Wo die SPD sogar die Kinder bringt
Als die Wahllokale um 18 Uhr schließen, steht in der Nordkurve, einer Fußballkneipe direkt gegenüber der HDI-Arena in Hannover, noch ein gemischtes Publikum. Frustrierte Fußballfans, die noch das 0:2 von Hannover 96 im heimischen Stadion gegen Dresden verkraften müssen, mischen sich mit Anhängern der hannöverschen SPD, die sich zur abendlichen Wahlparty nach und nach einfinden. Rund drei Stunden später sind die SPD-Anhänger eindeutig in der Überzahl.
An einem Tisch steht Helmut Jäkel. Er sieht aus wie 65, ist aber schon 79 Jahre alt. Seit 32 Jahren vertritt er die SPD im Bezirksrat Südstadt-Bult. „Das waren damals noch Zeiten“, sagt er lachend zu zwei Parteifreunden am Stehtisch, im Hintergrund läuft „Get down on it“ von Kool & The Gang, erschienen im Jahr 1981. Ein schwieriges Jahr für die hannöversche SPD. Bei der Kommunalwahl stürzte sie von 51,6 auf 43,2 Prozent. Grund dafür waren die Grünen, die aus dem Stand 6,3 Prozent erzielten. Helmut Jäkel kann sich noch gut an die ersten Grünen im Bezirksrat erinnern. „Die kamen mit Gurken, Möhren und einem Blumentopf an“, erzählt er, und es scheint, als würde er sich noch heute darüber wundern. An die Grünen haben sich die älteren Herren der SPD inzwischen gewöhnt. Und an die AfD? War absolut kein Thema im Wahlkampf, sagen die drei alten Recken der Sozialdemokraten. Am Wahlkampfstand habe niemand über die Rechtspopulisten gesprochen.
Das bestätigen auch mehrere SPD-Wahlkämpfer am Nebentisch. Für sie war er der erste SPD-Wahlkampf. Das hat Spaß gemacht, ist die einhellige Meinung. Werden Sie 2021 wieder am Stand im Bezirk Mitte stehen? „Ach, das wissen wir noch nicht. Fünf Jahre sind ja so lang“, heißt es einhellig – Helmut Jäkel würde das wohl anders sehen.
Um kurz nach 21 Uhr wechseln viele den Standort. Zuvor standen die meisten vor dem Lokal. Draußen sind die Temperaturen inzwischen recht angenehm, drinnen steht die Hitze. Aber jetzt zieht es alle mit dem Bier in der Hand ins Innere. An den Deckenbalken hängen Trikots von Hannover 96-Stars wie Zieler, Cherundolo, Schlaudraff oder Hustzti – auf der Bühne stehen jetzt die Stars der SPD aus Stadt, Region und Land – unter anderem Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok, Regionspräsident Hauke Jagau und Ministerpräsident Stephan Weil. Reden von Hannovers sympathischem Bürgermeister nehmen manchmal skurrile Schlenker. „Wir haben eine tolle Familienpolitik gemacht. Dadurch hatten wir auch einen vermehrten Storchenzuflug in Hannover“, lobt Schostok die eigene Politik. In Hannover bringt die SPD sogar die Kinder.
Ministerpräsident Stephan Weil bleibt bei dem schrägen Bild. Jagau und Schostok bekämen landesweit sehr viel sozialdemokratischen Nachwuchs. Die SPD habe sehr gut abgeschnitten, sagt Weil und nennt als Beispiele unter anderem die Landkreise Wittmund, Leer und Hildesheim. Sogar in Celle, wo sich die CDU allergrößte Mühe gegeben habe, einen aus ihrer Sicht historischen Betriebsunfall zu korrigieren, habe die SPD die Nase vorn. Den größten Beifall der Genossen aus Hannover gibt es heute Abend für das Ergebnis von Dirk-Ulrich Mende, dem SPD-OB-Kandidaten in Celle – rund 40 Kilometer von Hannover entfernt.
Danach geht es für den Parteichef direkt vor die Fernsehkameras und Radiomikrofone. „In Niedersachsen bleibt die SPD eine starke Kommunalpartei“, freut sich Weil standardgemäß und fügt an, Kommunalwahlen hätten ihre eigenen Gesetze. Das sagt man sonst über den DFB-Pokal beim Fußball. Der Satz passt hervorragend in die Nordkurve.
Auch mit Helmut Jäkel kann man gut über Fußball sprechen. Bis vor kurzem hat er noch die Fußball-Knirpse bei VfL Eintracht in Hannover trainiert. „Denen musste man erst einmal beibringen, den Ball nicht ins eigene Tor zu schießen. Auch ein guter Ratschlag in der Politik. Wir haben in der SPD doch auch welche, die Eigentore schießen“, sagt Jäkel und lacht. (MB.)
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