niveau der 90er Jahre. Das gleiche gilt für die Wohnraumförderung. Wurden zu Beginn der 90er noch mehr als 11.000 Wohnungen gefördert, so waren es im Jahr 2015 niedersachsenweit gerade einmal 793 Wohnungen. „Vor allem der soziale Wohnungsbau ist in den vergangenen Jahren völlig vernachlässigt worden – auch auf kommunaler Ebene“, meint Pott. Er plädiert dafür, dass Kommunen wieder kommunale Gesellschaften oder Genossenschaften auf den Weg bringen sollten. Denn sie hätten dadurch mehr Gestaltungsmöglichkeiten und könnten gleichzeitig das Mietpreisniveau senken.