Die FDP-Landtagsfraktion hatte sich in der Plenarsitzung des Landtags vorgenommen, den Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) ein wenig zu provozieren – mit Erfolg. So erklärte FDP-Fraktionschef zunächst am Rednerpult, dass es seit einem Jahr, also seit September 2018, mehr als 13.000 Minuten Landtags-Plenartagungen gegeben habe. In dieser Zeit aber habe der Ministerpräsident selbst lediglich 58 Minuten gesprochen – das seien 0,4 Prozent der gesamten Redezeit. Birkner zog daraus den Schluss, dass sich der Regierungschef „zu wenig mit Landespolitik“ beschäftige.

Wurde mit einer Zwischenfrage in der Causa Pistorius konfrontiert: Ministerpräsident Stephan Weil – Foto: Stk. Niedersachsen, MI Niedersachsen

Just am Mittwoch allerdings gelang es Birkner dann doch, den in den meisten Debatten äußerst zurückhaltenden Regierungschef aus der Reserve zu locken. Es ging um den – später mit breiter Mehrheit abgelehnten – Antrag der FDP, der Landtag möge Innenminister Boris Pistorius (SPD) eine Missbilligung aussprechen. Die FDP ist der Meinung, Pistorius habe am 12. Juli im Innenausschuss „wider besseres Wissen falsche Angaben gemacht“.

Es ging um gestohlene Unterlagen aus Privatwagen von Polizeibediensteten, und Marco Genthe (FDP) fragte den Minister damals im Ausschuss: „Gab es seit Beginn dieser Legislaturperiode weitere, ähnliche sicherheitsrelevante Vorkommnisse innerhalb der niedersächsischen Sicherheitsbehörden, die den Mitgliedern des zuständigen Ausschusses ebenfalls nicht mitgeteilt wurden?“ Daraufhin antwortete Pistorius am 12. Juli im Ausschuss: „Mir sind keine weiteren Vorkommnisse bekannt, die von den Sicherheitsbehörden dem Innenministerium hätten gemeldet werden müssen oder können oder worden sind.“

Sie werden in keinem einzigen Einstellungsverfahren eine hundertprozentige Passgenauigkeit von Einstellungsmöglichkeiten und Bewerbern erreichen.

Wie ist diese Aussage nun zu interpretieren? Birkner und die FDP meinen, Pistorius habe bewusst die Unwahrheit gesagt, da er bereits seit Juni von der verschwundenen Maschinenpistole MP5 gewusst habe. Wiard Siebels (SPD) erwiderte, bei der Befragung im Ausschuss sei es um verschwundene Gegenstände aus Autos gegangen, nicht um Waffen. Im Übrigen habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgestanden, dass die Maschinenpistole tatsächlich verloren gegangen sei, man habe noch nach ihr gesucht. „Niemand kann doch ernsthaft von der Regierung verlangen, dass sie über unbestätigte Sachverhalte unterrichtet.“

Birkner geht Weil direkt an

Als in dieser Debatte dann Ministerpräsident Weil nach vorn ging und beteuerte, die Regierung werde ihrer Informationspflicht stets Genüge tun und wahrheitsgemäß unterrichten, wurde er unvermittelt mit einer Zwischenfrage von Birkner konfrontiert: Ob denn die Antwort von Pistorius im Ausschuss „richtig gewesen“ sei. Darauf sagte Weil zunächst, dass ja zum Zeitpunkt der Antwort unklar gewesen sei, ob die Waffe tatsächlich verschwunden war.

https://soundcloud.com/user-385595761/spd-regionalkonferenz-wer-blieb-schwach-wer-trumpfte-auf

Als dann Jörg Bode (FDP) mit einer weiteren Zwischenfrage nachhaken wollte, ließ Weil diese nicht zu, sagte laut „vielen Dank“ und ging zu seinem Platz zurück. Birkner meldete sich daraufhin und erklärte, dass die FDP keinesfalls der Meinung sei, der Minister habe damals auf die MP5 hinweisen müssen. „Aber er hätte sagen sollen, dass er weitere Angaben mit Hinweis auf die Sicherheitslage nicht machen kann. Indem er aber mit ,nein‘ antwortete, hat er wissentlich eine falsche Auskunft gegeben – denn er wusste, dass ,nein‘ nicht stimmt.“

Dann ging Birkner den Regierungschef direkt an: „Sie versuchen, die Sache zurechtzubiegen. Sie müssten vielmehr Rückgrat zeigen und zugeben, dass ein Fehler passiert ist.“ Helge Limburg (Grüne) schlug in die gleiche Kerbe: „Das Kabinett Weil tut alles, um den Eindruck zu vermeiden, sie hätten Respekt vor dem Parlament und der Öffentlichkeit.“

„Wahrheitsgemäß“ statt „nach bestem Wissen“

FDP und Grüne hatten im Landtag noch Vorschläge parat, wie die Auskunftsrechte der Opposition im Parlament verbessert werden können. Die FDP legte einen eigenen Gesetzentwurf vor. Dieser sieht – aufgehängt am Pistorius-Beispiel – ausdrücklich die generelle Pflicht der Regierung zur „wahrheitsgemäßen“ Auskunft vor. Bei Antworten auf Anfragen ist in der Verfassung bisher vorgesehen, dass diese „nach bestem Wissen“ formuliert sein müssen – für Unterrichtungen fehlt eine solche Bestimmung noch.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Außerdem muss bisher laut Artikel 25 der Landesverfassung die Regierung das Parlament unterrichten, sobald es um Landesplanung, Standortplanung, Gesetzesvorbereitung, Großvorhaben oder etwa die Mitwirkung im Bundesrat geht. FDP und Grüne wollen, dass diese Pflicht auch auf „sicherheitsrelevante Fragen“ ausgedehnt wird. Jens Nacke (CDU) und Wiard Siebels (SPD) zeigten sich bereit, an dieser Stelle die gesetzlichen Vorschriften anzugleichen. Siebels brachte sogar eine mögliche Änderung der Verfassung an dieser Stelle ins Gespräch.