Von Martin Brüning

„Die Situation ist ernst. Wir befinden uns jetzt in einem echten Notstand und werden möglicherweise später auch beim Wiederaufbau helfen müssen.“ So bringt Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann am Dienstag die Lage der Wirtschaft im Land auf den Punkt. Und auch, wenn sich gestern viele Augen auf Volkswagen richteten, nachdem der Autobauer angekündigt hatte, die Produktion in vielen Werken zunächst einmal auszusetzen, so bleibt doch kein Unternehmen von der Corona-Krise verschont.

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Eine aktuelle Ausnahme gibt es: Teile des Handels haben durch die Hamsterkäufe der vergangenen Tage erst einmal gut verdient. Aber auch hier sei die weitere Entwicklung unklar, betont Althusmann. Er spricht von „schwerwiegenden Einschnitten“ zum Beispiel bei Friseuren, Gebäudereinigern, Garten- und Landschafts- oder auch Messebauern, unmittelbaren Auswirkungen auf Tourismusunternehmen, und einen Rückgang von 20 bis 30 Prozent beim Flughafen Hannover, auch Autozulieferer und Maschinenbau rechneten mit einem Auftragsrückgang von 30 Prozent.

Das  Corona-Virus  verschärft  die  Lage  bei den Zuliefererunternehmen täglich: Lieferketten werden außer Kraft gesetzt, Aufträge brechen weg.

Da geht es eben auch um den weltgrößten Autokonzern mit Sitz in Wolfsburg und alles, was unter anderem mit ihm und anderen Autobauern zusammenhängt. „Das  Corona-Virus  verschärft  die  Lage  bei den Zuliefererunternehmen täglich: Lieferketten werden außer Kraft gesetzt, Aufträge brechen weg“, stellt der Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall, Volker Schmidt, im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick fest.


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Die ohnehin angeschlagene Industrie befinde sich „im Schockzustand“. „Die nächsten Monate werden stürmisch“, prognostiziert Schmidt. Er macht sich vor allem Sorgen um die Liquidität vieler Unternehmen. Die sei für alle überlebenswichtig. „Wer nicht mehr liquide ist, rutscht schnell in die Pleite.“  Daher  sei es von entscheidender Bedeutung, dass die Politik jetzt konkrete Liquiditätshilfen bereitstelle und diese von den Hausbanken an die Unternehmen  durchgeleitet würden. Das müsse jetzt schnell und unbürokratisch passieren.

Wir handeln schnell entschlossen und wirkungsvoll – und haben alle Register gezogen, um die Krise in Niedersachsen abzufedern.

Genau das versucht die Landesregierung nun mit einem Milliardenpaket. Darin enthalten ist eine Aufstockung des Bürgschaftsrahmens des Landes von zwei auf drei Milliarden Euro und eine weitere Milliarde, um der Wirtschaft in Niedersachsen mit Krediten und Zuschüssen unter die Arme zu greifen. Der Landtag wird kommende Woche noch über das insgesamt 4,4 Milliarden Euro schwere Pakt abstimmen müssen. „Wir handeln schnell entschlossen und wirkungsvoll – und haben alle Register gezogen, um die Krise in Niedersachsen abzufedern“, sagt Landesfinanzminister Reinhold Hilbers.

Es ist sehr positiv, dass es schnell gegangen ist. Ob es am Ende ausreichen wird, das können wir im Moment nur vermuten.

Und dennoch ist das zunächst einmal ein erster Schritt, meint der Präsident der Industrie- und Handelskammer Niedersachsen (IHKN), Gerhard Oppermann. „Es ist sehr positiv, dass es schnell gegangen ist. Ob es am Ende ausreichen wird, das können wir im Moment nur vermuten“, sagt er. Im Vergleich zur Finanzkrise, in der immer nur ein Teil der Wirtschaft betroffen gewesen sei, schlage die Corona-Krise nun direkt auf die gesamte Realwirtschaft durch. Da gebe es auf der Einnahmeseite Einbrüche von 30 Prozent, während sich bei der Ausgabenseite aber zunächst einmal nichts ändere, so beschreibt Oppermann das aktuelle Problem vieler Unternehmen. Der Laden ist dicht, die Miete läuft weiter.

Ein Ruderboot in einem Meer von Sorgen

Das Land versucht der Lage Herr zu werden, ist aber doch nur ein Ruderboot in einem Meer von Sorgen. So gibt es zwar seit dem Donnerstag vergangener Woche im Wirtschaftsministerium eine Hotline für Unternehmen, diese sei inzwischen aber deutlich überlastet, erläutert Althusmann. Vier Mitarbeiter nehmen im Ministerium die Anrufe entgegen. Inzwischen könnten Unternehmen auch am Wochenende anrufen. Man nehme alle denkbaren Hilferufe an und versuche, diese an die zuständigen Stellen weiterzuleiten, betont der Minister. Bei der N-Bank verzeichnet man seit Mitte vergangener Woche rund 750 Anrufe von Unternehmen. Es gebe mehrere Beratungszentren und man habe innerhalb der Möglichkeiten Personal aufgestockt.

300 Milliarden Euro. So groß ist das jährliche Bruttoinlandsprodukt in Niedersachsen. Althusmann rechnet in diesem Jahr mit einem Rückgang um rund drei Milliarden Euro. Was nach wenig klingt, wird im Land an vielen Stellen schmerzlich spürbar sein. Eine gute Nachricht gibt es an diesem Mittwoch allerdings auch. In China scheinen die Produktionsketten wieder anzulaufen. In vier bis sechs Wochen sei damit zu rechnen, dass die Lieferketten wieder funktionierten, hofft der Wirtschaftsminister. Vielleicht ein erster Hoffnungsfunke im Corona-Chaos.