Wirtschaftskompetenz? Das trauen die meisten Befragten inzwischen den Christdemokraten zu
Wenn am kommenden Sonntag Landtagswahlen in Niedersachsen wären, läge die CDU wohl mit 33 Prozent klar auf dem ersten Platz – und die SPD käme im Abstand von sechs Prozentpunkten dahinter, sie müsste mit 27 Prozent rechnen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Drei Quellen-Mediengruppe (3QM) erstellt hat. Allensbach-Chefin Renate Köcher erläuterte dazu in einer 3QM-Pressekonferenz am Donnerstag: „Die Stimmung bricht ein, die Bevölkerung wird unruhiger und fragt, worauf sie sich einstellen muss.“
In der Umfrage verfestigt sich ein Trend, der schon in der Allensbach-Umfrage zur landespolitischen Stimmung im Januar 2024 sichtbar wurde. Damals hatte die CDU mit 30 Prozent vor der SPD mit 29 gelegen, die Grünen waren bei 11 Prozent und die AfD war bei 21 Prozent taxiert worden, die FDP hätte mit 4 Prozent den Sprung in den Landtag verfehlt. Die jetzige Umfrage sieht die CDU bei 33 Prozent, die SPD bei 27 Prozent, die AfD bei 16 Prozent und die Grünen bei 10 Prozent. FDP, BSW und Freie Wähler würden mit je 4 Prozent nicht in den Landtag kommen. Ein rot-grünes Bündnis hätte nach diesen Zahlen keine Mehrheit mehr, auch für Schwarz-Grün könnte es knapp werden – damit spräche viel für eine Große Koalition von Christ- und Sozialdemokraten unter der Führung der CDU. Die nächste Landtagswahl ist planmäßig allerdings erst in drei Jahren, im Herbst 2027. Renate Köcher sagte, in Niedersachsen sei die SPD noch relativ stark, bundesweit sei der Abstand zwischen Union und Sozialdemokraten viel größer. Mitunter könnten sich die niedersächsischen Sozialdemokraten vom Bundestrend entkoppeln, das gelinge ihnen „aber nur teilweise“, betonte Köcher. In der politischen Stimmung schlage gegenwärtig vor allem die Bundespolitik durch – aber es gebe auch landespolitische Probleme, die auf Dauer eine stärkere Rolle spielten. Ein Beispiel sei die Skepsis, die viele Eltern zunehmend gegenüber dem Schulunterricht verspürten, sowohl bei Inhalten wie auch bei den Orten. „Viele Väter und Mütter sind auch in Sorge, ob sich ihre Kinder in den Schulen noch in sicheren Räumen befinden. Über diese Themen müssen wir viel mehr reden.“
Das Institut Allensbach hat zwischen dem 11. und 29. November dieses Jahres 1007 volljährige Niedersachsen befragt – und zwar in persönlichen Gesprächen, nicht über Telefon oder einen Mailaustausch. Ausgewählt wurde ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung. In der Befragung wurde ein Schwerpunkt auf die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und auf die Zukunftsaussichten gelegt. 32 Prozent der Befragten erklärten, dass aus ihrer Sicht die CDU besser dafür sorgen kann, Niedersachsen eine gute Zukunft zu verschaffen. 26 Prozent nannten die SPD. Gegenüber Januar verlor die SPD hier einen Punkt, die CDU legte jedoch vier hinzu. Immerhin 53 Prozent, also eine große Mehrheit, teilt die Ansicht, dass Niedersachsen eine gute Zukunft haben kann, wenn auf die aktuellen Probleme mit den „richtigen Maßnahmen“ geantwortet wird. 21 Prozent widersprechen dieser Aussage, 26 Prozent wollen sich dazu nicht festlegen. Man könne also nicht sagen, hob Köcher hervor, dass die Menschen resignieren würden.
Beim Blick auf die „drängendsten Probleme des Landes“ fällt im Unterschied zu 2023 eine Verschiebung auf. „Zu viel Bürokratie“ liegt jetzt an der Spitze, kräftig zugelegt hat die schlechte wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen im Lande. Weiterhin treiben der Fachkräftemangel, der Ärztemangel auf dem Land und die hohen Mieten viele Niedersachsen um – und speziell die Sorgen von großen Unternehmen wie VW und Meyer-Werft plagen viele Menschen. In der Bedeutung der wichtigsten Probleme haben hingegen die Unterbringung von Flüchtlingen und der Unterrichtsausfall abgenommen. Köcher prognostizierte, dass die Gesundheitsversorgung mittel- und langfristig immer mehr Gewicht bekommen werde.
