Nicht nur vor der Politik liegen in der kommenden Legislaturperiode bis voraussichtlich 2022 zahlreiche Aufgaben, auch der Autokonzern Volkswagen sieht sich vielen Herausforderungen gegenüber. Welche Entwicklungsmöglichkeiten hat der wichtigste Konzern des Landes? Und was passiert, wenn er seine Möglichkeiten nicht nutzt? Das Politikjournal Rundblick schaut in die Zukunft. Heute Teil vier: Volkswagen.

Ausgerechnet das wichtigste Thema für Niedersachsen, die Marke Volkswagen, kommt im Aufsichtsrat immer wieder etwas kurz – Foto: MB.

Image und Verkauf: Erstaunlich, der Dieselbetrug hat sich nicht auf die Verkaufszahlen bei Volkswagen ausgewirkt. Zwar gibt es in Deutschland aktuell ein dickes Minus beim Verkauf von Diesel-Autos. Der betrifft allerdings alle Hersteller und ist eher eine Folge der politischen Debatte um mögliche Aussperrungen von Diesel-Autos aus den Innenstädten. VW ist nach dem Dieselskandal bisher glimpflich davon gekommen. Und das, obwohl es immer noch keinen Schlussstrich unter der Affäre gibt und viele Kunden unzufrieden sind. In den kommenden Jahren wird es für VW nun darauf ankommen, die Kunden nicht weiter zu verärgern. Dafür wird der unkomplizierte Umgang bei Nachbesserungen entscheidend sein. Bleibt Volkswagen auf seinem hohen Ross der vergangenen Jahre, kann sich so eine Stimmung auch im Inland noch drehen. Kunden würden dann zu Herstellern abwandern, die ihnen vertrauenswürdiger erscheinen, zumal angesichts der aktuellen Politik der Wiederverkaufswert von Diesel-Autos in den kommenden Jahren kein zwingendes Argument mehr für einen VW sein muss. Dann kann es auch ein Auto aus Südkorea sein – das ist in der Anschaffung günstiger und der Wiederverkaufswert spielt dann auch keine Rolle mehr.

Lesen Sie auch:

 

Elektromobilität: Alle reden davon, kaum einer kauft es. Das Elektroauto. Für alle Autohersteller ist die Entwicklung von E-Autos eine Wette auf die Zukunft. Bis zum Jahr 2025 sollen Elektroautos bei Volkswagen bis zu einem Viertel des Umsatzes ausmachen. Dafür werden Milliarden in die Forschung investiert. Reichweiten bis zu 600 Kilometer und ein Kaufpreis auf dem Niveau eines VW Golf Diesel sollen die E-Autos für die Verbraucher endlich interessant machen. Wenn alles nach Plan läuft, könnte VW für die kommenden Jahre ein interessantes Angebot für E-Auto-Kunden haben und gerüstet sein, wenn die Nachfrage in China noch einmal massiv anzieht und auch in den USA die E-Auto-Verkäufe steigen.

Zugleich gibt es aber zahlreiche Risiken. Entwickelt sich die Lade-Infrastruktur in Deutschland weiter im Schneckentempo, werden die Verkäufe im Inland wie bisher auf einem homöopathischen Niveau bleiben. Hinzu kommt, dass auch in vielen Nachbarstaaten das Elektroauto samt dem Bau der Infrastruktur nicht recht vorankommt. Aber wer kauft ein Auto für mehrere zehntausend Euro, mit dem er im Urlaub hinter der Grenze nicht weiterkommt? Ein weiteres Risiko ist das Auseinanderdriften des Automarktes. Gut möglich, dass in China und im US-Staat Kalifornien in näherer Zukunft tausende weitere E-Autos verkauft werden, in anderen Teilen der Welt aber nicht. Mit nur wenigen Überzeugten in Deutschland und in Europa wird die E-Auto-Produktion im Inland kaum zu finanzieren sein – die Produktion wird dann in anderen Ländern, auf anderen Kontinenten stattfinden.