Besonders drückt sich die veränderte Lage auch in der allgemeinen Stimmung aus. 54 Prozent sind pessimistisch, nur noch 9 Prozent optimistisch. So wächst die Sorge vieler um die Sicherheit des Arbeitsplatzes oder des eigenen Betriebes, die Stabilität des Gehaltes und die eigene soziale Absicherung. Noch 2023 erklärten 36 Prozent der Befragten, dass sich die Politik dringend um die Verbesserung der schlechten Lage der Unternehmen kümmern muss. Dieser Anteil stieg dann im Januar 2024 auf 46 Prozent. Jetzt, im November, legt er noch einmal kräftig zu auf 55 Prozent. Die Frage der Wirtschaftskompetenz wird so beantwortet: Im Januar 2024 sagten noch 32 Prozent, sie hätten hier in die CDU das größte Zutrauen, rasch eine Stärkung der Wirtschaftslage zu erreichen. 23 Prozent ordneten das der SPD zu. Im November kommt die CDU jetzt auf 35 Prozent, die SPD verliert einen Punkt auf 22 Prozent. Sprachen sich im Januar 2024 noch 62 Prozent dafür aus, die Landesregierung müsse mehr für die Stärkung des Wirtschaftsstandortes tun, so steigt dieser Wert jetzt auf 70 Prozent. Die Aussage: „Die Landesregierung tut genug“ unterstützten im Januar 17 Prozent, im November sind es nur noch 11 Prozent. Dazu passt auch die Bewertung der Frage, ob der Wirtschaftsstandort Niedersachsen in den vergangenen Jahren attraktiver geworden ist. 10 Prozent stimmten dem noch im Januar zu, jetzt halbierte sich dieser Wert auf 5 Prozent. 46 Prozent sind heute der Meinung, Niedersachsen sei weniger attraktiv für Wirtschaftsunternehmen als früher – das sind 11 Prozent mehr als noch im Januar. Allerdings fällt ein Unterschied zur bundesweiten Beurteilung auf. Dass Deutschland in den vergangenen Jahren weniger attraktiv für Investoren geworden ist, meinen sogar 71 Prozent – im Vergleich zu 46 Prozent, die diese Aussage auf Niedersachsen beziehen.
Die Allensbach-Umfrage hat sich besonders noch auf die Automobilindustrie und die VW-Krise fokussiert. 73 Prozent meinen, die in den vergangenen 30 Jahren bestehende Beschäftigungsgarantie für alle VW-Mitarbeiter könne es in Zukunft nicht mehr geben, die Aufkündigung durch den VW-Vorstand sei richtig gewesen. „Die Bevölkerung meint, dass in solchen Zeiten wie heute diese Garantien nicht mehr in die Zeit passen“, sagte Köcher. Die klare Ausrichtung von VW auf die E-Mobilität werde ebenfalls kritisch bewertet. Nur 20 Prozent sagen, sie wären demnächst bereit, ein E-Auto zu kaufen. Fünf Prozent erklären, sie hätten schon ein E-Auto. Bei den Gründen zur Ablehnung werden die hohen Anschaffungskosten, die geringe Reichweite, die gestiegenen Strompreise, die zu wenigen Ladestationen und die Zweifel an der Umweltfreundlichkeit der E-Autos erwähnt. Die Batterien seien zudem nicht ausgereift, das Aufladen dauere zu lange und der Wertverlust der E-Autos sei zu hoch. 49 Prozent halten eine Kaufprämie für E-Autos für „nicht sinnvoll“, 28 Prozent sehen das anders. Würde eine solche Prämie mit der Verschrottung des Verbrenner-Autos verknüpft, erklären sogar 58 Prozent, dies sei „nicht sinnvoll“. „Die Menschen sehen, dass es irrsinnig wäre, gute Verbrenner-Autos zu verschrotten“, meinte Köcher. Auch das Aus für die Zulassung neuer Verbrenner-Fahrzeuge, das die EU für die Zeit ab 2035 festgelegt hat, bekommt von den Niedersachsen keine guten Noten. 64 Prozent sind dagegen, 18 Prozent dafür und 18 Prozent meinen, sie seien hier unentschieden. Köcher erklärte, es gebe „überhaupt keine Anzeichen, dass sich die Vorbehalte gegenüber der E-Mobilität auflösen“, die Vorbehalte seien „enorm stabil“. Es sei überhaupt nicht zu erwarten, in nächster Zeit einen Boom für neue E-Autos zu erleben. Sie wundere sich, dass dies in der Politik kaum berücksichtigt werde. Die Verbraucher bräuchten Gewissheit – und die Politik habe sich „an den Menschen versündigt“, als sie die Prämien für den Kauf von E-Autos nach kurzer Zeit wieder eingestellt habe.
Anfang des Jahres 2024 waren noch 68 Prozent der Berufstätigen in Niedersachsen der Meinung, ihr Arbeitsplatz sei sicher. Dieser Befund sei binnen zehn Monaten auf 56 Prozent zurückgefallen. „Die Bevölkerung hat den Eindruck, dass sie überhaupt keine Planungssicherheit mehr hat“, erklärte Köcher. Über 80 Prozent gäben an, sie trauten sich nicht zu, einzuschätzen, wie sich die Preise für Energie, Lebensmittel und Mieten entwickeln. Unsicher ist sich Köcher nach eigenen Worten in der Frage, ob tatsächlich die wirtschaftliche Lage bei der Bundestagswahl am 23. Februar den Ausschlag geben wird. Es sei nämlich heute nicht so wie 2005, als die Wirtschaftskrise mit einer drohenden Massenarbeitslosigkeit einherging und viele Menschen auch wegen ihrer persönlichen Zukunft besorgt waren. Die enormen Probleme vieler Firmen stünden heute einem wachsenden Fachkräftemangel gegenüber. „Die Leute sind nicht so stark persönlich betroffen von der wirtschaftlichen Lage, das ist der Unterschied zu früheren Wirtschaftskrisen“, hob die Allensbach-Chefin hervor. Daher sei es spannend zu beobachten, ob die Bundestagswahl am Ende tatsächlich über die Frage der richtigen Wirtschaftspolitik entschieden werde – oder über andere Themen, etwa die Außenpolitik und die Friedensfrage.
Dieser Artikel erschien am 06.12.2024 in der Ausgabe #217.
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