Im Vergleich zu Volkswagen gleicht der interne Umgang sogar in manchem Ministerium einem Start up.

Kulturwandel: VW-Vorstandschef Matthias Müller will der Hierarchiegläubigkeit im Konzern ein Ende bereiten. In der Tat: im Vergleich zu Volkswagen gleicht der interne Umgang sogar in manchem Ministerium einem Start up. Noch hat sich auf den Konzernfluren wenig geändert. Gestaltungsmöglichkeiten? Lieber ein bisschen weniger. Fehlertoleranz? Niedrig. Der Kulturwandel in einem Unternehmen dieser Dimension nach Jahrzehnten der Fehlentwicklung dauert lange. Im besten Fall spielt Müller in den kommenden Jahren bei seinem Vorhaben die Digitalisierung in die Hände. Sie wird dazu führen, dass nicht mehr nur die klassischen Autobauer bei Volkswagen arbeiten, sondern von außen neue Mitarbeiter aus ganz anderen Hightech-Branchen mit frischem Denken kommen werden, die das bestehende System aufmischen könnten. Im besten Fall. Zu befürchten ist, dass Volkswagen Schwierigkeiten haben wird, diese Mitarbeiter zu halten. Die wenigen Gestaltungsmöglichkeiten und die „Um 5 Uhr wird der Mailserver ausgeschaltet“-Mentalität könnten viele neue Mitarbeiter wieder zu anderen, progressiveren Unternehmen treiben. Es hilft auch kein IG Metall-Tarifvertrag mehr, wenn für junge Kreativkräfte das Arbeitsumfeld nicht stimmt. Den Bogen raus hat inzwischen der hannoversche Zulieferer Continental – die neue Zentrale mit Campus-Charakter entsteht nur 85 Kilometer von Volkswagen in Wolfsburg entfernt.

Politik und VW: Zwei Politiker, ein Politiker plus Experte oder gleich zwei Experten? Wen wird die künftige Landesregierung in den VW-Aufsichtsrat entsenden. Wer es auch ist: angesichts der zahlreichen Familien- und Gewerkschaftsvertreter in dem Gremium werden die beiden Vertreter des Landes auch in den kommenden Jahren nur die zweite Geige spielen. Werden Politiker in den Aufsichtsrat entsendet, könnten möglicherweise die Landesinteressen dort konkreter formuliert werden. Werden es Branchenexperten, säße endlich einmal jemand in dem Gremium, der etwas vom Bau von Autos versteht. Im schlechtesten Fall bleibt alles so, wie es ist. Im besten Fall gibt es auf Seiten der Politik eine Professionalisierung mit einem Team von fachkundigen Mitarbeitern in Staatskanzlei und Wirtschaftsministerium, die sowohl juristischen als auch industriellen Hintergrund mitbringen. Zudem sollte die neue Landesregierung noch einmal thematisieren, wie man bei der Kontrolle die Marke Volkswagen separieren kann. Das Land sitzt im Konzern- und Markenaufsichtsrat. Das wichtigste Thema für Niedersachsen, die Marke Volkswagen, kommt dabei immer wieder etwas kurz. So könnte die Politik gleich zu Beginn der Legislaturperiode etwas Neues in Wolfsburg anregen: ein eigenes VW-Gremium unterhalb des Konzernaufsichtsrats.

Eine weitere Entscheidung bei Volkswagen könnte der Politik in die Karten spielen. Aktuell verhandelt VW mit dem Jade-Weser-Port über ein neues Logistikzentrum am Tiefwasserhafen. Sollte der Vertrag unterschrieben werden, entstehen dort in ein bis zwei Jahren zunächst 150 neue Arbeitsplätze. Bis zu 18.000 Container könnten jedes Jahr nach China verschifft werden. Die Einweihung dürfte für den künftigen Wirtschaftsminister schon einmal ein angenehmer VW-Termin werden. (MB.)